Brückenbauer zwischen den Kulturen
26. November 2013Nachhaltige Rohstoffgewinnung ist das Stichwort, das den Kommunikations- und Politikwissenschaftler in seinem Berufsleben umtreibt. Riesige Kohle-, Kupfer- und Goldvorkommen warten in der Mongolei darauf, geborgen zu werden, das Land wittert eine glänzende Zukunft. "In den letzten drei, vier Jahren hatten wir ein Wirtschaftswachstum zwischen 12 und 13 Prozent", sagt Batbold Otgonbayar. "Das meiste davon verdanken wir dem Bergbau."
Promovieren oder zurück in die Heimat?
Aber der Weg von der einstigen Nomadennation zum modernen Rohstoffexporteur ist lang, weiß der stellvertretende Programmdirektor der Integrated Mineral Resource Initiative (IMRI), einer Initiative der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ. Seit 2010 arbeitet der ehemalige Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung hier. Damals stand er vor der Wahl, in Deutschland zu promovieren oder als Experte im Bereich Organisationsentwicklung in Ulan Bator anzufangen. Er hatte sich kurz vor dem Abschluss eher pro forma bei "CIM" beworben, dem Centrum für internationale Migration und Entwicklung mit Sitz in Frankfurt. Dort vermittelt man ausländischen Fachkräften weltweit Arbeitsstellen. Vier Monate später flatterte Batbold Otgonbayar ein Jobangebot ins Haus.
"In meiner Heimat boomte alles, und ich wollte meinen Beitrag dazu leisten, die Entwicklung voranzutreiben", erzählt Batbold. "Also ging ich zurück." Viele seiner Landsleute profitieren zu wenig vom Reichtum, den die Rohstoffe bescheren, findet er. Immer noch lebt mehr als jeder vierte Mongole unter der Armutsgrenze, deshalb will der 30-Jährige sich für eine gerechtere Verteilung des Vermögens einsetzen. Bei seinem deutschen Arbeitergeber, der GIZ, fühlt er sich für diese Aufgabe gut gerüstet.
Interkulturelle Kompetenz
Der Abbau der Rohstoffe, auch das weiß er, ist ein dreckiges Geschäft, und Umweltstandards werden nur langsam umgesetzt. Für die Modernisierung ist die Mongolei stark auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen, aber man ist auch misstrauisch. Die Angst vor einer zu starken Abhängigkeit sitzt tief. Batbold Otgonbayar ist kein Bergbauingenieur, sondern Kommunikationsexperte; er weiß mit solchen Emotionen umzugehen. Sperrige Berufsbeschreibungen wie "gute wirtschaftliche Regierungsführung" und "Kooperationsförderung im mineralischen Rohstoffsektor" gehören zu seinem Aufgabenbereich. Im Klartext heißt das, dass er zwischen ausländischen NGOs und Unternehmen und der mongolischen Regierung vermittelt.
Entwicklungsarbeit habe viel mit interkultureller Kompetenz zu tun, ist Batbold überzeugt: "Ich kenne die Mentalität meiner Landsleute, und ich kenne durch meine Studienjahre auch die Deutschen. Das hilft mir bei der Arbeit enorm", sagt er. "In gewisser Weise bin ich so eine Art Brückenbauer zwischen den Kulturen."
Über den Tellerand hinaus
Besagte interkulturelle Kompetenz habe er in Deutschland gelernt, erzählt Batbold. Ausgerechnet im Sprachkurs. Um in Münster studieren zu können, paukte er nämlich erst mal drei Semester lang Deutsch. "Dort lernte ich Menschen aus alle möglichen Nationen von Afrika bis Südamerika kennen, nur keine Deutschen", erinnert sich Batbold. Eine ganz schöne Herausforderung sei das gewesen, weil viele Verhaltensweisen der Kommilitonen für den jungen Mongolen absolut unverständlich waren. "Wir haben viel gestritten und diskutiert, aber nach ein paar Monaten haben wir die Welt über unseren Tellerand hinaus betrachtet und sind gute Freunde geworden."
Batbold Otgonbayar schrieb sich für Politik- und Kommunikationswissenschaft und Soziologie in Münster ein und merkte schnell, dass er mit der finanziellen Unterstützung aus dem Elternhaus kaum über die Runden kam. Also recherchierte er im Internet nach politischen Stiftungen, die ausländische Studierende fördern, und bewarb sich schließlich erfolgreich bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Sieben Semester lang förderte die "FES" den engagierten jungen Politologen. Noch heute hält er regen Kontakt zur Stiftung, gründete in seiner Heimat sogar einen "Arbeitskreis Asien" der FES-StipendiatInnen.
Der erste Kulturschock
Viele waren wie Batbold Otgonbayar mehrere Jahre lang in Deutschland. Noch heute kann er sich gut an seinen ersten Eindruck nach der Ankunft erinnern: "Ich habe überall alte Leute gesehen. Sie hatten Einkäufe dabei, fuhren Rad, saßen in Cafés. Das war schon ein kleiner Kulturschock."
Kein Wunder: Batbolds Heimat ist ein sehr junges Land. 60 Prozent der Bevölkerung sind unter 35 Jahre alt. Der Generationenvertrag gehört hier noch zum Alltag. Die Alten verlassen das Haus fast nie, sie sitzen auf dem heimischen Sofa oder im Garten, die Familie kümmert sich um sie. Bis heute. "Wir sind ein Land zwischen den Kulturen", sagt Batbold. "Die Sowjets haben uns den sozialistischen, aber auch europäischen Lebensstil aufgedrückt; gleichzeitig sind wir in der asiatischen Tradition verankert. Und dort ziehen sich die Alten eben aus dem aktiven Leben zurück."
In Deutschland hatte Batbold Otgonbayar ein Erlebnis mit einer älteren Dame, an das er gerne zurück denkt. Was er erzählt, können Sie hier anhören.
Deutsche Tugenden
Dichte Bebauung statt weiter Steppe, ungewohntes Essen: Es gab so einiges, an das sich Batbold Otgonbayar in Deutschland erst gewöhnen musste. Auch Pünktlichkeit gehört dazu, definitiv keine Tugend seines Landes. "Ich fand das aber gut, man konnte seinen Tag genau einteilen", erinnert er sich. "Der Bus kam um 8 Uhr, um 8.30 begann die Uni, alles war perfekt strukturiert." Pünktlichkeit kann aber auch ein Fluch sein, musste er schnell lernen. "Wenn man irgendein Papier auf dem Amt holen musste, das um Punkt 16 Uhr schließt und man erst um 16.01 Uhr auf der Matte stand, hatte man Pech. Dann waren die Türen definitiv zu."
Heute kann Batbold Otgonbayar über solche Erlebnisse lachen. Pünktlicher als früher sei er jetzt selber, gesteht er und meint rückblickend: "Ich bin sehr froh, dass ich die Chance hatte, in Deutschland zu studieren. Das Niveau ist sehr hoch." Und nicht nur durch seinen Job fühlt er sich Deutschland immer noch verbunden.