Bulgarien will weniger russisches Gas
20. Februar 2015Bulgarien hat große Pläne: Die Regierung möchte gerne einen EU-Gasspeicher bauen, einen sogenannten Gas-Hub, um vor allem russische Gaslieferungen an die EU-Länder in Mittel- und Südosteuropa zu verteilen. Wie kommt das ärmste Land der europäischen Union auf diese Idee?
Bulgarien ist im Energiesektor fast vollständig von russischem Gas abhängig. Gleichzeitig gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Moskau und Sofia über die South-Stream-Pipeline. Die sollte ursprünglich das Gas aus Russland in die EU transportieren, am Territorium der umkämpften Ukraine vorbei, stattdessen durch Bulgarien. Aber die russische Regierung hatte das Projekt nach politischen Querelen im Dezember gestoppt - während Bulgarien gerne weiterbauen wollte.
Abhilfe soll der überregionale Gasspeicher schaffen. Das Projekt soll 2,2 Milliarden Euro kosten, und der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow hat es bei einem hochrangig besetzten Energieforum in Sofia vorgestellt. Anwesend waren die Energieminister aus Österreich, Kroatien, Griechenland, Rumänien, Ungarn, Italien, Slowenien, der Slowakei und Bulgarien - Auslöser für ihr Treffen war die Entscheidung Moskaus, das South-Stream-Projekt zu begraben.
Der geplante Gasspeicher soll nun eine enge Anbindung der Region an den europäischen Gasmarkt ermöglichen. Der EU-Kommissar für die Energieunion, Maroš Šefčovič, betonte, die Abhängigkeit von den russischen Gaslieferungen müsse abgebaut werden: "Wir haben vereinbart, dass jeder Staat Südosteuropas Gas aus mindestens drei verschiedenen Quellen beziehen sollte."
Die EU soll finanzieren
Ein Großteil des Gasvolumens für den neuen Speicher, rund 63 Milliarden Kubikmeter, soll aus Russland kommen, kleinere Mengen aus Bulgarien, Rumänien und aus der Region um das Kaspische Meer. Dieses Gas könnte dann zum Teil Bulgarien und Rumänien versorgen, während rund 43 Milliarden Kubikmeter in Richtung Mitteleuropa weitergeleitet würden. Eine kleine Menge könnte auch Serbien bekommen. Insgesamt, so die Vorstellung der bulgarischen Regierung, würde sie 844 Kilometer neuer Gasleitungen verlegen lassen, inklusive Gasverbindungen zu den Nachbarländern. Für die Finanzierung erhofft sie sich Gelder aus dem großangelegten Investitionsplan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Die Idee hat allerdings einen Haken: Das ganze Vorhaben basiert auf der Annahme, dass der Unterwasserteil von South Stream bis zu der bulgarischen Schwarzmeerstadt Varna doch noch gebaut wird. Das ist aber keineswegs sicher. Somit steht das geplante Gasvolumen für den künftigen Speicher gar nicht zur Verfügung. Einzige Möglichkeit wäre, dass das russische Gas nach Varna nicht über South Stream kommt, sondern durch den Gaskorridor über Griechenland und die Türkei, den Präsident Wladimir Putin als Alternative plant, bekannt unter dem Namen Turkish Stream.
Den Gasmarkt umbauen
Christo Kazandjiev von der Nichtregierungsorganisation Bulgarisches Energieforum glaubt, dass der Gas-Hub in Bulgarien am richtigen Ort wäre, da das Land geographisch günstig liegt und über ein gut ausgebautes Gasnetz verfügt. Für das Projekt wäre jedoch wichtig, in ganz Europa die Netze weiter aus- und die Gasmärkte umzubauen. "Vor allem aber sind die sicheren Gaslieferungen aus unterschiedlichen Quellen entscheidend", so der Energieexperte. Denn neben kleineren Mengen aus Griechenland und der Kaspischen Region (dem sogenannten Südlichen Gaskorridor) rechne man letztlich wieder hauptsächlich mit dem russischen South-Stream-Gas.
Auch der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie, Miguel Arias Cañete, unterstreicht die wichtige Bedeutung der alternativen Gaslieferungen. Cañete zufolge spielt der Südliche Gaskorridor eine Schlüsselrolle für die langfristige Unabhängigkeit der Region bei der Energieversorgung. Darüber hinaus sei es wichtig, Gasreserven im Schwarzen Meer zu erschließen und Flüssiggasterminals in der Region zu bauen.
Geringe Erfolgsaussichten
Weniger optimistisch ist Ilian Vassilev, Energieexperte aus Sofia. "Die Sonntagsreden sind schön, viel wichtiger aber sind die Möglichkeiten der europäischen Gasmärkte, die Infrastruktur und der Gesetzesrahmen." Wenn die nötigen Bedingungen wie etwa die Gasverteiler, die Pipelines sowie die Verträge über sicheren Gaslieferungen einmal gegeben seien, dann könne der bulgarische Gas-Hub gebaut werden - aber erst dann.
Einen Schritt nach vorn haben Bulgarien, Griechenland und Rumänien bereits getan: Sie wollen ihre Gasnetze koppeln. "Wir erwarten, dass sich auch Ungarn anschließt", erklärte die bulgarische Energieministerin Temenuschka Petkowa. Brüssel soll finanzielle Hilfe leisten. Für die Region steht dabei viel auf dem Spiel: Anfang 2009 blieb Bulgarien während des Gasstreits zwischen der Ukraine und Russland wochenlang von russischen Gaslieferungen abgeschnitten. Danach wollte Bulgarien schnellstmöglich Verbindungen zu den Gasnetzen der Nachbarländer Türkei, Griechenland, Serbien und Rumänien herstellen, um eine solche Gefahr künftig auszuschließen. Doch keine dieser Leitungen ist bisher in Betrieb.