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Bulgarischer Menschenhändler-Ring zerschlagen

8. Juni 2006

In Italien und Bulgarien wurden in einer grenzübergreifenden Polizeioperation 41 Personen festgenommen. Sie sollen bulgarische Kinder ins Ausland geschmuggelt und dort zu Straftaten gezwungen haben.

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Internationale Polizeiaktion war erfolgreichBild: dpa

Die Bande wurde seit mehr als einem Jahr beobachtet. In dieser Zeit konnte man feststellen, dass bulgarische Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren mit falschen Papieren nach Italien gebracht wurden, um dort vor allem Taschendiebstahl zu betreiben. Manche Kinder wurden auch zur Prostitution gezwungen.

Ein Teil der Kinder war in anderen Ländern tätig, viele davon in Deutschland und Österreich, aber auch in der Schweiz, Frankreich, Spanien, Schweden und Polen, teilte die Staatsanwaltschaft in Pleven mit. In der Region dieser bulgarischen Stadt wurden am Wochenende 30 Leute verhaftet, die in das illegale Netz verstrickt gewesen sein sollen. Die bulgarische Polizei hat nach einem Haftbefehl aus Italien gehandelt. Ein italienisches Gericht hatte zuvor die Ausweisung von 39 bulgarischen Bürgern verlangt.

Die 30 Verhafteten werden bald nach Italien überstellt, bestätigte der bulgarische Innenminister Rumen Petkov. Weitere neun der Anführer der Bande werden gesucht, sieben davon sollten sich in Bulgarien aufhalten, zwei befänden sich im Ausland, so Petkov.

Roma-Kinder als Opfer

Die Opfer des illegalen Netzes sind vor allem bulgarische Roma-Kinder. Diese stammen aus besonders armen Familien. Laut offiziellen Angaben leben heute in Bulgarien etwa eine Million Roma. Damit ist das die größte Minderheit im Lande. Viele Roma sind nicht nur arm, oft sind sie Analphabeten ohne Schulbildung. Deshalb werden sie leicht zum Opfer des Menschenhandels, sagt die Leiterin des Internationalen Zentrums für Minderheiten in Sofia, Antonia Zheljazkova: „Der Anteil der Roma in Bulgarien, die als Analphabeten gelten, wächst ständig. Es gibt bereits eine zweite Generation von bulgarischen Sinti und Roma, die am normalen Arbeitsmarkt nicht teilnehmen. Das sind die heute 25-30-jährigen Roma, die 1989, als der große Wandel begann, noch Kinder waren. Sie haben bis heute weder gelernt noch gearbeitet. Irgendwie haben sie überlebt und zugleich entdeckt, dass sie es schaffen können, auch ohne zu arbeiten. Das sind in erster Linie die Leute, die irgendwann eine Beschäftigung in der Schattenwirtschaft finden oder zur organisierten Kriminalität übergehen.”

Es sei ein Ausweg, um zu überleben, wenn man nicht in die Gesellschaft und die Arbeitswelt integriert ist, fügte sie hinzu. Antonia Zheljazkova wirft den bulgarischen Behörden vor, nicht genug zu ebendieser Integration der Roma-Minderheit in die bulgarische Gesellschaft zu leisten. Der Regierung fehle der politische Willen dazu, sagt sie.

Umstrittene Rolle der Eltern

Zlatko Mladenov ist Direktor der Nichtregierungsorganisation "Roma-Zentrum Heiliger Georgi” in Sofia. Er dementiert, dass die Roma-Kinder massenhaft zum Diebstahl, Betteln oder Prostitution gezwungen werden: „Ich kenne keine Familie, die so mit ihren Kindern umgeht. Ich habe Medienberichte gehört, dass es Familien gäbe, die ihre Kinder verkaufen. Zum Beispiel schwangere bulgarische Roma-Mädchen reisen nach Griechenland, wo sie ihre Babys zur Welt bringen, um sie dann zu verkaufen. Ich weiß das alles aus den Medien, kenne aber keine einzige Familie, die einen solchen Handel betreibt.”

Im Rahmen der in Italien durchgeführten Operation “Elvis Bulgarien” wurden etwa 100 Kinder ermittelt, die gezwungen waren, Diebstahl zu betreiben oder sich zu prostituieren. Laut Angaben der Polizei wurden die meisten Opfer dieser Menschenhändler-Bande von ihren eigenen Eltern verkauft. Andere Kinder wurden von den Eltern verliehen, dagegen sollten sie ein Teil vom Gewinn des Kindes bekommen. Die Betreiber des Netzes behaupteten, der Tagesgewinn vom Taschendiebstahl belaufe sich auf 1.000 Euro.

Neue Gesetze gegen Menschenhandel

Bugarien bewirbt sich um die EU-Mitgliedschaft, hat aber starke Defizite im Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu verzeichnen. Die bulgarische Regierung bemüht sich, das negative Bild zu verbessern. Zu den Maßnahmen zählen auch neue Gesetze. So wurde zum Beispiel erst kürzlich ein neues Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels verabschiedet. Schritte in diese Richtung unternimmt auch die Staatliche Agentur zum Schutz der Kinder, erklärt die Vorsitzende Schirin Mestan: „Wir verhandeln mit dem Innenministerium über ein Verbot für Kinder, die Verbrechen im Ausland begangen haben, zwei Jahre lang danach nicht wieder ins Ausland reisen zu können.”

Sie fügt hinzu, dass der Agentur für Kinderschutz 17 Fälle bekannt sind, bei denen Minderjährige gezwungen worden waren, Verbrechen in Österreich, Italien, der Tschechischen Republik und der Slowakei zu begehen.

Von den etwa 100 Kindern, die Opfer des in Italien zerschlagenen Menschenhändler-Netzwerks wurden, hat die Polizei bislang 21 Kinder ermittelt. Sie sollen bald nach Bulgarien zurückgebracht werden.

Emiliyan Lilov

DW-RADIO/Bulgarisch, 2.6.2006, Fokus Ost-Südost