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Keine Ausreise für Afghanen?

16. Oktober 2014

Die Bundesregierung behandelt Afghanen, die sich wegen ihrer Arbeit für die Deutschen bedroht sehen und aus ihrem Land ausreisen wollen, offenbar ungleich. Das berichten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung".

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Afghanistan: Ein Bundeswehrsoldat (l) und ein Dolmetscher (r) sprechen nahe Kundus mit einem Zivilisten (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach den Medien-Recherchen informierte die zum Entwicklungshilfeministerium gehörende "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (GIZ) ihre lokalen Mitarbeiter nach Schilderungen von Ortskräften nicht aktiv und riet mehrfach von Ausreiseanträgen ab. Von den bisher 437 Aufnahmezusagen unter anderem an Dolmetscher entfällt lediglich eine auf den Bereich des Entwicklungshilfeministeriums. Die Bundesregierung lehnte 60 Prozent der Ausreiseanträge afghanischer Mitarbeiter ab, die sich vor allem durch Taliban gefährdet sehen.

Hochrangige deutsche GIZ-Vertreter sollen nach Schilderungen von Teilnehmern in mehreren Sitzungen und Gesprächen ihren afghanischen Mitarbeitern als Linie vermittelt haben, dass eine Ausreise nach Deutschland für GIZ-Ortskräfte nicht möglich sei. Die Bundesregierung erklärte, sie kenne solche Äußerungen nicht und hielte sie für sachlich falsch. In der Folge meldeten Ortskräfte nach eigenen Angaben konkrete Drohungen nicht, weil sie es für aussichtslos hielten oder Angst um ihren Job hatten. Zudem wurden die knapp 1700 afghanischen Mitarbeiter der staatlichen Entwicklungshilfe-Organisation offenbar nicht wie vom Entwicklungshilfeministerium behauptet über ihre Möglichkeiten bei Drohungen informiert.

Erst in den vergangenen Wochen wurde nach Angaben der Bundesregierung die erste Ausreise einer GIZ-Ortskraft genehmigt, acht weitere Fälle werden derzeit geprüft. "Ich denke, hier wird ein Druck ausgeübt, sich nicht zu melden", so der Frankfurter Anwalt und Pro-Asyl-Mitbegründer Victor Pfaff. Man solle aber daran denken, "dass sich in Zukunft Menschen für die GIZ oder für andere Organisationen nicht mehr zur Verfügung stellen, wenn man ihnen in einer Gefährdungslage nicht mehr hilft."

Ablehnung von Ausreiseanträgen kaum anfechtbar

Bei Fällen im Bereich der Bundeswehr sind Entscheidungen gegen eine Ausreise oftmals nicht nachvollziehbar. So wurden nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" Anträge trotz konkreter Drohungen abgelehnt, und das, obwohl die Afghanen in Taliban-Gebieten sehr exponiert für die Deutschen tätig waren. Konkrete Gründe für die Ablehnung werden meist nicht mitgeteilt, die Entscheidungen sind rechtlich kaum anfechtbar.

Der ehemalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) kritisiert die bisherige Handhabung des Verfahrens: "Es ist beschämend, wie die Ortskräfte behandelt werden, die im Grunde Leib und Leben eingesetzt haben, damit deutsche Kräfte - sowohl Soldaten als auch Entwicklungshelfer - ihre Arbeit tun können. Es ist unwürdig, nicht hinnehmbar und aus diesem Grund bedarf es schneller Hilfe und einer anderen Regelung."

Kriterien als "Verschlusssache"

Insgesamt wurden bislang nach Angaben der Bundesregierung 1105 so genannte Gefährdungsanzeigen afghanischer Mitarbeiter des Verteidigungs-, Innen-, Außen- und Entwicklungshilfeministeriums bearbeitet. Davon wurden 60 Prozent abgelehnt. Für afghanische Ortskräfte, die sich bedroht fühlen, gilt seit einem Jahr ein standardisiertes Verfahren aller Ministerien.

Die einheitlichen Kriterien werden Antragstellern, Anwälten und der Öffentlichkeit jedoch nicht offengelegt und sind als Verschlussache eingestuft. Dazu Pro-Asyl-Mitbegründer Victor Pfaff: "Solange die Kriterien und die Arbeitsweise nicht auf den Tisch kommen, bleibt ein Misstrauen in das Verfahren." Vor allem bei Ablehnungen, die man nicht nachvollziehen könne.

re/cr (afp, dpa, ots, NDR)