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Bundesregierung: Türkei Aktionsplattform für Islamisten

Mathias Bölinger16. August 2016

Ein vertrauliches Dokument der Bundesregierung bescheinigt der Türkei enge Verbindungen zu islamistischen Organisationen im Nahen Osten. Auch zur Lobbyarbeit der Erdogan-Anhänger in Deutschland äußert sie sich.

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Der türkische Präsident Erdogan (Bild: picture-alliance)
Bild: picture-alliance/abaca/K. Ozer

Drucksache 18/9274 ist kein besonders ungewöhnliches Dokument. 19 Fragen stellt darin eine Gruppe Abgeordnete der Linkspartei an die Bundesregierung. Es geht um Versuche der türkischen Regierung, auf die deutsche Politik Einfluss zu nehmen und um deren Verbindungen zu islamistischen Gruppen, insbesondere der palästinensischen Hamas und der ägyptischen Muslimbrüder. Solche Anfragen werden im Bundestag häufig gestellt. Und die Linke hat auch schon häufiger kritische Nachfragen zur Türkei gestellt. Aber diese hat eine besondere Aktualität. Denn einen Tag nachdem die Angeordneten ihre Fragen einreichten, versuchte das Militär in der Türkei zu putschen. Und während der Säuberungen, die auf den Putsch folgten, wurden deutliche Risse zwischen Berlin und Ankara sichtbar.

Brennende Fragen

Das Thema erreichte plötzlich eine breite Öffentlichkeit. Erdogan-Anhänger demonstrierten in Köln. Die Gräben zwischen Berlin und Ankara traten in der Frage der Visumsfreiheit für türkische Staatsbürger offen zutage. Und auch die Frage, ob der eng mit dem türkischen Staat verbundene Verband Ditib in seinen Moscheen für die türkische Regierung mobilisiert. Es sind also lauter Fragen, die die Öffentlichkeit im Moment brennend interessieren. Umso enttäuschender ist die Antwort der Bundesregierung - eigentlich. Aus geheimdienstlichen Gründen sei es leider nicht möglich, hierauf zu antworten, teilt Ole Schröder, der Staatssekretär im Innenministerium, mehr oder weniger gleichlautend auf alle Fragen mit. Manchmal macht er sich gar nicht die Mühe, Fragen einzeln zu beantworten und schreibt einfach "zusammenfassend" unter acht Fragen: "Aus den genannten Gründen liegen der Bundesregierung keine über die Medienberichterstattung hinausgehenden Informationen vor."

Interessant ist allerdings ein Anhang, über den das ARD-Hauptstadtstudio nun berichtet. Dieser Teil ist nicht öffentlich und mit dem Vermerk "VS – nur für den Dienstgebrauch" versehen. Im geheimen Teil der Antwort, so zitiert es das ARD-Hauptstadtstudio, ist von einer "ideologischen Nähe der Regierungspartei AKP und von Präsident Erdogan zu den Muslimbrüdern die Rede". In dem Papier heißt es, die Türkei habe ihre Verbindungen zur Hamas und zu den ägyptischen Muslimbrüdern unter Erdogan stark ausgebaut. Das Land sei "zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens" geworden. So sendeten mehrere Satellitensender der Muslimbrüder von türkischem Territorium aus.

Pro-Erdogan-Demonstration in Köln (Bild dpa)
Pro-Erdogan-Demonstration in Köln. Das Papier wirft der Türkei vor, sie instrumentalisiere die DiasporaBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Linkspartei fühlt sich bestätigt

Das ist brisant. Denn damit rücken deutsche Geheimdienste die türkische Regierung in die Nähe der Hamas, die in Deutschland als Terrororganisation gilt. Die Einschätzungen stehen in deutlichem Widerspruch zu dem schonenden Umgang, den die Bundesregierung mit der Regierung Erdogan pflegt. Die Linkspartei fühlt sich in ihrer Kritik an der deutschen Türkeipolitik bestätigt. "Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung Erdogan weiter wie ein rohes Ei behandelt", kritisiert die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen.

Auch die Rolle des Vereins Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), der in Köln die Pro-Erdogan-Demonstration organisierte, wird in dem Dokument kritisch gesehen. Die türkische Diaspora sei nach Ansicht der türkischen Regierung ein "wichtiges Instrument einer proaktiven Außenpolitik", heißt es. Die UETD betreibe "in diesem Sinne nach hiesigem Verständnis Lobbyarbeit für die AKP".

Dass das Dokument auch in der Bundesregierung umstritten ist, darauf gibt eine Aussage des SPD-Außenpolitikers Rolf Mützenich Hinweise. Er deutet an, das Innenministerium habe eine solche Einschätzung gar nicht abgeben dürfen. "Bei einer so sensiblen und weitreichenden Einschätzung hätte das Auswärtige Amt einbezogen werden müssen. Immerhin handelt es sich bei der Türkei um ein NATO-Land und deutsche Soldaten sind dort gegenwärtig stationiert."