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Bund will Verdoppelung der Abschiebungen

9. April 2016

Die Bundesländer sollen laut Kanzleramtsminister Peter Altmaier die Zahl der Abschiebungen drastisch erhöhen. Um das zu erleichtern, strebt Berlin unter anderem Rückführungsabkommen mit weiteren Staaten an.

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Stempel der Bundespolizei für die Dokumente abgeschobener Menschen (Foto: Reuters)
Stempel der Bundespolizei für die Dokumente abgeschobener MenschenBild: Reuters/M. Dalder

Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier, hat die Länder aufgefordert, die Zahl der Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber zu verdoppeln. Im vergangenen Jahr habe es 37.220 freiwillige Rückkehrer und 22.200 Abgeschobene gegeben, sagte der Kanzleramtschef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Ein realistischer Maßstab für 2016 wäre eine Verdoppelung dieser Zahlen." Der CDU-Politiker betonte: "Da sind die Länder gefordert."

Derzeit entscheide das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über rund 50.000 Fälle im Monat, mehr als ein Drittel der Anträge werde abgelehnt. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Zahl der Rückführungen deutlich zunimmt."

Bayerns Innenministerium erwiderte, bereits jetzt konsequent abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. "Wir schieben monatlich alle ab, bei denen es eine Grundlage gibt", sagte ein Sprecher des Ministeriums in München. Seit Beginn des Jahres 2016 wurden demnach etwa 970 abgelehnte Asylbewerber aus Bayern abgeschoben.

"Besser als erwartet"

Kanzleramtsminister Altmaier verteidigte in dem Interview zudem das Abkommen der EU mit der Türkei. Die Vereinbarung mit der Türkei über die Rückführung der Flüchtlinge funktioniere besser als alle erwartet hätten. "Unser Ziel war und ist, die Zahl der Flüchtlinge deutlich zu reduzieren", sagte Altmaier. "Das scheint zu gelingen."

Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: Getty)
Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: A. Berry/Getty Images

Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt unterdessen eine ähnliche Einigung mit Libyen an. "Wir haben jetzt vor uns die Aufgabe, mit Libyen eine solche Kooperation hinzukriegen", sagte die CDU-Chefin vor Delegierten der Berliner Landes-CDU. Um die EU-Außengrenzen zu schützen, gebe es keinen anderen Weg, als Verabredungen mit Nachbarstaaten zu treffen.

"Wir haben seit wenigen Tagen eine Einheitsregierung, die endlich in Tripolis angekommen ist", sagte Merkel mit Blick auf die von den Vereinten Nationen vermittelte Übergangsregierung in dem Bürgerkriegsland. "Und von der Frage, ob es uns gelingt, mit Libyen auch vernünftige Vereinbarungen zu treffen, wird abhängen, wie es uns gelingt, die Flüchtlingsroute nach Italien zu ordnen und zu steuern, wie wir es mit der Türkei gemacht haben."

Hilfe in den Heimatländern

In den vergangenen Monaten sei es Deutschland und der EU gelungen, der Türkei, Jordanien und dem Libanon bei der Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge stärker unter die Arme zu greifen. "Es ist besser, die Menschen haben ein auskömmliches Leben in der Nähe ihrer Heimat, als dass alle zu uns kommen und wir die gesamte Integration leisten müssen", sagte Merkel. Sie wolle zudem den afrikanischen Ländern helfen, ihren Jugendlichen Perspektiven im Heimatland zu geben.

Polizisten bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber auf dem Flughafen Leipzig-Halle (Foto: dpa)
Polizisten im November bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber auf dem Flughafen Leipzig-HalleBild: picture alliance/dpa/S. Willnow

Zuvor hatte bereits Bundesinnenminister Thomas de Maizière für Rückführungsabkommen mit nordafrikanischen Staaten plädiert. "Wir werden auf Sicht gesehen über Modelle zu diskutieren haben, ähnlich wie wir sie mit der Türkei praktiziert haben", sagte der CDU-Politiker vor einigen Tagen. "Die Methode ist richtig", meinte de Maizière mit Blick auf das Ziel, das Geschäft der Schlepper künftig strukturell zu durchkreuzen. Allerdings werde das nicht einfach. "Das wird ungleich komplizierter werden als mit der Türkei, und da ist es schon kompliziert genug", sagte der Minister.

Am Freitag erklärte de Maizière , dass er mit einem großen Andrang von Flüchtlingen aus Afrika rechne. Die von Entwicklungsminister Gerd Müller genannte Zahl von bis zu 200.000 Afrikanern aus Staaten südlich der Sahara, die in Libyen auf ihre Überfahrt nach Europa warten, halte er noch "eher für zu niedrig begriffen".

Die libysche Küstenwache bringt gestoppte Bootsflüchtlinge an Land (Archivbild von Oktober: dpa)
Die libysche Küstenwache bringt gestoppte Bootsflüchtlinge an Land (Archivbild von Oktober)Bild: picture-alliance/dpa

Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi vor fünf Jahren regiert in Libyen das Chaos. Wegen seiner Nähe zu Italien hat sich das Land zu einer der wichtigsten Durchgangsstationen für Afrikaner und Araber entwickelt, die aus ihren Heimatländern vor Gewalt oder Armut nach Europa fliehen.

Afghanistan nimmt vorerst keine Bürger zurück

Unterdessen machen Deutschland und Afghanistan offenbar Fortschritte mit einem Rückführungsabkommen. Ein Entwurf werde in den kommenden Tagen der deutschen Botschaft in Kabul vorgelegt, sagte der afghanische Flüchtlingsminister Said Hussain Alemi Balkhi der Deutschen Presse-Agentur. Ein deutscher Vorschlag sei der afghanischen Seite vor einem Monat übermittelt worden. Bald könnten Verhandlungen beginnen. Bis das Abkommen unterzeichnet sei, werde Afghanistan keine Abschiebungen dulden.

Laut dem Flüchtlingsminister besagt der afghanische Entwurf zum Beispiel, dass keine "Frauen, Kinder, ältere und kranke Afghanen" abgeschoben werden dürften. Aus anderen Quellen verlautete, Afghanistan möchte, dass Deutschland rückgeführten Flüchtlingen Wohnungen baut. Außerdem sollen sie Ausbildungen bekommen, idealerweise in Deutschland. Deutsche Kenner der Verhandlungen sagten, dass Deutschland auf freiwillige Rückkehrer setze.

Die Rückführungen im Rahmen des umstrittenen Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei hatten am Montag begonnen, waren dann aber bis Freitag unterbrochen worden. Am Montag waren 202 Migranten vor allem aus Südasien in die Türkei zurückgeschickt worden, am Freitag wurden 220 Menschen abgeschoben. Weitere Abschiebungen seien vorerst nicht vorgesehen, hieß es aus griechischen Regierungskreisen. Erst müssen Asylanträge anderer Migranten und Flüchtlinge geprüft werden. Dem Abkommen zufolge nimmt die EU für jeden abgeschobenen syrischen Bürgerkriegsflüchtling einen syrischen Flüchtling auf, der legal und direkt einreisen darf.

stu/wo (afp, dpa, rtr)