Tests an Demenzkranken beschlossen
11. November 2016Der Plenum hatte bereits zuvor in zweiter Lesung über diese ethisch brisante Frage befunden. Deshalb ging es in der dritten, abschließenden Beratung vor allem um die weiteren Regelungen des umfangreichen Gesetzespakets, mit dem EU-Verordnungen umgesetzt werden. In der von der Koalitionsfraktionen beantragten namentlichen Abstimmung votierten 357 Abgeordnete für die Novelle, 164 stimmten dagegen und 21 enthielten sich. Für die Abstimmung war wegen des ethisch heiklen Themas der Fraktionszwang aufgehoben worden.
Einwilligung ist Voraussetzung
Die Gesetzesänderung sieht vor, dass die betroffenen Personen künftig ihr Einverständnis geben müssen. Ärzte führen dazu ein Aufklärungsgespräch zu einem Zeitpunkt, an dem der Patient noch selbst entscheiden kann. Die Studien dürfen nur minimal belastend sein und müssen zuvor von einer Ethikkommission und der zuständigen Oberbehörde gestattet werden.
Edgar Franke von der SPD sprach von einem ausgewogenen Gesetz, das das Selbstbestimmungsrecht des Menschen respektiere. Man solle niemandem verbieten, an Studien teilzunehmen, die das Leid künftiger Patienten lindern könnten. Der Christdemokrat Stephan Albani sagte, dass Deutschland vor dem Hintergrund seiner Geschichte besonders sensibel mit dem Thema umgehen müsse. Zugleich gebe es aber eine Verantwortung gegenüber künftigen Generationen.
Ungeklärte langfristige Auswirkungen
Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bekräftige hingegen ihre Ablehnung der geplanten Neuregelung. Damit werde eine Tür geöffnet, die man nicht öffnen wolle, sagte sie im Deutschlandfunk. Niemand könne Patienten mit einer Demenz über die Frage aufklären, was möglicherweise in 20 Jahren in einer Studie passieren werde.
Auch Kordula Schulz-Asche von den Grünen forderte, das bestehende hohe Schutzniveau beizubehalten. Zugleich kritisierte sie, dass die Regelung die Ethikkommissionen entmachte. Künftig könne das zuständige Bundesamt mit einer entsprechenden Begründung vom Votum der Kommissionen abweichen. Damit werde das Vertrauen in die Forschung untergraben. Auch habe das Gesetz die Chance verpasst, mögliche Korruption bei Anwendungsbeobachtungen zu bekämpfen.
Birgit Wöllert von der Linksfraktion gab zu bedenken, dass das öffentliche Interesse an Forschung immer gegen die Risiken des Einzelnen abgewogen werden müssen. Die Gesetzesänderung war heftig umstritten, weshalb die Vorlage seit dem Frühsommer mehrfach von der Tagesordnung genommen worden war. Auch Kirchen und Behindertenverbände lehnen eine Ausweitung der Arzneitests ab.
cgn/stu (afp, dpa, rtr, epd, kna)