Bundestag würdigt EU-Osterweiterung
9. Mai 2014Für die meisten Abgeordneten ist der zehnte Jahrestag der EU-Osterweiterung ein Grund, mit Freude und Stolz zurückzublicken. Über Nacht war die Europäische Union am 1. Mai 2004 von 15 auf 25 Mitglieder angewachsen. Drei Jahre später traten auch Bulgarien und Rumänien bei, im letzten Jahr Kroatien.
Mit der Aufnahme der osteuropäischen Beitrittskandidaten habe die EU die Spaltung überwunden, die den Kontinent seit Ende des Zweiten Weltkriegs geprägt habe, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die EU sei damit nicht nur größer geworden, sondern auch reicher an Kultur, an Sprachen, Ideen und Lebensperspektiven.
Der CDU-Abgeordnete Christoph Bergner, früherer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, nannte die Osterweiterung "eine Art kulturelle Familienzusammenführung". Und Manuel Sarrazin von Bündnis90/Die Grünen erklärte, er wolle in keiner anderen Europäischen Union leben als der erweiterten mit inzwischen 28 Mitgliedern.
Es bleibt viel zu tun
Doch in die Reden mischte sich auch viel Nachdenklichkeit und Kritik. Der Blick nach Osten und auf den Balkan mache deutlich, dass 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg das Friedensprojekt Europa noch nicht abgeschlossen sei, sagte die Grünen-Politikerin Annalena Baerbock. Das Haus Europa müsse allen 46 Staaten des Europarates offenstehen. Sie kritisierte auch die deutsche Politik, die nach 2004 die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den osteuropäischen Beitrittsländern beschränkt habe. Damit habe sie den Fachkräftemangel und die Schwarzarbeit in Deutschland gefördert.
Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko forderte eine neue und grundsätzliche Debatte über die EU-Ostpolitik. "Wir müssen uns fragen, was das strategische Ziel der EU ist. Wohin strebt sie eigentlich?" Er frage sich, ob alle Staaten des Kontinents Mitglied werden sollten und ob dies auch Russland einschließe, so Hunko.
Sein Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke regte an, die Arbeit an einer europäischen Verfassung wieder aufzunehmen, in der soziale Rechte und Anti-Faschismus festgeschrieben werden sollten.
Krise in der Ukraine
Die explosive Lage in der Ukraine überschattete das Gedenken an die Osterweiterung. Außenminister Steinmeier wiederholte seine Einschätzung, dass Europa mit der schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges konfrontiert sei.
"Heute, da tot geglaubte Geister im Osten Europas wieder aufstehen, muss Europa im Innersten zusammenstehen", sagte er. Dies gelte gerade und besonders für die Beitrittsländer, "die von uns erwarten können, dass wir in Solidarität zu ihnen stehen." Diese Länder seien am 1. Mai 2004 nämlich einer Solidargemeinschaft beigetreten und keiner bloßen Schönwetter-Union, so Steinmeier.
Bei einer Rede anlässlich einer europäischen Schriftstellerkonferenz in Berlin hatte der deutsche Außenminister zuvor gesagt, die Lage in der Ukraine sei erschreckend. Noch aber sei es nicht zu spät, die Krise friedlich beizulegen. Die Vernunft könne die Oberhand gewinnen. Jeder weitere Gewaltakt und jede weitere Hausbesetzung im Osten der Ukraine werfe allerdings die Bemühungen um Frieden zurück. Dennoch gelte für ihn: "Aufgeben ist keine Option."