Bundeswehr schützt die Türkei
15. Dezember 2012"Das ist ein rein defensiver Einsatz." Außenminister Guido Westerwelle will gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, dass deutsche Soldaten in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden könnten. Allein zur militärischen Abschreckung würden deutsche Luftabwehrraketen vom Typ Patriot in die Türkei verlegt, die eine 900 Kilometer lange Grenze mit Syrien teilt. Eine Grenze, an der es seit Monaten unruhig ist und die stärker gesichert werden soll. "Deutschland ist an keinerlei Planungen beteiligt, die auf eine Intervention hinauslaufen", betont der Außenminister.
Die für Anfang 2013 geplante Verlegung von Patriot-Staffeln in die Türkei hat eine längere Vorgeschichte: Im Juni schossen syrische Streitkräfte ein türkisches Kampfflugzeug ab. Daraufhin rief die Regierung in Ankara die Nato-Partner zu Beratungen zusammen. Dazu hat jedes Nato-Mitglied das Recht, wenn es seine territoriale Integrität oder Sicherheit bedroht sieht. Das Bündnis erklärte seine Solidarität mit der Türkei. Als Anfang Oktober syrische Mörsergranaten im türkischen Grenzdorf Akcakale einschlugen und fünf Zivilisten töteten, war eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Die türkische Armee schoss zurück und bat anschließend die Nato um Hilfe.
Die Türkei fühlt sich bedoht
Bei ihrer Anfrage in Brüssel hatte die Türkei, die selbst mehr als eine halbe Million Soldaten unter Waffen hat, weniger den lückenlosen Schutz ihrer langen Grenze zu Syrien im Sinn. Sorge bereitet der Regierung in Ankara vielmehr das große Arsenal an Raketen, das das Regime von Präsident Baschar al-Assad gehortet hat. Es handele sich um "einige Hundert, die in einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern die Türkei erreichen können", so Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière. Außerdem sei Syrien im Besitz von Chemiewaffen, die "bereit und verwendungsfähig" seien. Im Fall eines Angriffs könnten solche Raketen mit dem Patriot-System abgeschossen werden.
Bisher gibt es keine Belege dafür, dass die syrische Armee Massenvernichtungswaffen einsetzen will. Aber Präsident Assad kämpft um sein politisches und möglicherweise auch um sein physisches Überleben. Die Bundesregierung wolle, dass in Damaskus "niemand auf falsche Gedanken kommt", begründet der Verteidigungsminister den anstehenden Einsatz der Bundeswehr. Die Allianz sieht es ebenso: Der Nato-Rat beschloss am 4. Dezember einstimmig die Verlegung von Patriot-Staffeln in die Türkei. "Wir sagen jedem, der die Türkei angreifen will: Denkt noch nicht einmal darüber nach!", unterstrich Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Solidarität mit dem Bündnispartner.
Schutz gegen Raketenangriffe
Neben Deutschland werden die USA und die Niederlande Patriot-Staffeln in die Türkei bringen - alle drei Länder verfügen über den modernsten Typ des Systems. Es besteht aus leistungsfähigen Radargeräten, die den Luftraum überwachen, einem Feuerleitstand und einem mobilen Startgerät, von dem die Abwehrraketen abgeschossen werden. Damit können ballistische Raketen, Marschflugkörper und Flugzeuge in einer Entfernung von bis zu 68 Kilometern bekämpft werden. Gegen Mörserfeuer, dem türkische Zivilisten im Oktober zum Opfer fielen, kann das Patriot-System hingegen nichts ausrichten.
Die Bundeswehr will sich mit zwei Staffeln an dem Einsatz beteiligen, der vom Nato-Oberbefehlshaber in Europa geführt wird. Dafür werden 170 Soldaten gebraucht. Die Zahl von 400 Soldaten, die das Mandat vorsieht, begründet der Verteidigungsminister mit dem Bedarf an zusätzlichen Kräften für die Einsatzunterstützung und Logistik. Außerdem beteiligt sich die Bundeswehr an der Überwachung des Luftraums mit AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Nato. 25 Millionen Euro soll der Patriot-Einsatz kosten, der bis zum 31. Januar 2014 befristet ist.