Burkina Faso - Wie starb Thomas Sankara?
14. Oktober 2015"Dass die Ermittlungen die Wahrheit nun langsam ans Licht bringen, macht mich sehr froh!" Verhaltene Zuversicht klingt mit in der Stimme von Mariam Sankara beim Interview mit der DW. Seit fast 30 Jahren wartet die Witwe des ehemaligen Präsidenten Thomas Sankara darauf, zu erfahren, wie und warum ihr Mann sterben musste. Möglich wurde die Exhumierung des Leichnams, von dem vermutet wird, es handele sich um die sterblichen Überreste Sankaras, erst nach dem Sturz von dessen Nachfolger Blaise Compaoré, der als Drahtzieher der Ermordung gilt. Compaoré war Ende Oktober 2014 nach 27 Jahren an der Macht unter dem Druck eines Volksaufstandes zurückgetreten. Erst unter der anschließend eingesetzten Übergangsregierung konnten Ende Mai 2015 Sankaras sterbliche Überreste exhumiert und analysiert werden.
Zwar stünde noch nicht eindeutig fest, dass es sich bei dem exhumierten Leichnam wirklich um den von Thomas Sankara handle, doch "sprechen viele Elemente dafür", verkündete Bénéwendé Sankara, Anwalt der Familie des Ex-Präsidenten, als er am gestrigen Dienstag (13.10) das Gerichtsgebäude verließ. Rund vier Stunden hatte das Treffen mit den Militärrichtern gedauert, bei dem der Autopsie- und der ballistische Bericht vorgestellt wurden: "Es wurde festgestellt, dass die am 15. Oktober 1987 verübten Morde einen kriminellen Hintergrund hatten", so der Anwalt weiter. "Die ballistischen Untersuchungen haben ergeben, dass die Projektile, die man in den Leichen gefunden hat, aus Schusswaffen stammen."
Sankara hatte sogar Schusswunden unter den Achseln
Nach Angaben von Ambroise Farama, ein weiterer Anwalt der Familie, wies Sankaras Leichnam über den ganzen Körper verteilt mehr als ein Dutzend Schusswunden auf, "sogar unter den Achseln". Der Körper sei von Schüssen durchsiebt worden, so Farama. Bei der ballistischen Untersuchung wurden mehrere Waffentypen identifiziert, unter anderem Kalaschnikows, automatische Pistolen und sogar Granaten. "In jedem Fall handelt es sich um Waffen, die von der Armee verwendet werden", fügte Anwalt Sankara hinzu.
Insgesamt acht Beschuldigte müssen sich jetzt vor Gericht verantworten, allen voran Nabonswendé Ouédraogo, der Militärarzt, der 1987 für Sankara einen "natürlichen Tod" bescheinigte. Nach Angaben von Anwalt Ambroise Farama befinden sich unter den Beschuldigten, Mitglieder der inzwischen aufgelösten Präsidentengarde RSP, die für den Militärputsch vom 17. September unter Führung von General Gilbert Diendéré verantwortlich war. Allerdings müssen weder Blaise Compaoré noch seine damalige rechte Hand, besagter General Gilbert Diendéré, vor Gericht aussagen. "Diendéré sollte eigentlich am Tag seines Putschs vor Gericht aussagen", erklärte Farama. "Er befindet sich derzeit in Haft und könnte jetzt jederzeit erneut angehört und gegebenenfalls auch angeklagt werden."
Der "Che Guevara Afrikas"
Mariam Sankara wartet ungeduldig darauf, dass Dienderé vor Gericht gehört wird. "Er war damals Kommandant der Sicherheit. Dieses Gerichtsverfahren kann nicht ohne ihn stattfinden." Und nicht nur ihr ist sehr daran gelegen, die Wahrheit über Sankaras Tod zu erfahren, für viele Burkinabé ist der "Che Guevara Afrikas" nach wie vor ein Idol. 1983 kam der als hochintelligent und rhetorisch brillant geltende Sankara durch einen Putsch an die Macht. Seine Vision: Er wollte einen demokratischen Staat schaffen, frei von Korruption, unabhängig vom Westen und vereint mit den afrikanischen Nachbarländern. Seine persönliche Bescheidenheit - er ließ die Luxuskarossen der Vorgänger-Regierung verkaufen und verpflichtete die Minister, so wie er selbst, einen Renault 5 zu fahren -, und seine Integrität standen in krassem Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Regierenden und machten ihn bereits zu Lebzeiten zu einer Legende. Allerdings schaffte er sich auch viele politische Feinde. Sein langjähriger Freund Blaise Compaoré putschte ihn am 15. Oktober 1987 aus dem Amt. Sankara wurde getötet und vermutlich, zusammen mit zwölf seiner Anhänger, hastig begraben.
"Diese Ermittlungen sind Sache aller Bukinabés geworden", sagte Mariam Sankara. "Die Menschen wollen, dass die Einschüchterung, die in diesem Land herrscht, endlich aufhört." Die Witwe des Ex-Präsidenten hofft darauf, dass mit den nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 29. November Frieden und Demokratie in Burkina Faso einkehren werden.
Mitarbeit: Eric Topona