Keine Angst vor Rache im Bernabeu
5. November 2012Um solche Phänomene zu erklären, braucht es wohl eine ganze Armada von Fußball-Experten: In der vergangenen Saison hatte Borussia Dortmund begeisternden Sport geboten, hatte die Bundesliga dominiert, war überlegen Meister und Pokalsieger geworden – aus der Champions League aber war man sang- und klanglos nach der Gruppenphase ausgeschieden.
In diesem Herbst läuft es für die Dortmunder in der Liga nicht unbedingt zufriedenstellend. Platz fünf, elf Punkte Rückstand auf die Bayern. Zu wenig eigenlich für einen Titelverteidiger. Aber in der europäischen Königsklasse, da ist die Borussia plötzlich eine Macht. Als ungeschlagener Tabellenführer tritt das Team von Trainer Jürgen Klopp jetzt in die Heimat des Starensembles von Real Madrid an.
Khedira: "Dortmund hat es sich verdient"
"Die wollen Rache", vermutet Abwehrmann Mats Hummels angesichts des Dortmunder 2:1-Erfolges im Hinspiel vor zwei Wochen, "aber solche Herausforderungen machen richtig Spaß." Die Borussia ist also angekommen in der Champions League, die sie 1997 sogar gewinnen konnte. Damals hatte ein heutiger Real-Spieler noch Daumen drückend vor dem Fernseher gesessen: Sami Khedira kann sich noch gut erinnern, wie Lars Ricken ins Spiel kam und nach wenigen Sekunden mit einem legendären Heber zum 3:1-Endstand traf. "Ich war damals ein ganz normaler Fan und habe mich gefreut, weil eine deutsche Mannschaft die Champions League gewonnen hat."
Auch diesmal traut der deutsche Nationalspieler der Borussia einiges zu. "Natürlich erwarte ich, dass Real Gruppenerster wird. Aber als Deutscher wünsche ich mir, dass auch Dortmund ins Achtelfinale kommt. Sie haben es sich verdient," sagte der momentan verletzte Khedira in einem Interview der spanischen Sporttageszeitung Marca.
Die Borussia lebt gut in der Todesgruppe
Marcel Schmelzer erwartet am Dienstag im Bernabeu-Stadion noch mehr Gegenwehr als kürzlich zu Hause: "Die Real-Profis waren nach dem Hinspiel total sauer und werden versuchen, uns zu überrennen. Wir werden dagegenhalten." Das können Schmelzer und Co. durchaus entspannt tun, denn selbst bei einer Niederlage wären sie dank der Siege über Amsterdam und eben Madrid und des Unentschiedens bei Manchester City immer noch gut positioniert in ihrer aus vier hochkarätigen Landesmeistern bestehenden "Todesgruppe".
Arsenal im Formtief
Ähnlich komfortabel wie die der Dortmunder ist die Lage von Schalke 04 vor dem Heimspiel gegen den FC Arsenal. Auch die Schalker sind Tabellenführer, auch die Schalker sind in dieser Champions League-Saison noch nicht als Verlierer vom Platz gegangen. Und die Gäste aus London kommen nicht gerade in Hochform ins Ruhrgebiet. "Arsenal ist eine Million Meilen davon entfernt, ein Titelkandidat zu sein", urteilte die Zeitung The Sun über die Londoner, meinte damit aber die Premier League, in der die Gunners gerade mit dem 1:2 bei Manchester United ihre dritte Niederlage in den letzten fünf Spielen eingesteckt hatten.
Arsenal muss mit dem Abgang so hochkarätiger Stars wie Robin van Persie oder Cesc Fabregas umgehen. Ein Lukas Podolski, zu Saisonbeginn aus Köln nach London gewechselt, kann diese Lücke in der Offensive allein nicht füllen. Die Abwehr um Per Mertesacker erweist sich immer wieder als löchrig. Der schlechteste Saisonstart seit 17 Jahren ist das Resultat.
Einzig die unglückliche 2:3-Niederlage in Hoffenheim am vergangenen Samstag mag gegen die Schalker sprechen, die ansonsten in diesem Jahr sowohl national als auch international eine vorzügliche Rolle spielen. Gelingt es ihnen aber, Hoffenheim als einmaligen Ausrutscher zu verbuchen und nach den Siegen gegen Piräus und in London sowie dem Unentschieden zu Hause gegen Montpellier nun auch das zweite Duell mit Arsenal zu gewinnen, ist dem UEFA-Cup-Sieger von 1997 das Achtelfinale kaum noch zu nehmen.
Bayern darf sich noch nicht sicher sein
Dafür muss der Champions-League-Finalist dieses Jahres, der FC Bayern München, noch einiges tun. Denn etwas unerwartet liegt der Tabellenführer der Bundesliga in seiner Vorrundengruppe nach drei Spielen nur auf Platz drei, der nicht fürs Weiterkommen reichen würde. Ein 1:3 in Weißrussland bei BATE Borisov hat mehr Spannung in den Wettbewerb gebracht, als es sich die Bayern in einer so frühen Phase gewünscht hätten. Mit dem OSC Lille kommt nun die bislang schwächste Mannschaft nach München. Immerhin gab es jetzt einen Lichtblick in der französischen Liga. Am Wochenende gewann der OSC beim FC Évian Gaillard mit 2:0 und rückte damit auf Platz Sieben vor.
Gegen einen konzentrierten FC Bayern der letzten Monate dürfte Lille wieder nicht viel holen können in der mit 66.000 Zuschauern ausverkauften Allianz-Arena. Denn mit Ausnahmen der Borisov-Pleite und der Heimniederlage vor gut einer Woche gegen Leverkusen sind die Münchener der Konkurrenz längst enteilt. Trainer Jupp Heynckes profitiert bei seinem Tanz auf drei Hochzeiten – Bundesliga, Pokal und Champions League – von seinem inzwischen wesentlich breiteren Kader. So konnte er es sich leisten, von Pokal zu Bundesliga auf nicht weniger als neun Postionen zu rotieren. Egal, wen er auf den Platz schickt, es scheint, als könne Heynckes in dieser Saison nichts falsch machen. Verlöre man allerdings trotz dieser guten Vorzeichen gegen Lille, das wissen die Beobachter, wäre die gute Stimmung in München mit einem Schlag dahin.
Alle Partien des 4. Vorrundenspieltages der Champions League:
Dienstag, 06. November:
Gruppe A
Dynamo Kiew - FC Porto
Paris St. Germain - Dinamo Zagreb
Gruppe B
Schalke 04 - FC Arsenal
Olympiakos Piräus - HSC Montpellier
Gruppe C
RSC Anderlecht - Zenit St. Petersburg
AC Mailand - FC Malaga
Gruppe D
Real Madrid - Borussia Dortmund
Manchester City - Ajax Amsterdam
Mittwoch, 07. November:
Gruppe E
FC Chelsea - Schachtjor Donezk
Juventus Turin - FC Nordsjaelland
Gruppe F
Bayern München - OSC Lille
FC Valencia - Bate Borrisow
Gruppe G
Benfica Lissabon - Spartak Moskau
Celtic Glasgow - FC Barcelona
Gruppe H
SC Braga - Manchester United
CFR Cluj - Galatasaray Istanbul