Weltbestseller
22. Oktober 2009Eigentlich hat Gudrun Fähndrich, die Pressesprecherin des Verlags Kiepenheuer & Witsch, keine Zeit für 'Fremdlektüre', die nicht aus dem eigenen Hause stammt. Aber im Falle der Krimitrilogie des schwedischen Autors Stieg Larsson gesteht sie: "Ab dem ersten Band ist man süchtig". Stieg Larsson hat inzwischen Platz zwei der internationalen Bestsellerliste erobert – wie das Branchenmagazin Buchreport berichtet. Seinen Ruhm konnte der Autor leider nicht mehr erleben. Er starb im Jahr 2004 vor der Veröffentlichung seiner Kriminalromane an einem Herzinfarkt. Doch es ist weniger die tragische Geschichte des Autors, die den Erfolg seiner Bücher begründet. Vielmehr lieben Leserinnen und Leser das außergewöhnliche Ermittlerduo: keine Polizisten, sondern ein kämpferischer Journalist und eine sozial etwas gestörte, aber superintelligente Computer-Hackerin. Zwei moderne Großstadt-Singles, die mit gesellschaftspolitischem Gespür Verbrechen und Korruption in der global vernetzen Welt aufspüren. 2007 erschien der erste Teil der Trilogie in Deutschland, die beiden Fortsetzungsbände folgten 2008. Doch jetzt erst entdecken die deutschen Feuilletons die Bücher.
Zwei Kategorien von Erfolg
"Ein klassischer Empfehlungserfolg", sagt Gudrun Fähndrich, die mit Frank Schätzing (Der Schwarm, Limit) selbst einen aktuellen Bestsellerautor im Programm hat, "das ist über Mund-zu-Mund-Propaganda gelaufen, nicht über Besprechungen." So unterscheidet die Pressesprecherin von Kiepenheuer & Witsch denn auch zwischen zwei Kategorien von Erfolgsbüchern: Die einen werden empfohlen und machen ihren Weg ganz allein. Die anderen bekommen große Aufmerksamkeit in den Medien, wobei dann alle Berichte gleichzeitig erscheinen müssen, sonst verpufft die Wirkung. Hier setzt die Pressearbeit eines Verlags an. Journalisten müssen aufmerksam werden auf die Bücher. "Denn", so Gudrun Fähndrich, "Werbung im klassischen Sinne alleine kann nie einen Erfolg eruieren, sondern nur einen Verstärkereffekt haben".
Das richtige Gespür
Um zu spüren, welcher Stoff ein breites Publikum ansprechen kann, braucht man Fingerspitzengefühl. Nicht immer liegen Verleger mit ihren Einschätzungen richtig. Ein berühmtes Beispiel ist die unvergleichliche Erfolgsgeschichte des Zauberlehrlings Harry Potter. Seine Erfinderin J. K. Rowling hat viele Ablehnungen kassiert und lange gesucht, bis der Bloomsbury Verlag in London Gefallen an Harry Potter fand. Zu Bloomsbury gehört der Berlin Verlag, dessen Leiterin Elisabeth Ruge erzählt: "Die haben mit einer winzigen Auflage angefangen und hatten keine Ahnung, dass sie es hier mit einem riesigen Welterfolg zu tun haben."
Weltbestseller aus Afghanistan
Manchmal läuft es jedoch auch anders. Zum Beispiel bei dem Roman Drachenläufer, dem Erstlingswerk des afghanischen Autors Khaled Hosseini, das 2003 erschien und nun an der Spitze der internationalen Bestsellerliste steht. 20 Millionen Bücher wurden inzwischen weltweit verkauft. Das Manuskript hatten mehrere Lektoren gleichzeitig auf dem Tisch und alle waren begeistert. Elisabeth Ruge, die deutsche Verlegerin von Khaled Hosseini, erinnert sich an Gutachten, "wo der eine oder andere mal geschrieben hat: 'Ihr könntet es hier mit einem Blockbuster zu tun haben'". Das ist deshalb erstaunlich, weil Khaled Hosseinis Roman vor dem Hintergrund der jüngsten Geschichte Afghanistans spielt – kein Stoff, der heitere Unterhaltung verspricht. Und doch erschien der Drachenläufer in mehreren Ländern gleichzeitig. Die größte Überraschung für die Verleger war dabei der Erfolg in Südamerika, erzählt Elisabeth Ruge: "Eigentlich ist die Regel in solchen Ländern wie Bolivien, Peru, wo es eine große Armut gibt, dass Bücher, die von armen Ländern handeln oder aus armen Ländern stammen, keine Chancen haben. Und dort ist man wirklich überrascht, dass ein afghanischer Autor mit einem Buch, dass ja zum größten Teil in Afghanistan spielt, einen solchen Erfolg landen konnte."
Nicht alles kann universal sein
Nicht nur dieses Beispiel zeigt: Welterfolge sind immer erstaunlich und es reicht nicht, wenn Verlage nur auf bekannte Schriftsteller setzen. Oftmals sind es unbekannte Autoren, die mit Erstlingswerken weltweit die Leserherzen erobern. Aber: Solche Autoren sind rar. Und die überwältigende Mehrheit ist ohnehin erstmal nur auf dem Heimatmarkt erfolgreich, bevor ausländische Verleger aufmerksam werden. Doch hier wie da zählt, wie Elisabeth Ruge feststellt: "Es muss im Konkreten verhaftet sein und gleichzeitig weit darüber hinausführen. Aber das Konkrete muss gut erzählt sein. Es kann nicht alles immer universal sein."
Autorin: Christel Wester
Redaktion: Gabriela Schaaf