Bücheridylle auf dem Land
11. April 2002Stellen Sie sich vor, Sie machen Urlaub auf dem Land und haben Ihre Reiselektüre vergessen. Und dann das: Sie finden nur eine Buchhandlung, deren Auswahl so gar nicht Ihren Geschmack trifft. In Bücherdörfern wie Haye-on-Wye in Wales oder im belgischen Redu sollte Ihnen das nicht passieren.
Lesen zwischen Kuhstall und Misthaufen
Im dem Dorf Redu in den belgischen Ardennen prägten vor Jahrzehnten noch verlassene Bauernhöfe das Dorfbild. Die Landwirtschaft lohnte sich nicht mehr. Da hatte der damalige Bürgermeister eine Idee: Bücher statt Kühe! Er holte Buchhändler und Antiquariate in die leerstehenden Ställe und Scheunen. Mit positiven Auswirkungen für den Tourismus: Heute kommen mehr als 300.000 Bücherfreunde in den idyllischen Ort. Der sich inzwischen stolz "Bücherdorf" nennt.
Die Waliser haben es vorgemacht
Vorbild von Bücherdörfern wie Redu war das walisische Dorf Hay-on-Wye, das sich offiziell als das erste Bücherdorf bezeichnet. Dort haben sich seit 1961 mehr als 30 Buchläden und Antiquariate etabliert. Ein Buchladen je 50 Dorfbewohner. Das jährliche Buchfestival zieht 50.000 Besucher an. Nicht die Landwirtschaft nährt die Bewohner, sondern die Bücher.
Schmökern in Mecklenburg-Vorpommern
Diesen Anspruch stellen sich die Initiatoren des Projekts Bücherdorf-Rügen-Gingst e.V. auch. Vor zwei Jahren riefen eine Handvoll bibliophiler Freunde der Ostsseeinsel den Förderverein ins Leben. Die Idee dazu entstand während einer Urlaubsreise mit Freunden in Frankreich, die dort zufällig auf Bücherdörfer stießen. Dass die Dorfbewohner von ihrer Idee auch leben konnten, überzeugte schließlich die Urlauber. Und schon entstand die Idee in der Gemeinde Gingst ein ähnliches Projekt zu starten. "Wir wollten ein Bücherdorf an einem Ort der Insel aufbauen, wo nicht alle nur zum Baden hinkommen", so der Mitinitiator Andreas Küstermann gegenüber DW-WORLD zur Auswahl des Standortes. Außerdem habe es in Gingst seit DDR-Zeiten keine Buchhandlung mehr gegeben.
Investoren gesucht
Erste Bücheraktionen gibt es schon. Im Sommer finden regelmäßig Büchermärkte auf dem Dorfmarktplatz statt. Eine esoterische Buchhandlung hat sich bereits angesiedelt und eine alte Schule wird momentan in eine historische Druckwerkstatt umgewandelt. Bis zur vollständigen Realisierung aber müssen noch bürokratische und finanzielle Hürden genommen werden. Im Moment hat die Initiative Fördergelder beim Land Mecklenburg-Vorpommern beantragt. Und es werden noch Investoren gesucht, die den Traum vom Bücherdorf an der Ostsee Wirklichkeit werden lassen.