Bürger für Bienen: Initiative für mehr Schutz
9. April 2023Sie ist das kleinste aller Nutztiere, kommt auch in der freien Wildbahn vor, weckt grundsätzlich positive Assoziationen und man sagt ihr besonderen Fleiß nach. Ohne sie läuft in unserem Ökosystem so gut wie nichts - die Biene. Fast jeder weiß um die Bedeutung der Bienchen und Blümchen. Was vielleicht aber nicht jeder weiß ist, wie wichtig sie sind: 80 Prozent der Wild- und Kulturpflanzen sind, laut EU-Kommission, zur Vermehrung auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Darunter auch Blumen, Obst und Gemüse. Bienen versüßen mit ihrem Honig also nicht nur unser Leben, sondern sind auch elementar für die Lebensmittelversorgung und die Pflanzenvielfalt.
Doch immer wieder macht sich Sorge um die Biene breit. Vom Bienensterben ist die Rede, insbesondere die Wildbiene sei bedroht. In Europa gibt es, laut Martin Dermine, 2000 verschiedene Wildbienenarten. Nach heutigem Wissensstand seien viele davon vom Aussterben bedroht, sagt der Geschäftsführer des Pestizid-Aktions-Netzwerkes welches sich gegen die Verwendung von Pestiziden einsetzt. Auch in Deutschland ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Hälfte der heimischen Wildbienenarten bedroht.
Sorge um die Biene
2018 startete Dermine eine europäische Bürgerinitiative. Das erklärte Ziel: "Bienen und Bauern retten." Bis ins Jahr 2021 sammelte er, gemeinsam mit anderen Partnern, knapp über eine Millionen Unterschriften in der gesamten EU. Die meisten Unterschriften kamen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Die Forderung an die EU-Kommission: den Einsatz synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft bis 2035 komplett zu verbieten.
Jens Pistorius, Leiter des Instituts für Bienenschutz des deutschen Bundesinstituts für Kulturpflanzen, begrüßt die Initiative zur Einschränkung der Pflanzenschutzmittelanwendung grundsätzlich, weist aber auch daraufhin, dass pauschale Aussagen immer mit Vorsicht zu betrachten seien. "Bei Pflanzenschutzmitteln chemisch-synthetischer Natur gibt es riesige Unterschiede in der potenziellen Bienengefährlichkeit," gibt der Wissenschaftler im Gespräch mit der DW zu bedenken. Ein allgemeines Verbot von Pestiziden hält Pistorius aus Gründen des Bienenschutzes für nicht erforderlich.
Wie umgehen mit Pestiziden?
Für die EU-Kommission komme diese Initiative "genau zur richtigen Zeit", erklärte EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova jüngst in einer Pressemitteilung. Denn die EU arbeite bereits an entsprechenden Gesetzesvorschlägen. Einer davon sieht vor, dass der Einsatz chemischer Pestizide in der EU-Landwirtschaft bis 2030 um fünfzig Prozent verringert werden soll. Derzeit wird das Vorhaben vom EU-Rat und dem Parlament beraten. "Europäische Bürgerinitiativen können also durchaus Wirkung auf die Agenda der EU haben," fügte die Kommissarin für Werte und Transparenz hinzu und begrüßte die Bürgerinitiative.
Der Initiator der Initiative Martin Dermine freut sich im Telefon-Gespräch mit der DW zwar, dass die Bürgerinitiative regelmäßig als Begründung durch die EU-Kommission angeführt wird, aber ihm reichen die Vorschläge nicht: "Wir würden gerne noch weiter gehen und wünschen uns von der Kommission einen langfristigen Plan." Dieser sollte, wenn es nach ihm geht, den völligen Ausstieg aus den Pestiziden vorsehen.
Pistorius weist daraufhin, dass über die letzten Jahre und Jahrzehnte grundsätzlich die Sicherheit beim Pflanzenschutz besser geworden sei und sich sehr viel im Bereich des Bienenschutzes getan habe. Das könne man auch aus Daten zu Bienenvergiftungen ablesen. Er meint, dass die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf die Wirkung von Pestiziden manchmal etwas übertrieben und zu pauschal sei, da Pflanzenschutzmittel sehr unterschiedliche Wirkungsweisen und ökotoxikologische Nebenwirkungen haben. Er wünscht sich daher eine nach Anwendungen und Wirkstoffen differenziertere Debatte.
Die EU-Kommission hat den Bürgern jedenfalls versprochen, Tempo für den Bienenschutz zu machen. Dabei seien die eine Million Unterschriften ein "deutliches Signal" und "Ansporn" für die EU-Kommission an ihren Zielen festzuhalten.
In einer früheren Version hieß es, in Europa gebe es 200.000 Wildbienenarten. Korrekt ist, dass es rund 2000 Wildbienenarten auf dem Kontinent gibt. Dies wurde korrigiert. Die Redaktion bittet, den Fehler zu entschuldigen.