Konkurrenz für die GEMA?
20. November 2013Bei der C3S werden Komponisten und Textdichter frei entscheiden können, ob sie ihre Verwertungsrechte klassisch vertreten lassen oder eine so genannte Creativ-Commons-Lizenz wählen. Es gehe um die Freiheit des Künstlers über sein eigenes Werk, erklärt C3S-Mitgründer und -Geschäftsführer Wolfgang Senges: "Er kann frei wählen, ob es eine CC-Lizenz ist, die wirklich komplett frei ist, das heißt in jedem Kontext ohne Nachfrage genutzt werden kann. Er kann aber auch sagen: Es kann in privatem Kontext getauscht werden, aber wenn es in einem kommerziellen Kontext eingesetzt werden soll, dann möchte ich gern eine Lizenzgebühr haben. Und er kann auch sagen: Ein drittes Stück soll jetzt unter All-Rights-Reserved stehen, wie bei der GEMA auch." Dort ist eine solche Lizenzwahl ausgeschlossen.
Auch die Meinungsfindung in Versammlungen soll anders geregelt werden. Jeder Musikautor wird das gleiche Stimmrecht haben, Verlage hingegen nur eine beratende Funktion. Die GEMA hat eine Art Kastensystem. Etwa 3500 Komponisten, Textautoren, Musikverleger und Erben sind "ordentliche Mitglieder", da sie eine bestimmte Ausschüttungshöhe erreicht haben. Sie haben das volle Stimmrecht. Etwa 65.000 "außerordentliche" und "angeschlossene" Mitglieder hingegen können kollektiv nur wenige stimmberechtige Vertreter entsenden.
Das Pro und Contra
Trotz des Frontalangriffs bemüht sich die GEMA um einen freundlichen Ton. Der Jazz-Musiker und Komponist Klaus Doldinger ist ein langjähriges Mitglied des Aufsichtsrats der Verwertungsgesellschaft. Als Musiker freue er sich immer, wenn sich Kollegen engagieren und organisieren. Freie Lizenzen sieht er jedoch kritisch, da sich Künstler damit unter Umständen potenzielle Einnahmen verbauen.
"Sie haben das noch nicht zu Ende gedacht, was das alles für Konsequenzen hat.
Denn wenn ich ein Werk mal freigebe für die Vergütung der Nutzung, dann ist das ein für allemal weg. Und das ist im Grunde genommen ein Fehler."
Die Singer/Songwriterin Christina Lux begrüßt das Vorhaben der C3S. Sie wünscht sich Entscheidungsfreiheit bei der Lizenzfrage: "Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass ein Künstler selbst entscheiden dürfen soll, was er wie freigibt. Wenn ich ein Werk schaffe, und ich sage, ich möchte, dass das für eine Bearbeitung frei ist, dann sollte ich das auch tun können." Obwohl selbst GEMA-Mitglied, ist ihr Verhältnis zu der Verwertungsgesellschaft gespalten. Kritisch sieht sie die schwer verständlichen und intransparenten Abrechnungsregeln. Und sie stört sich an der oft rüde durchgesetzten GEMA-Vermutung. Denn bei einer öffentlichen Aufführung muss jeder Veranstalter, der den GEMA-Abgaben entgehen will, von sich aus penibel nachweisen, dass er keine GEMA-pflichtige Musik spielt.
Nur ein bisschen anders?
Diese gesetzlich garantierte Beweis-Umkehr sichert der GEMA Einnahmen, macht sie aber auch unpopulär. Vor dem Dilemma wird auch die C3S stehen. Selbst wenn in Zukunft zwei konkurrierende Verwertungsgesellschaften existieren, werden sich am Modell nur Kleinigkeiten ändern, gibt C3S-Gründer Wolfang Senges zu: "Wir müssten uns dann etwas einfallen lassen, dass wir eventuell gemeinsam mit der GEMA eine entsprechende Vermutung vertreten.
Die sollte aber nicht so harsch umgesetzt werden, dass man direkt, wenn man jemanden gefunden hat, der die Stücke nicht gemeldet hat, den sofort in Gerichtsverfahren zerrt. Sondern man sollte erst einmal das gegenseitige Gespräch suchen." Mit anderen Worten: Aus der reinen GEMA-Vermutung würde eine GEMA- und C3S-Vermutung. Auch ein weiterer Konflikt wird am offenen und freundlichen Image kratzen: die zähen Verhandlungen mit Google bezogen auf bei Youtube abgespielte Videos mit geschützter Musik. Die GEMA hat in dem Bereich noch keine Einigung erzielt, und viele Internetnutzer machen sie dafür verantwortlich, dass auf Youtube viele Musikvideos gesperrt sind. Auch die C3S muss als Verwertungsgesellschaft in erster Linie Geld für die vertretenen Künstler eintreiben und sich damit immer wieder ebenso unbeliebt machen.
Die Vorbereitungen laufen
Zurzeit sucht die C3S aber erst einmal weiteres Geld für den Aufbau ihrer Organisation. Im Rahmen eines Innovations-Programms hat das Land Nordrhein-Westfalen eine Förderung von 200.000 Euro zugesichert. Diese muss aber bis Ende 2013 mit Eigenkapital in der gleichen Höhe gegenfinanziert werden. Eine Crowdfunding-Aktion der C3S brachte etwas mehr als 100.000 Euro ein.
Rechnet man das Gründungskapital der C3S hinzu, fehlen noch etwa 70.000 Euro. Mit dem Geld soll ab 2014 die technische und organisatorische Infrastruktur der C3S aufgebaut werden. Etwa im dritten Quartal 2015 könnte dann ein Antrag beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt werden, das die C3S erst offiziell als Verwertungsgesellschaft zulassen muss. Für die Zulassung plant Senges noch einmal zwischen sechs Monaten und einem Jahr ein.
Der Machtkampf steht noch aus
Im Jahr 2016 könnte dann also der Showdown zwischen C3S und GEMA anstehen, der Kampf um Mitglieder. Eine Doppelmitgliedschaft schließt sich wegen der gegensätzlichen Lizenzmodelle nach Aussage von GEMA-Aufsichtsrat Klaus Doldinger aus. Er sieht jedoch keine ernst zu nehmende Konkurrenz. Das Thema freie Lizenzen sei nur für eine kleine Gruppe an Musikschaffenden interessant, es sei denn, es passiere noch ein Wunder. "Bedenklich wäre es erst dann, wenn ganz viele GEMA-Mitglieder austreten würden und sich der anderen Gesellschaft anschließen würden. Aber da es gar keine Veranlassung gibt, dass dieses eintreten sollte, habe ich keine Bedenken."
Die Musikerin Christina Lux ist trotz aller Sympathie skeptisch, ob sie einfach so zur C3S wechseln würde. Die jährlichen Ausschüttungen der großen Verwertungsgesellschaft sind ein wichtiger Einnahmeposten für sie, und als ordentliches GEMA-Mitglied steht ihr sogar eine kleine Rente zu. Für junge Künstler aber findet sie eine alternative Verwertungsgesellschaft auf jeden Fall wichtig, da sich im Internet komplett neue Wege der Selbstvermarktung entwickelt haben, die auch andere Lizenzmodelle erfordern. Sie ist gespannt, wie die C3S am Ende tatsächlich aussieht: "Die müssen sich erst einmal aufstellen und auch zeigen, dass das funktioniert und dass es läuft. Und das wird spannend werden. Ich werde es auf jeden Fall sehr genau beobachten."