Cameron und die EU: "Not in love"
7. Oktober 2015"Mich interessieren nur zwei Dinge: Großbritanniens Wohlstand und Großbritanniens Einfluss" – mit markigen Sätzen trat der britische Premierminister David Cameron beim jährlichen Treffen seiner Parteikollegen auf. Er werde deswegen "hart kämpfen" in den Verhandlungen um EU-Reformen. "Glaubt mir, ich habe keine Liebesbeziehung mit der Europäischen Union und ihren Institutionen", betonte Cameron. Gleichzeitig aber pochte der Premier, der erst im Mai einen unerwartet triumphalen Wahlsieg errang und seitdem mit seinen Tories allein regieren kann, auf Gründe für eine Fortsetzung der Vernunftsehe mit der EU. "Wir wissen auch, was das Gute an ihr ist - sie ist der größte Binnenmarkt der Welt", sagte Cameron weiter.
Should we stay or should we go?
Worte, die insbesondere an den starken EU-kritischen Flügel der Tory-Partei gerichtet waren. Denn bei aller Kritik an Europa möchte Cameron die Briten weiter in der EU halte und hofft auf einen dementsprechenden Ausgang des von ihm angekündigten Referendums. Darin will er seine Landsleute bis 2017 darüber abstimmen lassen, ob Großbritannien die EU verlassen oder ihr weiter angehören soll. Der Premier selbst hat sich bislang für den Verbleib ausgesprochen, allerding nur in einer reformierten EU, so lautet die offizielle Londoner Regierungslinie. Ihr zufolge soll Brüssel den Briten in verschiedenen Punkten Zugeständnisse machen, etwa die Möglichkeit einräumen, Sozialleistungen für Ausländer zu kürzen.
In den anderen EU-Ländern aber gibt es Widerstand dagegen. Die Verhandlungen mit der EU seien "verdammt harte Arbeit", gestand Cameron gegenüber der Zeitung "Sunday Telegraph". Er gab auch zu, dass er nicht länger sicher sei, dass seine Forderungen von Brüssel erfüllt würden. Bisher hatte er sich stets "zuversichtlich" gezeigt, dass die EU nachgeben werde, um nicht den Austritt Großbritanniens zu riskieren.
Starke Anti-EU-Haltung vieler Tories
Auf dem Parteitag hatten sich die britischen Konservativen vielfach gegenüber EU-Positionen abgegrenzt. Innenministerin Theresa May etwa machte klar, dass sich Großbritannien an einer gemeinsamen EU-Asylpolitik "in tausend Jahren nicht" beteiligen werde und sprach sich dafür aus, dass Flüchtlinge, die durch sichere Länder gereist seien, es schwerer haben sollten, ein Bleiberecht in Großbritannien zu bekommen. Das Thema Migration ist in Großbritannien ein politisches Reizthema. Cameron hatte angekündigt, die Zuwanderung auf 100.000 Menschen netto pro Jahr zu begrenzen, ist damit aber bisher deutlich gescheitert.
Neben anderen Parteimitgliedern hatte auch Außenminister Philip Hammond gedroht, er werde für den Austritt aus der EU werben, sollte es dem Premier nicht gelingen, substantielle Zugeständnisse zu erhalten.
Über die EU-Reformen wird Cameron mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag auf dem Landsitz Chequers nordwestlich von London sprechen. Vielleicht ist der Termin dafür nicht ganz zufällig gewählt, denn am Freitag hat Cameron Geburtstag.
cw/uh (dpa, afp)