CDU-Spitze findet Kompromissformel
13. Dezember 2015Die zentrale Passage im Leitantrag des Bundesvorstandes, die den Streit entschärfen soll, laute nun, die CDU sei entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern. Denn ein Andauern des aktuellen Zuzugs würde Staat und Gesellschaft auch in einem Land wie Deutschland dauerhaft überfordern, heißt es im überarbeiteten Antrag für den anstehenden CDU-Parteitag in Karlsruhe. Dies berichten Teilnehmer der Sitzungen von CDU-Bundesvorstand und -Präsidium, die stundenlang über die Flüchtlings- und Asylpolitik beraten hatten. Die Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen fehlt dagegen in dem Text.
Kanzlerin Angela Merkel sieht in einem Kompromiss eine volle Bestätigung ihres bisherigen Kurses. Im Leitantrag des Bundesvorstandes für den bevorstehenden Parteitag werde ausdrücklich nicht gefordert, dass die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen sei, sondern zu reduzieren und spürbar zu verringern, sagte Merkel am Sonntag in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Das entspreche genau dem Konzept, "das ich seit Monaten vertrete", sagte Merkel. Der Leitantrag sei im Bundesvorstand mit Ausnahme einer Stimme einstimmig verabschiedet worden. Sie sei froh, dass ihre Richtung damit bestätigt worden sei.
Europäische Lösungen
Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise müsse bei den Fluchtursachen und den Außengrenzen angefangen werden, betonte Merkle. Es komme auf europäische Lösungen an. Vor dem am Montag in Karlsruhe beginnenden CDU-Parteitag hatte der Vorstand am Sonntag einen Kompromiss gesucht. Merkel ist strikt gegen CSU-Forderung nach einer nationalen Obergrenze, die auch in ihrer Partei teilweise Zustimmung findet.
Kurz vor einer Sitzung des Parteivorstands hatte Angela Merkel ihren parteiinternen Kritikern Entgegenkommen signalisiert. "Wir werden sicherlich darüber reden, dass wir eventuell die Frage, welche Sorgen machen sich die Menschen, welche Herausforderungen haben wir, dass wir da noch Veränderungen vornehmen", sagte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende.
Auf Forderungen eingegangen
Die CDU-Chefin Merkel erklärte sich nun bereit, auf Forderungen nach Verschärfungen etwa von Junger Union und des Wirtschaftsflügels der Partei einzugehen. Sie hatte aber die geforderten einseitigen nationalen Maßnahmen wie Grenzschließungen und die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze abgelehnt. "Mit den Ergänzungen haben wir nun eine deutliche Botschaft im Text: Die CDU weiß, dass wir die Zahl der Asylbewerber spürbar reduzieren müssen, weil wir Deutschland sonst überfordern", sagte das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn.
Die Junge Union zog derweil ihren Antrag an den Parteitag zu einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zurück. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Karlsruhe aus der JU. Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak sagte: "Das Zeichen, dass unsere Möglichkeiten endlich sind, haben wir erreicht." Damit werde auf dem Parteitag über das Papier des Vorstands diskutiert "und nicht mehr über andere Anträge, die das gleiche beinhalten". Die JU hatte einen eigenen Antrag eingebracht, in dem eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge gefordert wird. Merkel lehnt dies strikt ab.
Der Vorsitzende des Unions-Mittelstands (MIT), Carsten Linnemann (CDU), sprach von einem Signal der Begrenzung. "Es wird gesagt, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, ist Deutschland überfordert." Dies sei auch ein Signal an die anderen europäischen Länder, sich nicht der Verantwortung zu entziehen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der ebenfalls eine Obergrenze verlangt hatte, sprach von einem sehr guten Kompromiss. Er bilde ab, dass Deutschland "eine Aufnahmegrenze" habe.
Der CDU-Bundesparteitag diskutiert und entscheidet am Montag über die Flüchtlingspolitik. Die Kanzlerin werde gestärkt aus dem Treffen hervorgehen, prognostizierte Haseloff. "Deutschland und Europa sind ohne Angela Merkel gar nicht vorstellbar", sagte er.
uh/kle (dpa, rtr, afp)