Lewandowski gegen Bayern: Mensch statt "Killer"
14. September 2022Der Applaus brandete schon lange vor dem Anpfiff auf unter den 75.000 Zuschauern im Münchener Stadion, und die Aufmerksamkeit galt einem Mann: Robert Lewandowski. Der Pole, zuvor acht Jahre im Dress des deutschen Rekordmeisters, war an diesem Abend seit langer Zeit mal wieder als Gast im Stadion des Klubs, dessen erfolgreiche Vergangenheit er in den letzten Jahren geprägt hatte wie kaum ein anderer. Und trotz der großen Verdienste Lewandowskis war die Reaktion des überwiegenden Teils des Publikums - vereinzelt waren auch ein paar Pfiffe zu hören - nicht zwingend so zu erwarten.
Der Wechsel des abwanderungswilligen Stürmerstars im Sommer hatte für viel Theater in München gesorgt. Dennoch hatte Thomas Müller schon im Vorfeld des brisanten Duells auf einen respektvollen Empfang des Polen gehofft. "Lewy hat für den Verein extrem viel geleistet. Natürlich wünscht man sich als ehemaliger Mitspieler bei diesen großen Titeln, dass der Empfang herzlich sein wird", sagte Müller. Und so kam es: ein warmer Empfang nach einem unterkühlten Abgang.
Top-Torjäger in Spanien
Doch Klub und Fans verdanken dem Polen enorm viel, das hat man in München nicht vergessen: In den acht Jahren beim FC Bayern erzielte Lewandowski wettbewerbsübergreifend unglaubliche 344 Tore, die in 19 Titeln mündeten - von den Rekorden und individuellen Auszeichnungen, die Lewandowski in dieser Zeit sammelte, ganz zu schweigen.
Und dennoch galt das Verhältnis zwischen Klub und Fans einerseits und dem Weltfußballer der Jahre 2020 und 2021 anderseits stets als etwas unterkühlt. Doch die kühle Präzision des mittlerweile 34-Jährigen vor dem Tor war dabei stets über jeden Zweifel erhaben.
Das deutet sich auch bei Lewandowskis neuem Klub an: So etwas wie Anlaufzeit benötigte der Stürmer-Routinier in Barcelona nicht und legte direkt los: Sechs Tore in fünf Liga-Spielen, Nr. 1 der Torjägerwertung in Spanien - selbstverständlich.
Viel Mühe gegen “den Ex”
Dazu stehen für Lewandowski bereits die drei Treffer aus dem ersten Champions-League-Auftritt im Barca-Dress gegen Viktoria Pilsen zu Buche. Und so sah es auch zu Beginn des Spiels bei seinem Ex-Verein so aus, als könne Lewandowski diese Statistik weiter ausbauen: Anlaufzeit bei seiner Rückkehr nach München? Fehlanzeige. Die Bayern-Innenverteidigung mit Dayot Upamecano und Lucas Hernández agierte zwar fehlerfrei, doch einen Weltklassestürmer wie Lewandowski vollständig an die Kette zu legen, ist eben nicht immer möglich.
Besonders stark war in der 14. Minute die hellwache Aktion von Upamecano, der den davoneilenden Lewandowski nach einem haarsträubenden Ball von Manuel Neuer in den Fuß des Stürmers mit exzellentem Timing noch ablaufen konnte. War es in diesem Fall noch Upamecanos beherztes Eingreifen, das die berüchtigte kühle Präzision Lewandowskis vor dem Tor verhinderte, war es vier Minuten später ein für Lewandowski seltener Moment ohne kühle Präzision, der dem FC Bayern den Rückstand ersparte. Doch Lewandowski vergab die beste Chance des ersten Durchgangs frei stehend vor dem Tor.
Doppelschlag nach der Pause
Auch in Durchgang zwei gehörte die erste gute Chance den Gästen aus Barcelona, doch die Bayern hielten bei Raphinhas Möglichkeit ein weiteres Mal die Null und gingen sogar in Führung. Lucas Hernandez war nach einem scharf getretenen Eckball von Kimmich am kurzen Pfosten per Kopf zur Stelle und trug sich als Erster in die Torschützenliste ein (50. Minute).
Dort stand der Franzose allerdings nicht lange alleine. Leroy Sané erhöhte nur vier Minuten später gleich mit der nächsten Möglichkeit auf 2:0. Der formstarke Offensiv-Mann, der in gemeinsamen Zeiten neben Lewandowski oft nicht überzeugen konnte, ließ Marc-André ter Stegen im Barca-Tor keine Chance und schob aus vollem Lauf überlegt und leicht glücklich ein.
Lewandowski geht leer aus
“Er war nicht der Killer, der er sonst ist. Er war sicherlich emotional”, sagte Mario Gomez beim "Amazon Prime" nach der zweiten Hälfte, in der Lewandowski nicht mehr die klaren Chancen erhielt. Gegen Ende haderte der polnische Stürmerstar sogar ein wenig mit sich und seinem Team.
"Er hat seine Möglichkeiten gehabt, manchmal läuft es, manchmal nicht. Wir haben es ihm so schwer wie möglich gemacht”, sagte Jamal Musiala.
Lewandowskis Rückkehr an die Isar endete aus seiner Sicht ein wenig enttäuschend. Oder jedenfalls ernüchternd. Man könnte auch sagen: menschlich. Als Mensch wurde Lewandowski an diesem Abend in München von Fans und alten Weggefährten trotz aller Störgeräusche im Sommer ohne Zweifel sehr gerne empfangen. Und die nächste Chance, seinem Ex-Klub "einen einzuschenken", hat Lewandowski ja dann beim Rückspiel am 26. Oktober in Barcelona.