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Gewalt im griechischen Fußball

Jannis Papadimitriou
21. März 2019

Erneut muss ein Topspiel in Griechenland wegen randalierender Fußballfans abgebrochen werden. Typisch: Der betroffene Verein Panathinaikos Athen sieht die Schuld nicht bei sich, sondern beim deutschen Schiedsrichter.

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Fußball Griechenland Panathinaikos Athens Olympiakos Piraeus
Bild: picture-alliance/NurPhoto/D. Lampropoulos

Es hätte ein Fußballfest werden können: Im Athener Olympiastadion trifft der Traditionsclub Panathinaikos auf Serienmeister Olympiakos Piräus, zehntausende Fans fiebern mit. Doch bald kommt es zu Ausschreitungen. Die Polizei setzt Tränengas ein, Spieler und Betreuer der Gäste werden vor laufenden Kameras angegriffen. Der deutsche Schiedsrichter Marco Fritz gibt Gastgeber Panathinaikos vorschriftsgemäß eine Stunde, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen oder das Stadion zu räumen. Nachdem diese Frist nutzlos vergeht, wird das Spiel beim Stand von 0:1 für Olympiakos vorzeitig beendet.

Das war am vergangenen Sonntag. Am Montag klagte Panathinaikos, Fritz hätte zu hastig reagiert. "Der deutsche Schiedsrichter hat Olympiakos einen Gefallen getan" kommentierte das Sportblatt Prasini, das Panathinaikos nahesteht. Die Zeitung Fos, bekanntlich so etwas wie die Pressestimme von Olympiakos, zeigte dagegen Mitleid für den Unparteiischen aus dem Ausland, der „vermutlich schockiert ist von all dem, was er erlebt hat".

Rivalisierende Fans liefern sich Straßenschlachten

In Hellas liefern sich rivalisierende Fans immer wieder Straßenschlachten - gerne auch am Rande von Sportereignissen, die mit Fußball nichts zu tun haben. Selbst die Volleyball-Liga der Frauen wird gelegentlich von Krawallen überschattet. Fußball-Rowdys schwärmen in der Regel für die Erzrivalen Panathinaikos und Olympiakos, aber auch Anhänger der Traditionsclubs AEK Athen und PAOK Saloniki gehen nicht immer sportlich mit dem Gegner um. Woran liegt das?

Krawalle Olympiakos vs. Panathinaikos
Krawalle rund um ein Fußballspiel in AthenBild: picture alliance/AP Photo

Manos Staramopoulos, Fußball-Experte und Mitarbeiter italienischer und spanischer Sportmedien, sieht viele Gründe für die Gewalt in Fußballstadien: "Versagen der Politik, mangelndes Fairplay bei den Fans und nicht zuletzt die Sensationslust vieler Medien haben zu den heutigen Missständen beigetragen" klagt Staramopoulos im Gespräch mit der DW.

Völlig unübersichtliche Rechtslage

Entscheidend sei jedoch vor allem, dass Strafmaßnahmen entweder nicht greifen oder nach Lust und Laune rückgängig gemacht würden; dadurch sei die Rechtslage unübersichtlich geworden, klagt Staramopoulos. Um nur ein Beispiel zu nennen: 2006 hatte der damalige konservative Sportminister und ehemaliger Fußballspieler Jorgos Orfanos ein knallhartes Gesetz durchgebracht, nach dem die Polizei erstmals straffällige Fans in präventiven Gewahrsam nehmen darf, wenn ein Topspiel ihrer Lieblingsmannschaft ansteht - für einen Hooligan Abschreckung genug.

Allerdings: "Nach einer Regierungsumbildung schaffte der Nachfolger von Orfanos im Sportministerium das Gesetz leider ab. Nach dem Linksruck in Athen 2015 trat die Regelung wieder in Kraft, wenig später wurde sie auf Eis gelegt, jetzt will der neue Sportminister Jorgos Vassiliadis das Gesetz erneut verabschieden…"

Versagt die Polizei?

Die Polizeigewerkschaft POASY erklärt, die Beamten hätten eigentlich nichts zu suchen am Fußballfeld. "Vereine der Profiliga sind Privatunternehmen und müssen entweder eigene Sicherheitskräfte aufstellen oder für den Einsatz der Polizei finanziell aufkommen" sagt POASY-Chef Griogorios Gerakarakos der DW. Es könne nicht sein, dass die Ordnungshüter von ihrer eigentlichen Arbeit abgelenkt werden und den steuerzahlenden Bürgern nicht genügend zur Seite stehen, nur um Privatfirmen bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu helfen. Nach heutiger Rechtslage sind die Beamten am Fußballfeld allerdings präsent - und trotzdem kommt es zu Krawallen.

Ob die Polizei versagt hat? Das will Gerakarakos nicht gelten lassen. "Fußball-Klubs geben oft der Polizei die Schuld, damit sie von ihrer eigenen Verantwortung ablenken" sagt er. "Nach dem Motto: Wenn die Polizei eingreift, ist sie Schuld weil autoritär; wenn sie nicht eingreift, ist sie Schuld weil untätig". Der Offizier vermutet, es gäbe eine Verflechtung von Privatinteressen und politischen Entscheidungsbefugnissen, die der Bekämpfung von Gewalt im Wege steht. Konkreter will er nicht werden.

Aus dem Schicksalsjahr 2016 nicht gelernt

Fördern die Klubs Gewalt im Fußballstadion? So weit will Manos Staramopoulos nicht gehen. Allerdings sieht er einen Teufelskreis des Fanatismus, der schon bei der Talentförderung zum Ausdruck kommt - nicht unbedingt beim Verein, sondern in erster Linie bei fußballverrückten Eltern. Anscheinend eine Frage der Mentalität.

Griechenland Fußball FC PAOK Saloniki - FC AEK Athen
PAOK-Besitzer Savvidis stürmt den PlatzBild: Getty Images/AFP/S. Mitrolidis

"Immer wieder erlebe ich auf der Tribüne einen Vater, der glaubt, sein Sohn sei der neue Messi und müsse den Gegner fertig machen. Fairplay sieht anders aus", sagt der Experte. Fußball sei tolerant und demokratisch, weil dort nicht nur Sieg und Niederlage vorkommen, sondern auch ein Gleichstand möglich ist. Aber das bekämen junge Talente im zarten Alter gar nicht vermittelt, moniert Staramopoulos.    

PAOK-Besitzer stürmte mit Pistole den Platz

Den bisher vorläufigen Höhepunkt der Gewalt markierte das Jahr 2018: Beim Topspiel zwischen den Erstligisten PAOK Saloniki und AEK Athen kam es zu schweren Ausschreitungen nach einer umstrittenen Abseits-Entscheidung. PAOK-Besitzer Ivan Savidis stürmte den Platz mit einer Pistole am Gürtel und ließ sich nur mühsam von den eigenen Sicherheitsleuten beruhigen. Daraufhin wurde die Meisterschaft unterbrochen.

Vergeblich drängte Sportminister Vasiliadis auf eine "Einigung mit allen Beteiligten", vor allem den Klub-Besitzern, zum weiteren Vorgehen. Staramopoulos meint, aus dem Jahr 2016 haben die griechischen Klubs nichts gelernt. "Die sogenannte Einigung mit allen Beteiligten wäre ein wichtiger Schritt zur Gesundung des Fußballs; sie kommt aber nicht zustande, weil jeder sein eigenes Süppchen kocht" mahnt der Experte. Nur eines hat sich seit 2016 zum Besseren gewendet: Topspiele werden von ausländischen Schiedsrichtern geleitet.