Chemnitz soll Kulturhauptstadt Europas werden
28. Oktober 2020Wie bei den Olympischen Spielen gibt es auch im Rennen um den Austragungsort der jeweiligen Kulturhauptstadt Europas eines Jahres mehrere Bewerber. Mit Spannung fieberten die fünf Anwärter auf den Titel auf die Entscheidung der Jury. Als Sylvia Amann, Vorsitzende der europäischen Auswahljury, Chemnitz als deutsche Kulturhauptstadt Europas empfahl, war der Jubel in Sachsens drittgrößter Stadt groß. Bereits im Chat zum Live-Stream der Online-Pressekonferenz auf dem YouTube-Kanal der Kulturstiftung der Länder hatten sich viele die Stadt als Gewinnerin gewünscht. Die noch amtierende Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig bedankte sich bei der Jury für das Vertrauen. Sie sagte, sie seien "einfach glücklich und überwältigt". Dass Chemnitz Kulturhauptstadt 2025 werden soll, "werde der Stadt einfach gut tun".
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer meldete sich hocherfreut zu Wort: "Ich bin mir sicher: Die Macher-Mentalität der Chemnitzer war mitentscheidend dafür, dass es am Ende geklappt hat", sagte er und bedankte sich bei allen die "mit viel Herz und bewundernswertem Engagement" dazu beigetragen hätten.Der Titel sei für Chemnitz eine große Chance, sichtbarer und Impulsgeber zu werden. "Denn Chemnitz steht auch dafür, wie wichtig es ist, die Gefahr von Spaltungen zu überwinden und aktiv für unsere europäischen Werte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzutreten", so Kretschmer. Die Stadt habe einen Ansatz gewählt, der über das Jetzt und Hier hinausgehe, der die Europäische Union erklären solle, der neue Verbindungen zwischen Ost- und Westeuropa schaffe. "Wir sind alle richtig stolz auf diese großartige Stadt, auf die Menschen, die das gemacht haben. Was für eine Arbeit, was für ein Engagement, wie viel Kreativität und wie viele kluge Ideen waren dazu notwendig."
Offiziell wird die Gewinnerstadt im Anschluss an die soeben verkündete Empfehlung erst Ende des Jahres ernannt werden. Neben der in Deutschland gelegenen Kulturhauptstadt gibt es - wie in jedem anderen Jahr - eine zweite europäische Kulturhauptstadt. 2025 wird diese Slowenien stellen. Die Entscheidung dort soll im Dezember fallen.
Fünf Städte im engeren Rennen
Die Federführung für die bundesdeutsche Auswahl sowie die Organisation des ganzen Prozesses lag bei den Kulturministern der Länder in Zusammenarbeit mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Neben Chemnitz standen noch Magdeburg, Hannover, Nürnberg und Hildesheim zur Wahl. Die Empfehlung für eine der fünf in der Endrunde verbliebenen deutschen Städte traf nun eine unabhängige europäische Jury.
Alle fünf Bewerberstädte hatten in den vergangenen zwei Jahren ein Konzept erarbeitet, das Grundlage der Bewertung durch die Jury war. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, lobte, dass die Städte "diese Aufgabe geradezu bravourös gemeistert haben. Ohne Menschen keine Kultur, ohne Kultur keine Gemeinschaft." Pandemiebedingt machte die Jury in diesem Jahr digitale Stadtbesuche und veranstaltete Diskussionsrunden online. Dank dieser Maßnahmen konnte das Verfahren nun zu einem Abschluss gebracht werden. Die fünf Endrundenkandidaten waren bereits aus insgesamt acht deutschen Städten ausgewählt worden.
Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" als Chance für Chemnitz
Das Bewerbungsteam von Chemnitz hatte betont, es wolle "all die Leute und Orte sichtbar machen, die man nicht sieht, und damit auch ein Chemnitz, das in Europa - noch - keiner auf dem Schirm hat." Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig sprach in der kurzen Schalte nach Bekanntgabe des Jury-Votums von einer "Macher-Mentalität" der Bevölkerung und der Einbindung von Familien in die Aktionen des Kulturhauptstadt-Jahres.
2018 hatte Chemnitz noch mit negativen Schlagzeilen aufgewartet. Nachdem am Rande eines Stadtfests ein Mann von einem Asylbewerber erstochen worden war, folgten Demonstrationen, bei denen auch der Hitlergruß zu sehen war. Diese Ereignisse warfen ein schlechtes Licht auf Chemnitz, ebenso wie die Brachflächen und der Leerstand in der Stadt.
Kulturhauptstadt Europas in diesem Jahr sind Rijeka in Kroatien und Galway in Irland. Die jüngste in Deutschland gelegene Stadt, die sich mit dem Titel schmücken durfte, war 2010 Essen und das Ruhrgebiet . Auch Weimar (1999) und West-Berlin (1988) waren bereits europäische Kulturhauptstädte.