China bleibt ein Feind der Menschenrechte
4. Juni 2005Auf China blicken deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter manchmal mit Neid und auch ein bisschen Wehmut. Boomende Städte und Wachstumsraten von neun Prozent suggerieren Aufbruchstimmung, steigenden Wohlstand - und erinnern an deutsche Wirtschaftswunderzeiten. Um ein paar Krümel vom chinesischen Wachstumskuchen zu erhaschen, reiste Bundeskanzler Gerhard Schröder schon fünfmal mit Wirtschaftsdelegationen nach Fernost, westliche Konzerne buhlen um Aufträge für Magnetbahnen und Stahlpressen. Seit einigen Monaten setzt sich Schröder für eine Aufhebung des Waffenembargos ein, das die EU nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens gegen China verhängt hat.
Gesetzlich festgeschriebene Repression
Doch die derzeit beliebte ökonomische Brille verschleiert den Blick auf die Probleme der chinesischen Bevölkerung. Sie ist mit dem insgesamt steigenden Wohlstand in den vergangen Jahren nur scheinbar freier geworden. 16 Jahre nachdem der Aufstand der Dissidenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens von Panzern blutig niedergeschlagen wurde, ist die Repression in China noch immer gesetzlich festgeschrieben. Wer "Subversion der Staatsmacht oder den Umsturz des sozialistischen Systems plant oder betreibt, kann mit bis zu lebenslanger Haft bestraft werden", besagt das chinesische Strafgesetzbuch. Auch Anhänger religiöser Minderheiten können inhaftiert werden, wenn sie nach offizieller Lesart "Irrlehren oder abwegige Doktrinen" verbreiten.
Gerichtsverfahren widersprechen auch nach einer Änderung der Strafprozessordnung internationalen Standards - oft genug entfallen sie sogar ganz. Laut Amnesty International sieht die so genannte Administrativhaft explizit vor, dass politische Dissidenten als "parteifeindliche Elemente" ohne Gerichtsverfahren für bis zu vier Jahre in Arbeitslager geschickt werden können. 2001 waren nach offiziellen Angaben 310.000 Menschen in "Administrativhaft". Die Zahl liegt deutlich über den offiziellen Angaben der Vorjahre - ein Indiz für ein verschärftes Vorgehen gegen politische Abweichler.
Geschickte Diktatur
Das kommunistische Regime in China gibt sich zwar weltoffen, viele Chinesen dürfen zum Studium, oder um Urlaub zu machen ins Ausland. China debattiert im so genannten Menschenrechtsdialog zweimal jährlich mit Vertretern der EU und Deutschlands über die Wahrung der Menschenrechte. Das sei jedoch reine Verschleierung, kühle Strategie, sagt Martin Lessenthin, Sprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. "Die neue kommunistische Führung ist nicht mehr so plump, so stumpf wie zu Zeiten Maos. Die Verbrechen geschehen verdeckt."
So hält er den Dialog für ein Rezept Chinas gegen internationale Kritik. "Wenn ein Staat die wirkliche Menschenrechtslage anspricht, droht China kurzerhand aus dem Dialog auszusteigen. Die Kritik verstummt und alles geht weiter wie bisher." Lessenthin, der in Hongkong aufgewachsen ist und seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebt, fordert von der Bundesregierung, Menschenrechtsverletzungen deutlich anzuprangern. "Wenn der internationale Druck stark ist, in Medien und von hochrangigen Politikern, werden Dissidenten frei gelassen, wenn nicht, passiert gar nichts."
Traurige Kennzahlen sprechen für ein solches Verstummen der Kritik: Nach Angaben von Amnesty International wurden 2004 in China 3400 Menschen hingerichtet. Das sind zum einen mehr als in jedem anderen Staat. Zum anderen aber fast doppelt so viele Menschen, wie im Durchschnitt der sieben Jahre zuvor.
Westliche Politiker hatten sich von ihrem wirtschaftlichen Engagement in China einen "Wandel durch Handel" erhofft. Nach Ansicht von Martin Lessenthin ist eher das Gegenteil eingetreten. "Wenn westliche Medien die Menschrechtslage zu stark kritisieren, sagt die KP, wir kaufen doch keinen Airbus, wir kaufen doch keinen Superzug." Eine Aufhebung des Waffenembargos könnte dem Chinageschäft europäischer Konzerne dagegen weiteren Auftrieb verleihen.