China - EU: Subventionsstreit bei E-Autos
15. September 2023"China flutet die Weltmärkte mit billigen Elektroautos", rief EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am vergangenen Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg aus. Deren Preis werde "durch riesige staatliche Subventionen gedrückt", so von der Leyen. Europäische Hersteller könnten da nicht mehr lange mithalten.
Die Solarbranche gilt als warnendes Beispiel. Obwohl die Technik in Europa, vor allem in Deutschland, entwickelt worden und die heimische Solarbranche global führend war, wurden die europäischen Hersteller fast völlig vom Markt verdrängt, weil chinesische Hersteller Solarpanele zu Dumpingpreisen anbieten konnten.
Eindeutige Beweislage
Die Schweizer Bank UBS versorgte in dieser Woche ihre Kunden mit aktuellen Informationen zum internationalen Automarkt und zitierte ihren Analysten Paul Gong mit der Beobachtung, dass das chinesische Auto BYD Seal "15 Prozent weniger kostet als das in Shanghai produzierte Model 3 von Tesla und mehr als 35 Prozent weniger als der in Deutschland hergestellte ID.3 von Volkswagen."
Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte der Direktor der Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr, dass es genug Beweise gebe, dass Peking seine Autoindustrie subventioniert. Und zwar "auf eine Art und Weise, die nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO konform ist. China subventioniert die Produktion der Autos direkt, zudem gibt es indirekte Subventionen über die Förderung von Batterien und seltene Erden in verschiedenen Formen."
Komplizierte Gemengelage
Wenn die staatlichen Subventionen in China auch nicht ernsthaft bezweifelt werden, ergibt das dennoch kein klares Schwarz-Weiß-Bild nach dem Muster: Das Böse im Osten, das Gute im Westen. Denn zum einen gibt es auch in Europa staatliche Unterstützungen für die Industrie und zum anderen profitieren nicht nur Chinas Unternehmen von Pekings Wohltaten.
Darauf wies Gregor Sebastian vom Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin in einem Gespräch mit der DW hin, als er auf BMW und Tesla verwies, "die in China für den internationalen Markt produzieren, in dem sie günstige Kredite chinesischer Banken bekommen, die sie nirgendwo anders bekommen würden. Außerdem können sie kostenlos oder extrem billig Immobilien erwerben und sie profitieren davon, dass China seine Batterieproduktion vom internationalen Wettbewerb abschirmt."
Gegenseitige Vorwürfe
Das Pekinger Handelsministerium antwortete, Chinas Autobauer hätten ihre gute Position "durch harte Arbeit erworben" und sie sei "das Ergebnis ununterbrochener technologischer Innovation". Die EU solle gemeinsam mit Peking ein "faires, diskriminierungsfreies und vorhersehbares Marktumfeld schaffen". Die französische Regierung beschwichtigt, es solle lediglich eine Untersuchung eingeleitet werden, man solle keine voreiligen Schlüsse ziehen.
In Deutschland wird Zurückhaltung und Augenmaß angemahnt. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) erklärte durch ihren Außenhandelschef Volker Treier, dass Wettbewerbsverzerrungen von chinesischer Seite durchaus angegangen werden müssten. Jedoch "möglichst nicht über eigene übermäßige Subventionen oder neue Strafzölle als Folge langwieriger Anti-Dumpingverfahren".
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist noch zurückhaltender. Gerade die deutsche Autoindustrie produziere in China zunehmend vor Ort ihre Autos für chinesische Kunden. "Die chinesische Regierung hat also kein Interesse, deutschen Autofirmen Steine in den Weg zu legen, sie würde sich damit nur ins eigene Fleisch schneiden und vor allem chinesische Jobs auf Spiel setzen", analysierte das IW.
Folgen der Globalisierung
Der Hinweis auf deutsche Firmen, die in China auch für den internationalen Markt produzieren, zeigt, wie verzahnt die Industrie inzwischen ist. Sollte die EU Strafzölle für Elektroautos aus China einführen, müssten auch VW und BMW diese beim Export in die EU zahlen, ihre Autos in Europa würden so noch teurer werden.
Und schließlich unterstützen auch europäische Firmen ihre Autobauer - und zwar nicht nur in Europa, wie Gregor Sebastian der DW erklärte: "Im ersten Quartal dieses Jahre sind 40 Prozent der französischen staatlichen Subventionen in die Autoindustrie für Autos ausgegeben worden, die in China gebaut worden sind."
Wer im Glashaus sitzt …
WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr richtet gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Blick in die Zukunft und zieht eine Parallele zur Flugzeugindustrie: "Sollten die EU-Strafzölle tatsächlich kommen, wird China ganz sicher dagegen vorgehen und der EU vergleichbare Praktiken vorwerfen. Das läuft dann ähnlich wie beim Streit Airbus gegen Boeing zwischen der EU und Amerika, als beide Seiten argumentierten, im Recht zu sein."
Überhaupt sei die EU kein Freihandelsmusterschüler, denn sie beanspruche "selbst Ausnahmen vom Beihilferecht. Es stimmt schon, die EU wirft mit einem Stein im Glashaus."
Doch so liefe es eben im Handel, und nicht erst seit Gestern: " Gerade wenn eine Branche in Bedrängnis kommt, wie jetzt die Autoindustrie durch China, greifen Staaten gerne zu Zöllen, das zeigt die Geschichte eindeutig. Sobald es schlecht läuft, kommen neue Zölle. Das ist als eine Art Konjunkturpolitik gedacht, die dann aber zum Bumerang werden kann."