Das schwierige Geschäft mit der Luft
2. Juni 2012Seit 2005 ist die Luft in der Europäischen Union nicht mehr umsonst zu haben. Wer durch eine starke Industrieproduktion Treibhausgas in die Atmosphäre schleudert, der muss dafür bezahlen - in Form von Emissionszertifikaten, die auf den Energiebörsen gehandelt werden. Im Prinzip, so Klimaexperte Stefan Krug von Greenpeace, eine saubere Lösung. In der Praxis läge der Preis pro Tonne CO2 im Moment jedoch bei 6,50 Euro. Die EU-Planungen gingen allerdings von einem Tonnenpreis von etwa 20 Euro aus. "Das heißt, die gesamten Planungen funktionieren im Moment nicht mehr", so Krug.
Die Preise sind mittlerweile so niedrig, dass die Bayerische Börse Ende Mai den Handel mit den Emissionspapieren eingestellt hat. "Die an europäischen Börsen gehandelten Volumina sind in den vergangenen Monaten drastisch auf nahezu null zurückgegangen", hieß es in einer Mitteilung der Börse in München.
CO2-Handel als Regulierer
Dabei sollten die Zertifikate den CO2-Ausstoß regulieren. Die Europäische Union will bis 2050 ihre CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 80 Prozent senken. Um dahin zu kommen, führte sie 2005 die europäischen Emissionszertifikate ein. Das Prinzip: Industrie und Energiewirtschaft bekommen einen bestimmten Anteil an Verschmutzungsrechten. Wenn sie mehr benötigen, müssen sie dafür Zertifikate kaufen. Wer hingegen viele Emissionen einspart, zum Beispiel durch die Umstellung auf eine klimafreundlichere Produktion, wird belohnt und kann seine überschüssige Emissionsmenge weiter verkaufen.
Fallen die Zertifikate jedoch im Preis, verschwindet dieser Anreiz für die Unternehmen. Dann lohnt es sich für die Firmen nicht mehr in erneuerbare Energien und in eine Klimafreundlichen Produktion zu investieren.
Der Preis sei vor allem wegen der staatlichen Zuteilungen an die Industrie gesunken, so Krug. Die Hälfte der Zertifikate werde kostenlos vergeben. "Das führt dazu, dass ein riesiger Berg von Zertifikaten entstanden ist, auf dem die Unternehmen sitzen. Entsprechend niedrig ist auch der Anreiz CO2 einzusparen", so der Greenpeace-Experte.
Widerstand in der EU
In Brüssel hat die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard angekündigt, dass sie bis Ende des Jahres Vorschläge für eine Reform des Emissionshandels vorlegen werde. Dabei gibt es auch innerhalb der EU Widerstand gegen eine Verknappung der Zertifikate, um den Markt wieder in Schwung zu bringen. Vor allem Polen, das 80 Prozent seines Strombedarfs durch Kohlekraftwerke erzeugt, ist entschieden dagegen.
So sehen das auch die Betreiber der Energieintensiven Industrien. So schrieb Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf, in der Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Der Emissionsrechtehandel droht, zu De-Industrialisierung zu führen". In dem Text warnt er vor der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der Europäer, weil die europäische Industrie international als einzige für ihren CO2-Ausstoß bezahlen muss.
China will einsteigen
Das könnte sich bald ändern. China hat angekündigt, im kommenden Jahr einen nationalen CO2-Handel einzuführen. Zunächst einmal soll der Emissionshandel in fünf Städten und zwei Provinzen probeweise eingeführt werden. In den Städten Peking, Shanghai, Chongquing, Shenzen und Tianjin und in den beiden Provinzen Guangdong und Hubei müssen Unternehmen dann Verschmutzungsrechte kaufen. In diesem Wirtschaftsraum leben und produzieren 250 Millionen Menschen. Und falls alles gut läuft, soll der Emissionshandel 2015 sogar in ganz China eingeführt werden.
Auch Australien, Südkorea, der US-Bundesstaat Kalifornien und die kanadische Provinz Quebec haben angekündigt, einen Emissionshandel einführen zu wollen. Doch vor allem China, das sich in den internationalen Klimaverhandlungen bisher, ungern auf verpflichtende Emissionsgrenzen festlegt, könnte eine Wende hin zu einem internationalen CO2-Markt bringen, hoffen Experten: Ein internationaler Markt könnte auch die Investitionen in klimafreundliche Technologien vorantreiben.
Zertifikate statt Steuern
Auch würde das Klima schon von Emissionsmärkten in China, Australien, Südkorea, Kalifornien und Quebec profitieren. Damit wären über 40 Prozent der weltweiten Emissionen über den CO2-Handel geregelt. Die EU-Emissionen machen dabei etwa 14 Prozent der globalen Treibhausgase aus.
Doch wenn ein solcher Marktmechanismus funktionieren soll, muss auch der CO2-Preis stimmen. Die Alternative, so Greenpeace-Experte Stefan Krug, wäre eine CO2-Steuer. Das sei allerdings schwieriger, weil Stuerangelegenheiten auf nationaler Ebene geregelt werden". Außerdem gibt es bei Steuern keine Garantie, dass das Geld dann auch tatsächlich in klimafreundliche Projekte investiert wird", so Krug.