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China schafft die Ein-Kind-Politik ab

29. Oktober 2015

Es ist das Ende einer Ära: Von nun an dürften alle Paare mit staatlicher Erlaubnis zwei Kinder bekommen. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Ein-Kind-Politik waren offenbar zu dramatisch.

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Chinesische Kinder (Foto: getty Images, AFP)
Bild: Getty Images/AFP/M. Clarke

China schafft die staatlich verordnete Ein-Kind-Politik ab. Das berichtete die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Der Beschluss wurde bei einem viertägigen Treffen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei gefasst.

Die Ein-Kind-Politik in China war schon vor zwei Jahren gelockert worden. Von da an durften Paare zwei Kinder bekommen, wenn ein Elternteil ein Einzelkind war. Einen Baby-Boom hatte das bislang jedoch nicht ausgelöst. In der Hauptstadt Peking haben in den 18 Monaten, seit die Regel galt, 53.000 Paare einen Antrag auf ein zweites Kind gestellt. Erwartet worden war diese Zahl bereits für den Zeitraum der ersten zwölf Monate. Die Ein-Kind-Politik war 1979 eingeführte worden, um dem rasanten Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken.

Überalterung der Gesellschaft

Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der umstrittenen Bevölkerungspolitik waren offenbar zu gravierend. Die Geburtenrate ist inzwischen so niedrig, dass dem Land die Arbeitskräfte ausgehen. Vor drei Jahren sank erstmals die Zahl der erwerbsfähigen Chinesen zwischen 15 und 59 Jahren. Die Gesellschaft überaltert dramatisch. Schon jetzt hat sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt; es fehlen Konsumenten, Arbeitskräfte und jene, die für die Pensionen der vielen Alten aufkommen.

Drastischer Frauenmangel

Auch das Missverhältnis der Geschlechter verschlechterte sich immer weiter. In China herrscht auf Grund der bisherigen Ein-Kind-Politik ein drastischer Frauenmangel: Derzeit gibt es 20 Millionen mehr Männer unter 30 Jahren als Frauen. Nirgends sonst auf der Welt ist das Geschlechterverhältnis so unausgeglichen wie in China. Auf 100 Mädchen, die geboren werden, kommen 116 Jungen. Normalerweise ist bei Geburten die Zahl von Mädchen und Jungen ungefähr gleich hoch.

Wurde eine Frau in China zuvor ein zweites Mal schwanger, musste sie entweder abtreiben oder eine - vor allem für arme Familien - hohe Geldstrafe zahlen. Häufig entschieden sich die Familien für die Abtreibung, wenn der Fötus weiblich war. Denn in China genießen Jungen traditionell einen höheren Status; nur der Sohn kann später, wenn er heiratet, die Familienlinie weiterführen. Zudem sind die Eltern im Alter auf ihre Söhne angewiesen, während Mädchen in die Familie des Mannes einheiraten. Höchswahrscheinlich spielte diese Tradition aber auch eine Rolle bei der Einscheidung für ein erstes Kind.

Vergewaltigungen und Verschleppungen

Forscher warnen in diesem Zusammenhang unter anderem vor einer Zunahme von Prostitution und Vergewaltigungen. Vor allem auf dem Land war bislang der Frauenmangel ein Problam: Während wohlhabende Männer es nämlich bei der Partnersuche leichter haben, da sie potenziellen Ehefrauen etwas bieten können, wächst auf dem Land die Zahl der Guanggun, Single-Männern. Frauen aus ländlichen Regionen ziehen in die Städte. In grenznahen Gebieten reisen Männer inzwischen in die Nachbarländer, um dort nach einer Frau zu suchen. Doch viele dieser Frauen kommen nicht freiwillig. Erst kürzlich wurden 14 aus Myanmar stammende junge Mädchen befreit, die zur Zwangsheirat nach China verschleppt worden waren.

Bei Menschenrechtlern stieß die Neuregleung denn auch auf Skepsis: "Die Zwei-Kind-Politik wird erzwungene Sterilisierungen, Zwangsabtreibungen, Regierungskontrolle über Geburtsgenehmingungen nicht abschaffen", schrieb William Nee von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) auf Twitter.
Die Neuregelung sei erfreulich für Paare, die ein zweites Kind bekommen wollten, erklärte May Wang von Human Rights Watch (HRW), jedoch blieben "die Einschränkungen bei den Rechten auf Fortpflanzung in China bestehen".
chr/mm (dpa, kna)