1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

China statt USA? Duterte sucht neue Verbündete

18. Oktober 2016

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte umgarnt Peking. Er hofft auf chinesische Milliarden für die Wirtschaft seines Landes und verprellt gleichzeitig den langjährigen Verbündeten USA.

https://p.dw.com/p/2RNqJ
Rodrigo Duterte
Bild: picture-alliance/AP Photo/B.Marquez

Die Beziehungen zwischen den USA und ihrer ehemaligen Kolonie im Westpazifik waren schon mal besser. Noch im Mai 2014 hatte Manila ein umfassendes Verteidigungsabkommen mit Washington geschlossen. Der Pakt, den der damalige Präsident Benigno Aquino III. geschlossen hatte, sah für die nächsten zehn Jahre eine erhöhte amerikanische Militärpräsenz auf den Philippinen vor. Für die Transpazifikstrategie der USA ist das Abkommen ein wichtiger Baustein. Doch Aquinos Nachfolger Duterte stellt das Abkommen infrage. Schon mehrfach hatte Duterte angekündigt, in Zukunft eine "unabhängigere" Außenpolitik zu verfolgen und sich stärker China zuwenden zu wollen. Nachdem Barack Obama auch noch Dutertes rigorose Anti-Drogen-Politik kritisiert hatte, beschimpfte er den amerikanischen Präsidenten aufs Übelste.

Wütend auf Washington, charmant zu China

Kritik aus China bekommt Duterte dagegen nicht zu hören. Und auch er hält sich mit markigen Sprüchen Richtung Peking zurück. Im Gegenteil: Wenn Duterte über den großen Nachbarn im Nordwesten spricht, dann klingt der sonst eher raubeinige Präsident auf einmal ganz sanft. "China ist unsere einzige Hoffnung auf Entwicklung", säuselte er etwa gegenüber Chinas Nachrichtenagentur Xinhua. Sein eigener Großvater sei ethnischer Chinese gewesen, deshalb hoffe Duterte sehr, die zwei Millionen Chinesen, die heute noch auf den Philippinen leben, "könnten eine Brücke bauen, um chinesische Investitionen ins Land zu bringen." 

Philippinen Pendlerzug in Manila
Von China erhofft sich Duterte milliardenschwere Investitionen - auch in das philippinische EisenbahnnetzBild: Getty Images/AFP/J. Directo

Genau das will Duterte bei seiner derzeitigen vier Tage dauernden Reise nach Peking erreichen - und mit ihm eine gut 250-köpfige Wirtschaftsdelegation. "Konkret geht es um bilaterale Abkommen, um Handel, um Direktinvestitionen", erklärt Benedikt Seemann vom Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Manila. "Duterte hat bereits angekündigt, dass er die derzeit noch sehr strikten Regeln für Auslandsinvestitionen auf den Philippinen lockern will. Die Chinesen wiederum investieren massiv in die regionale Infrastruktur Asiens. Und da wollen natürlich auch die Philippinen nicht hinten anstehen."  Duterte spekuliert unter anderem auf Fördermittel aus der chinesisch dominierten Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB) für dringend benötigte Verkehrsprojekte, etwa im Großraum Manila oder auf Dutertes Heimatinsel Mindanao.

Streitpunkt Scarborough-Riff

Hierfür ist er offensichtlich bereit, den Chinesen ein Stück weit entgegenzukommen. "Wie weit, das wird auf den Philippinen mit Spannung beobachtet", sagt Seemann. Ein besonders belasteter Punkt in den Beziehungen beider Länder sind die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer, insbesondere der von Manila beanspruchte Teil, der seit kurzem Westphilippinische See genannt wird. Dort geht es unter anderem um das "Scarborough-Riff", das von beiden Ländern beansprucht wird. "Seitens der Bevölkerung, egal ob Duterte-Anhänger oder Gegner, wird erwartet, dass der Präsident hier keine Zugeständnisse macht", stellt Benedikt Seemann klar - zumal die Philippinen erst im Juli dieses Jahres mit einer Klage gegen China vor dem Internationalen Schiedshof in Den Haag erfolgreich gewesen sind. Doch das Thema ist äußerst sensibel; der Urteilsspruch wird von China nicht anerkannt. Ursprünglich sollte das Thema bei Dutertes Staatsbesuch ganz ausgeklammert werden. Nun wollen beide Seiten doch noch darüber sprechen. Ob es jedoch in diesem Punkt zu einer Annäherung kommen wird, scheint eher fraglich. Nicht nur die Philippinen, "auch China wird weder bei Fragen der territorialen noch der wirtschaftlichen Hoheit über das Scarborough-Riff irgendwelche Zugeständnisse machen", beteuert Shi Yinhong, Politikwissenschaftler an der Renmin University of China in Peking. Möglich sei jedoch, dass Peking den philippinischen Fischern Nutzungsrechte in den Gewässern rund um die Inseln zugestehen könnte. Insgesamt werde China "den Konflikt aber entschärfen wollen, indem es den Philippinen wirtschaftliche Unterstützung versprechen wird", ist sich der Experte sicher.

USS William P. Lawrence im südchenesischen Meer
US-Marineschiffe kreuzen im Südchinesischen MeerBild: picture alliance/AP Photo/

Zieht die Bevölkerung mit?

Konflikt um Scarborough Inseln im Südchinesischen Meer
In der philippinischen Bevölkerung sind anti-chinesische Ressentiments weit verbreitetBild: picture-alliance/dpa

Dennoch glaubt auch Shi nicht daran, dass es in naher Zukunft zu einer völligen Kehrtwende in der philippinischen Außenpolitik kommen könnte. "Duterte sagt zwar, er wolle auf Abstand zu den USA gehen, aber innerhalb der Philippinen gibt es sehr starke pro-amerikanische Kräfte. Auf lange Sicht können die Philippinen nicht auf Amerika verzichten", ist der Experte überzeugt. Das sieht auch Benedikt Seemann so. "Vertreter im philippinischen Senat, in den Streitkräften oder im Außenministerium werden nicht müde zu betonen, dass die guten Beziehungen zu den USA eine unumstößliche Komponente der philippinischen Außenpolitik sind." Und auch in der Bevölkerung seien einer deutlichen Mehrheit gute Beziehungen zu Washington wichtiger als zu Peking. "Die Philippinen haben als ehemalige amerikanische Kolonie immer enge Beziehungen zu den USA gepflegt," erklärt der KAS-Experte. "Das spiegelt sich auch in einer großen kulturellen und außenpolitischen Akzeptanz der USA auf den Philippinen wider. Dennoch erleben wir gerade einen Ära des wachsenden Nationalstolzes im Land." Der Wunsch nach mehr außenpolitischer "Unabhängigkeit" sei auch ein Signal dafür, so Seemann.

Viele Analysten befürchten zudem, dass die Abwendung von den USA und die Hinwendung zu China nur bedeuten würde, dass Manila sich von einer Abhängigkeit in die nächste begibt. "China ist natürlich ein Partner, mit dem schwer auf Augenhöhe zu verhandeln ist", sagt Benedikt Seemann. "Wenn man mit China verhandeln will, muss man sehr viel anzubieten haben. Welche Trümpfe Duterte da im Ärmel hat, das weiß wohl keiner außer ihm." Auch nicht Peking. "Chinas Regierung weiß, dass sich das politische Klima auf den Philippinen schnell ändern kann", sagt Shi Yinhong. "Das gilt auch für die Meinung von Rodrigo Duterte. Daher wird Peking vorsichtig bleiben und die Situation weiter sehr genau beobachten. Aber wenn China eine Chance, passende Schritte zu machen, um die Beziehungen zu Manila zu verbessern, wird es das tun."

 

Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik