Parteikongress in China
14. Oktober 2007Die Kommunistische Partei Chinas ist in einer schlechten Verfassung. Korruption, Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft breiten sich epidemieartig aus. Von den 70 Millionen Parteimitgliedern glauben nur die allerwenigsten noch an den Kommunismus. Diejenigen, die in die Partei eintreten wollen, treiben meist andere Motive als ideologische Überzeugung. Dennoch wird die Herrschaft der Kommunistischen Partei in China nicht ernsthaft herausgefordert. Der am 15. Oktober beginnende 17. Parteitag wird weder am schlechten Image noch an der Alleinherrschaft der Kommunisten etwas ändern. Spannend bleibt nur, welche Personalsignale der Parteitag vorgeben wird, wer in fünf Jahren die Geschicke des Landes lenken wird.
Der Parteitag findet alle fünf Jahre statt. Auf dem letzten im November 2002 trat Hu Jintao die Nachfolge Jiang Zemins als Parteichef an. Ein halbes Jahr später wurde Hu Staatspräsident - es war der erste friedliche Machtwechsel in der Geschichte der Volksrepublik China.
Keine Reformen, aber gezielte Maßnahmen
Sebastian Heilmann, China-Experte an der Uni Trier, beobachtet, dass unter der so genannten vierten Führungsgeneration mit Hu Jintao und Premier Wen Jiabao an der Spitze eine Verschiebung der Prioritäten in der chinesischen Politik stattgefunden hat.
"Es ist nicht so, dass das Wirtschaftswachstum weniger wichtig geworden wäre", führt Heilmann aus, aber er halte es schon für plausibel zu sagen, dass vor allem sozialpolitische Themen, Gesundheitspolitik, ländliche Ausgleichsmaßnahmen, ländliche Steuerpolitik, Abgabenpolitik, dass das alles doch wesentlich stärker in den Fokus geraten sei. Einige konkrete Maßnahmen scheinen langsam aber sicher Wirkung entfaltet zu haben. Die neue Führung mache in den Bereichen schon einen Unterschied. "Das sind keine riesigen Systemveränderungen, das sind keine politischen Reformen, - aber es sind einige gezielte Maßnahmen, die erfolgreicher sind, als viele westliche Beobachter vorhergesehen haben."
Solche Erfolge braucht die chinesische Führung auch dringend, um die soziale Stabilität zu wahren. Die Politik der Vorgängerregierung "Wachstum um jeden Preis" hat zu massivem Raubbau an der Natur geführt. Laut offizieller Statistik wird das hohe Wachstum von den Umweltkosten fast komplett verschlungen. Auch das Gefälle zwischen Arm und Reich nimmt bedrohliche Ausmaße an. Während China beim Kauf von Luxusgütern auf dem dritten Platz weltweit rangiert, haben 200 Millionen Chinesen laut Weltbank weniger als einen Euro am Tag zum Leben. Die oberste Führung weiß um die Explosivität dieser Lage und setzt auf den Aufbau einer "harmonischen Gesellschaft". Die andere Zauberformel lautet "wissenschaftliche Entwicklung", was soviel wie "auf Ökologie bedachtes Wachstum" bedeutet. Fest steht, dass diese Konzepte Hu Jintaos ins Parteistatut aufgenommen werden.
Die Machtposition festigen
Der Regimekritiker Li Datong hält das alles für leere Phrasen: "Solche Losungen sind Allgemeinplätze. Die USA hätten auch nichts gegen eine harmonische Gesellschaft. In Deutschland wäre sie sicherlich auch willkommen." Das Entscheidende sei, dass Taten folgen müssen. Die Zeit nach dem Parteitag werde zeigen, ob er es ernst meint. Allgemein werde behauptet, dass Hu Jintao auf dem letzten Parteitag gar nicht so viel Kontrollmacht bekommen habe. Er habe ein Team akzeptieren müssen, das ihm sein Vorgänger bereitgestellt habe und daher keine freie Handhabe gehabt und könne erstmal nur Ideen entwickeln. "Aber der kommende Parteitag dürfte die entscheidende Station für die endgültige Festigung seiner Machtposition werden."
Kompromissfähigkeit wird zu einer der wichtigsten Tugenden der künftigen Führungsgeneration zählen müssen. Denn unangefochtene Führungspersönlichkeiten wie Mao Zedong oder Deng Xiaoping sucht man heutzutage in China vergebens. Dass sich Hu Jintao einer relativ sattelfesten Position erfreut, liegt auch daran, dass er 1992 von Deng Xiaoping persönlich auserkoren wurde und sich dann zehn Jahre bewähren konnte. Soviel Zeit hat sein Nachfolger nicht mehr. Da China aber ohnehin von einem Team geführt wird, spielt es letztendlich keine große Rolle, wer der nächste Steuermann wird. Die wirklich interessante Frage lautet, schafft es die fünfte Führungsgeneration, China in eine Demokratie zu führen?
Wahlen - keine schlechte Idee
Li Cheng vom Brookings-Institut ist optimistisch: "China wird diesen Weg früher oder später gehen." Der Blick in die Welt würde zeigen: Nur in ganz wenigen Ländern gibt es keine Wahlen, in Kuba, Nordkorea oder ein paar anderen rückständigen Ländern. Die meisten Staaten seien demokratisch geworden. Außerdem brauche die KP Chinas auch eine neue politische Legitimation. Diese Legitimation bekomme man, wenn man sich jetzt für einen Führungspolitiker entscheidet. "Wenn man sich nicht entscheiden kann, dann sind Wahlen gar keine schlechte Idee."