China verhindert Ausreise von Liao Yiwu
1. März 2010Kurz vor dem Start seines Flugzeugs wurde der chinesische Schriftsteller Liao Yiwu in der Stadt Chengdu in Südwestchina am Montag (01.03.2010) aus der Maschine geholt. Nach einem mehr als dreistündigen Verhör sei er nach Hause gebracht worden, berichtete der Autor telefonisch der Deutschen Presse-Agentur dpa in Peking. Er dürfe sein Haus vorerst nicht einfach verlassen und stehe unter strenger Bewachung.
Der 50-jährige Schriftsteller hatte ein deutsches Visum und wollte mit einer Zwischenstation in Peking nach Deutschland fliegen. Liao Yiwu durfte im Herbst schon nicht zur Frankfurter Buchmesse ausreisen. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Liao Yiwu Anfang Februar um Hilfe bei seiner Ausreise gebeten: "Sie sind deutsche Kanzlerin und Sie wissen aus eigener Erfahrung, was Diktatur bedeutet."
Westerwelle kritisiert Ausreiseverbot
Trotzdem folgte am Montag das Reiseverbot, das Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin auch umgehend kritisierte und bedauerte: "Die Bundesregierung hat sich mehrfach und hochrangig dafür eingesetzt, ihm die Reise zu ermöglichen, leider ohne Erfolg." Zudem kündigte Westerwelle an, die Bundesregierung werde sich "im offenen Dialog mit China weiter für Meinungsfreiheit und Bürgerrechte einsetzen." Er gab sich optimistisch, "Liao Yiwu bald in Deutschland begrüßen zu können." Noch vor seiner versuchten Abreise hatte Liao Yiwu in Chengdu sogar den Asienbeauftragten der Bundesregierung, Cyrill Nunn, getroffen, wie das Auswärtige Amt bestätigte.
Vier Jahre Haft
Der Schriftsteller ist in Deutschland unter anderem bekannt für sein in China verbotenes Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas Gesellschaft von unten", das auf Deutsch erschienen ist. Er hatte dafür Toilettenputzer, Prostituierte, alte Mönche, politische Häftlinge oder Straßenkünstler interviewt. Liao Yiwu steht auf der schwarzen Liste, weil er 1989 nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung ein Gedicht "Massaker" publiziert hatte. Damals hatte Liao Yiwu vier Jahre in Haft gesessen.
Das Kölner Festival "lit.Cologne" solidarisierte sich mit Liao und betonte: "Wir sind erschüttert, dass die chinesischen Behörden einen Autor derartig standhaft daran hindern, mit seinen Lesern zusammen zu kommen." Am 19. März soll eine Solidaritätsveranstaltung auf sein Werk aufmerksam machen. Der S. Fischer Verlag zeigte sich entsetzt: "Es ist völlig unverständlich, warum die chinesischen Behörden diese Künstlerreise auf solch krasse Weise unterbinden", erklärte der Programmleiter für Sachbuch und Wissenschaft, Peter Sillem.
Liao Yiwu gegenüber der Deutschen Welle: "Ich bin erschöpft"
In einem Interview mit der China-Redaktion der Deutschen Welle berichtete der Autor, dass ihn die chinesischen Behörden bereits an der Antragstellung hätten hindern wollen. Die chinesische Regierung verbietet Liao seit Jahren die Reise ins Ausland. "Nach so vielen Versuchen bin ich erschöpft. Deutschland ist ein Traum für mich", sagte er. "Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll."
Autorin: Marion Linnenbrink (dpa, epd)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot