China will in Griechenland weiter investieren
18. Juni 2014Der chinesische Regierungschef Li Keqiang beginnt am Donnerstag (19.06.2014) einen dreitägigen Besuch in Griechenland - begleitet von 14 Ministern und zahlreichen Geschäftsleuten. Über den genauen Ablauf des Besuchsprogramms herrscht Schweigen. Es wrid aber damit gerechnet, dass Unternehmensvertreter beider Seiten Kooperationsabkommen in den Bereichen Infrastruktur, Lebensmittelhandel und Finanzdienstleistungen unterzeichnen werden. Dem Vernehmen nach streben griechische Reedereien zudem nach günstigen Krediten chinesischer Staatsbanken zum Bau neuer Schiffe. Peking sei bereit ihren Wunsch zu erfüllen, wenn auch chinesische Werften zum Zuge kämen.
Vor einem Jahr hatte der griechische Regierungschef Antonis Samaras bei einem Besuch im "Reich der Mitte" für neue Investitionen geworben. Seitdem hat sich einiges getan, glaubt Jorgos Tzogopoulos vom Athener Think Tank ELIAMEP. "Chinesische Firmen investieren derzeit verstärkt in Telekommunikation und Infrastruktur, sowie in Immobilien", sagt China-Experte Tzogopoulos. Vielversprechend sei das Tourismusgeschäft, obwohl die Besucherzahlen eher bescheiden wirkten, erläutert der Analyst: "2012 kamen 12.000 Touristen aus China nach Griechenland, ein Jahr später waren es immerhin 28.000. Für 2014 erwarten wir einen deutlichen Zuwachs."
China auf Einkaufstour
In einem Gastbeitrag für die Athener Zeitung "Kathimerini" bekundet Li Keqiang deutliches Interesse an der Förderung chinesischer Investitionen in Straßen und Flughäfen, sowie in Eisenbahninfrastruktur, Logistik und Seeverkehr. Seit Jahren wird in Athen über eine Beteiligung Chinas an der Privatisierung der maroden Staatsbahn OSE spekuliert - was Peking weder bestätigt noch dementiert. Unbestritten ist dagegen, dass Chinas mächtiger Mann den Hafen von Piräus zum "besten Hafen im Mittelmeer" umbauen will. Großes Potential sieht er nach eigenen Angaben auch in der Meeresforschung, sowie im Umweltschutz.
"Die Chinesen handeln strategisch. Sie betrachten Griechenland als das östlichste Land des Westens und vor allem auch als ein Land, das ihnen wohlgesonnen ist", erklärt Jorgos Tzogopoulos im Gespräch mit der DW. Deshalb wolle China über Griechenland einen Zugang zu den europäischen Märkten bekommen. Das käme auch den Griechen entgegen, die in Krisenzeiten auf frisches Geld angewiesen seien, sagt der Analyst.
Schon seit langem engagiert sich China im Hafen von Piräus, einem Knotenpunkt für den Warenverkehr nach Osteuropa. 2009 leaste die Pekinger Staatsreederei COSCO einen Großteil der Hafenanlagen für 500 Millionen Euro und betreibt heute dort ihren größten Containerhafen außerhalb Asiens. Ihre Investition war von Anfang an umstritten: Der damalige Oppositionschef Giorgos Papandreou drohte, die Teilprivatisierung des Hafens im Fall eines Wahlsiegs rückgängig zu machen, ruderte allerdings als Regierungschef schnell zurück. Nun übernimmt die Linkspartei SYRIZA die Rolle des politischen Quertreibers und kritisiert den "Ausverkauf von Staatsvermögen".
Gewerkschaften in Lauerstellung
Derzeit wird der Schiffsanleger Pier 2 von COSCO betrieben. Dort konnte der Umschlag innerhalb weniger Jahre verdoppelt werden. Mit Pier 1 steht der staatlichen Hafengesellschaft OLP nur ein kleiner Teil des Geländes zur Verfügung. Da 67 Prozent von OLP zum Verkauf angeboten werden, könnte China wieder zuschlagen und dadurch die volle Kontrolle über den Hafen gewinnen. Dagegen laufen die Gewerkschaften Sturm: "Seit Jahren kämpfen wir für den Verbleib des Hafens in Staatsbesitz", erläutert Jorgos Gogos, Generalsekretär der Hafenarbeiter-Gewerkschaft, im Gespräch mit der DW. Für ein Engagement von COSCO sieht er keinen Bedarf, da der Hafenbetrieb ohnehin gewinnbringend sei: Allein 2013 hätte der staatlich betriebene Pier 1 einen Erlös von über acht Millionen Euro erwirtschaftet, sagt Gogos. Zudem klagt der Gewerkschafter über unwürdige Arbeitsbedingungen und niedrige Gehälter beim Großinvestor aus Fernost.
Jorgos Tzogopoulos hält die Reaktion der Gewerkschaften für übertrieben. Aus seiner Sicht sei der Einsatz von COSCO eine erfolgreiche Investition: "Trotz Krise wurde der Umschlag in Piräus deutlich erhöht", sagt der Analyst. Die Arbeitsbedingungen hätten sich nur insofern verschlechtert, als viele Menschen von ihren liebgewonnenen Privilegien Abschied nehmen müssten.
Derartige Vorwürfe seien doch Hirngespinste, meint Jorgos Gogos. Obwohl er selbst weiterhin für den Staat arbeite, habe er im Zuge der Wirtschaftskrise Einkommenskürzungen von bis zu 45 Prozent hinnehmen müssen - von Privilegien könne da keine Rede sein. "Wir kämpfen nicht um Privilegien, wir verteidigen unseren Job, damit wir unsere Familien ernähren können", klagt der Gewerkschafter.
Reeder leistet unerwarteten Beistand
Die Gewerkschaften bekommen Hilfe von unerwarteter Seite: Bei der jüngsten Kommunalwahl Ende Mai konnte Evangelos Marinakis, Spross einer Reederfamilie und Präsident des griechischen Fußballmeisters Olympiakos, die Geschicke von Piräus übernehmen und rüstet nun zum Kampf gegen den Verkauf des Hafens. Marinakis kandidierte allerdings "nur" für den Stadtrat - zum Spitzenkandidaten für das Bürgermeistermat hatte er seinen Vize-Chef bei Olympiakos, Jannis Moralis, gekürt. Wenige Tage nachdem er die Bürgermeisterwahl gewonnen hatte, äußerte dieser in einem Brief an Regierungschef Samaras grundsätzliche Bedenken gegen die Privatisierungspläne.
Den Verdacht einer Nähe zum Reeder weist Gewerkschaftsführer Jorgos Gogos weit von sich: "Ich würde nun wirklich nicht behaupten, dass unsere Ansichten übereinstimmen - ganz im Gegenteil. Nur in einem einzigen Punkt sind wir uns einig mit dem neuen Bürgermeister von Piräus: Der Hafen darf nicht privatisiert werden."
Auch vor Gericht kämpfen die Gewerkschaften gegen den Verkauf des Hafens. Eine diesbezügliche Klage hat das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands neulich "wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses" abgewiesen. Gogos lässt sich davon nicht entmutigen und reicht eine weitere Klage ein: Dort vertritt er den Standpunkt, der Vorstand der griechischen Privatisierungsbehörde sei nicht wirksam zustande gekommen und dürfe somit keine Entscheidungen über eine Teilprivatisierung des Hafens treffen.