Chinas Gier nach Öl und Stahl
9. März 2005Im vergangenen Jahr rückte China, das bevölkerungsreichste Land der Erde, erstmals zum zweitgrößten Ölimporteur nach den USA auf. Die Volksrepublik führte 40 Prozent mehr Öl ein als noch 2003 - insgesamt 120 Millionen Tonnen. Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Land zum drittgrößten Automarkt weltweit entwickelt. Rund ein Drittel des Ölbedarfs entfällt bereits heute auf den Kraftfahrzeug-Verbrauch.
Wo gibt es ausreichend Öl?
Bisher stammt der Großteil aller Ölimporte Chinas aus dem Mittleren Osten, unter anderem aus Saudi-Arabien, dem Iran und Oman. Um in Zukunft weniger abhängig von dieser Region zu sein, versucht China, in Zentralasien, Russland, Lateinamerika und Afrika neue Lieferquellen aufzutun. Im vergangenen Jahr reisten Vertreter der chinesischen Regierung und großer Ölfirmen quer durch die Welt und unterschrieben einen Vertrag nach dem anderen. Ziel ist es, die Ölversorgung des Landes zu sichern. Die politische Führung ist sich ihrer Verwundbarkeit durchaus bewusst, die sich durch die wachsende Abhängigkeit von Öl- und Rohstoffimporten ergibt.
Fast wahllos engagiert sich das Land überall dort, wo Öl vorhanden ist. Außenminister Li Zhaoxing verwahrte sich jedoch gegen den Vorwurf, China sei allein für die gestiegenen Ölpreise verantwortlich. "Es ist richtig, dass Chinas Importe in den letzten ein bis zwei Jahren gestiegen sind. Aber sie betragen nach wie vor nur sechs Prozent des gesamten Öls, das weltweit gehandelt wird", sagt Li Zhaoxing. "Wir können unsere Nachfrage nach Energie weitgehend mit den Ressourcen decken, die im eigenen Land vorhanden sind. Das wird auch in Zukunft so bleiben", meint der Minister.
Wo gibt es ausreichend Stahl?
Am Beispiel Stahl zeigt sich jedoch, dass Chinas wachsender Bedarf an Rohstoffen die Preise auf den Weltmärkten in die Höhe treibt. Zwar ist die Volksrepublik inzwischen der weltweit größte Produzent von Stahl, zugleich aber auch dessen größter Konsument. Im vergangenen Jahr wurden in China knapp 300 Millionen Tonnen Stahl hergestellt. Dennoch reichte die Menge nicht aus, um den Bedarf zu decken. Knapp 30 Millionen Tonnen mussten zusätzlich eingeführt werden. Peking betont allerdings, dass die Importe rückläufig seien und China bereits in wenigen Jahren zum Selbstversorger werde.
Klappt es mit der Selbstversorgung?
Bisher war es vor allem der Bauboom, der Herstellern im In- und Ausland volle Auftragsbücher und enorme Gewinnsteigerungen verschaffte. Mehr als die Hälfte des in China verbrauchten Stahls wird im Bau eingesetzt. Nun aber will Peking das Land so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit von Stahl-Importen befreien. Im Dezember 2004 genehmigte die chinesische Regierung den Neubau von drei großen Stahlwerken.
Läuft alles nach Plan, könnte China sich bereits in drei Jahren selbst versorgen. Woran es dem Land fehlt, ist Eisenerz. Das Nadelöhr sind also nicht die Produktionskapazitäten, sondern die Versorgung mit Rohstoffen. Kohle, Koks, Eisenerze und Schrott - China brauche von alledem soviel, dass es international zu Engpässen komme, klagt der Weltstahlverband. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Schätzungen zufolge konsumiert China im Jahr 2030 fast so viel Stahl wie alle anderen Länder zusammen.