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Chinas Interesse an der Arktis

Irene Quaile25. April 2012

Acht Länder sind Arktisanrainer. China gehört nicht dazu. Trotzdem bemüht sich das Land um Einfluss im hohen Norden. Denn dort schlummern Bodenschätze, die es zu schürfen gilt – sobald das Eis geschmolzen ist.

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The undated photo shows a member of China's third Arctic expedition helping drag the underwater robot "Arctic ARV" out of the Arctic Ocean. "Arctic ARV", the first underwater robot developed by China, has successfully completed its first investigation under ice at north latitude of 84 degrees. Xinhua /Landov +++(c) dpa - Report+++
Chinesische Expedition China ArktisBild: picture-alliance/dpa

Die Entscheidung des chinesischen Premiers Wen Jiabao, seine Europareise ausgerechnet im kleinen Island anzufangen und auch Schweden zu besuchen, mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen. Tatsächlich aber war dieser Entschluss nur konsequent. Denn der globale Klimawandel öffnet die einst unzugängliche Arktisregion für die Schifffahrt und die industrielle Erschließung.

Die Arktis erwärmt sich nach dem neusten Bericht des Arctic Monitoring Assessment Programms AMAP (2011) doppelt so schnell wie der Rest des Planeten. In absehbarer Zeit wird der arktische Ozean im Sommer eisfrei sein. Spätestens 2040, möglicherweise auch schon früher, schätzen Experten, werden dadurch kürzere kommerzielle Schiffsrouten zwischen Asien und Europa sowie zwischen Asien und Nordamerika entstehen. Im letzten Jahr nutzten internationale Unternehmen bereits verstärkt den nördlichen Seeweg entlang der russischen Küste, um Gas und andere Waren nach Asien zu transportieren.

China geht es um Schifffahrtsrechte, aber auch um die wertvollen Ressourcen, die unter dem Eis der Arktis schlummern. Etwa 13 Prozent der bislang unentdeckten Ölreserven und mindestens 30 Prozent der Gasreserven der Welt werden dort vermutet. Als weltgrößter Energieverbraucher ist China stark an diesen Ressourcen interessiert. Auch Gold, Diamanten, Zink und Eisen lagern in der Arktis.

Wem gehört die Arktis?

Fünf Länder gelten als Arktisländer: Kanada, die USA, Russland, Norwegen und Dänemark (mit Grönland und den Färöer Inseln). Finnland, Schweden und Island sind ebenfalls Mitglieder im Arktischen Rat, der Organisation, die sich mit der zukünftigen Entwicklung der Nordpolregion beschäftigt. China, Japan, Südkorea und die EU bemühen sich um den Status eines "permanenten Beobachters". Dafür müssen alle Mitglieder zustimmen. Entscheidungen werden ausschließlich durch die acht Mitglieder getroffen. Permanente Beobachter dürfen aber an den Verhandlungen teilnehmen.

Karte zeigt die zwei bisherigen Routen, Nordost- und Nordwestpassage und die evtl. zukünftige Zentralarktische Passage. --- DW-Grafik: Peter Steinmetz
Schifffahrtsrouten durch den Arktischen Ozean

Die Konvention der Vereinten Nationen über das Seerecht gewährt den Küstenstaaten das Recht auf eine ausschließliche Wirtschaftszone, die sich bis zu 320 Kilometer über das Landterritorium erstreckt. Wie weit sich ein Land erstreckt, hängt allerdings von der Größe des Kontinentalsockels unter dem Meer ab. So liegen noch Anträge mehrerer Länder vor, die ihre territorialen Ansprüche erweitern wollen. Die USA haben das Abkommen noch nicht ratifiziert.

Mit zunehmendem wirtschaftlichen Interesse haben die Arktisanrainer in den letzten Jahren auch ihre militärischen Aktivitäten im hohen Norden erhöht. Denn auch die Schifffahrtsrouten sind nicht unumstritten. Die Nordwestpassage, die die Entfernung zwischen Europa und Asien wesentlich verkürzen könnte, führt durch kanadisches Hoheitsgebiet. Kanada beansprucht das Gewässer als nationale Schifffahrtsroute. Die USA und die Europäische Union dagegen sehen das Gebiet als internationales Territorium.

Die Nordostpassage, die an der russischen Küste vorbeiführt, verkürzt die Entfernung zwischen Schanghai und Hamburg im Vergleich zur herkömmlichen Route über die Straße von Malakka und den Suezkanal um etwa 6400 Kilometer und die Reisezeit um über eine Woche. Russland ist daran interessiert, den Ausbau der Infrastruktur durch Transitgebühren zu finanzieren.

Laut Angaben des Journal of Energy and Security sind 46 Prozent des chinesischen Bruttosozialprodukts mit der Schifffahrt verbunden. 85 Prozent der Energieimporte kommen aus Übersee. Kein Wunder, dass sich China den Zugang zu diesen Seewegen sichern will.

Island als Partner oder Stützpunkt?

Bereits im letzten Jahr sorgte der Versuch des chinesischen Investors Huang Nubo, ein größeres Grundstück auf der wirtschaftlich gebeutelten Insel Island zu kaufen, für Aufsehen. Hinter den Plänen, eine Tourismusanlage zu bauen, vermutete man, China beabsichtige, einen Hafen oder sogar eine Marinebasis im hohen Norden zu errichten. Der Deal wurde von der isländischen Regierung blockiert. Der Investor hofft, das Projekt doch noch mit einem Pachtvertrag realisieren zu können.

Die russische Yacht Peter segelte 2010 durch die Nordost- und Nordwestpassage, Copyright: Crew of "Peter I", Zulieferer: Irene Quaile, eingepflegt: März 2011
Die Nordpolumrundung wird mit der globalen Erwärmung möglichBild: Crew of -Peter I-

Einerseits wird das chinesische Interesse an der Arktis mit Misstrauen gesehen. Gleichzeitig schätzen die skandinavischen Länder aber auch die Perspektiven für den Handel mit der Wirtschaftsmacht und erhoffen sich Zugang zu den boomenden chinesischen Märkten.

Forschung zur Erschließung des wirtschaftlichen Potenzials?

Seit 2004 unterhält China eine eigene Forschungsstation auf der arktischen Insel Spitzbergen, die zu Norwegen gehört. Das Land baut gerade einen riesigen Eisbrecher für den Einsatz in der Arktis - 2013 soll er fertig sein - und plant mehrere arktische Forschungsexpeditionen in den kommenden Jahren.

Bislang hat China noch keine offizielle Arktisstrategie veröffentlicht. Aber die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bereitet sich offensichtlich auf eine Schlüsselrolle bei der Erschließung der Arktis vor .

Cui Hongjian, Leiter der Europaabteilung des China Institute of International Studies, sagte Reportern vor der Reise des Premiers: "Länder in der Arktisregion wie Island, Russland, Kanada und einige europäische Länder wünschen sich vielleicht, die Arktis wäre privat oder sie hätten Priorität bei der Erschließung. Aber China besteht darauf, dass die Arktis allen gehört, genauso wie der Mond."

Die chinesische Arktisstation, Ny Alesund, Spitzbergen. *** Foto: Irene Quaile, Deutsche Welle, eingestellt im April 2012
Die chinesische Forschungsstation, Ny Alesund, SpitzbergenBild: DW/I. Quaile

Die Zeitschrift für Energiesicherheit zitiert chinesische Quellen, die offen behaupten, China als Land mit einem Fünftel der Erdbevölkerung habe ein Recht auf Zugang zu den Ressourcen der Arktis. Im Vorfeld der Europareise des Premiers betonte der stellvertretende Außenminister Song Tao, China respektiere die Souveranitätsrechte der Anrainerstaaten. "Wir hoffen auf eine Zusammenarbeit mit relevanten Ländern, darunter Island und Schweden, um einen Beitrag zu Frieden, Stabilität und nachhaltiger Entwicklung in der Arktis zu leisten". Einen Schritt weiter ist man schon: In Island unterschrieb Wen Jiabao Kooperationsvereinbarungen mit dem kleinen Inselstaat - unter anderem zur Erforschung der Arktis.

Bedrohung für die sensible Umwelt

Umweltschützer sehen das zunehmende wirtschaftliche Interesse an der Arktis mit Sorge. Es gibt keinen Vertrag wie denjenigen, der die Antarktis vor kommerzieller Ausbeutung schützt. Die Internationale Schifffahrts-Organisation (IMO) arbeitet an einem verbindlichen Polarkodex für die Region. Die Ausarbeitung der Umweltrichtlinien wurde allerdings auf 2013 verschoben. Diese Regeln seien absolut notwendig, um den erhöhten Schiffsverkehr sicherer und umweltverträglicher zu machen, erklärt Lars Erik Mangset von WWF Norwegen. "Es ist inakzeptabel, dass diese Regionen von globaler Bedeutung keinen Umweltschutz genießen, und dass kommerzielle Interessen vor der Entwicklung von Umweltschutzrichtlinien Vorrang haben sollten", so der WWF-Schifffahrtsexperte.

Selbst bei einer weitgehenden Eisschmelze würde die Region für die Schifffahrt oder für Bohrplattformen gefährlich bleiben. Schiffshavarien oder Öl- und Gasunfälle wären in diesen abgelegenen Regionen nur schwer beherrschbar.

Das Versicherungsunternehmen Lloyds hat in diesen Tagen einen Bericht über die Arktis herausgebracht, der die Bedenken der Umweltschützer unterstützt. "Die Konsequenzen einer Katastrophe in der Arktis könnten schlimmer sein als in anderen Regionen." Starke Regierungsführung, Risikomanagement und dringende Investitionen in die Arktisforschung seien notwendig, um die Risiken zu reduzieren.