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Chinas Militär prüft Zerstörung von Starlink

31. Mai 2022

Im Ukraine-Krieg zeigt Elon Musks Starlink bereits seinen strategischen Nutzen. Laut eines brisanten Papers soll Chinas Militär nach Wegen suchen, um das Satelliteninternet von SpaceX notfalls unschädlich zu machen.

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Illustration von SpaceX Starlink Satelliten im All
Starlink ist nicht nur ein ziviles Programm, es gibt auch ein Zusammenarbeit mit dem US-MilitärBild: Science Photo Library/imago images

Der strategische Nutzen von Starlink ist spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine klar: Über das Satellitennetzwerk von Elon Musks Raumfahrtfirma SpaceX können die Menschen in der Ukraine auch dort wieder einen Internetzugang herstellen, wo die russische Armee die Internet-Infrastruktur zerstört beziehungsweise nach Russland umgeleitet hat. Und auch das ukrainische Militär nutzt Starlink erfolgreich für die Koordination unter anderem von Drohnen.

Heftige Kritik zog sich Musk damit nicht nur von Russland zu. Auch China ist das Starlink-Satellitennetzwerk schon länger ein Dorn im Auge - nicht nur, weil es potentiell auch im totalitären China Menschen mit unabhängigen Informationen versorgen und ihnen eine zensurfreie Kommunikation ermöglichen könnte.

China fühlt sich bedroht

Nach chinesischer Darstellung gefährde Starlink schon jetzt chinesische Interessen. Bereits im vergangene Jahr hatte Peking SpaceX, Starlink und die USA für eine angebliche Gefährdung der chinesischen Raumstation heftig kritisiert. Demnach musste die Raumstation Tiangong bereits zweimal ihren Kurs ändern, um nicht mit Starlink-Satelliten zu kollidieren.

Chinesischer Astronaut beim Außeneinsatz an der Raumstation Tiangong
Zwei Starlink-Satelliten sollen 2021 der chinesischen Raumstation gefährlich nahe gekommen seinBild: Jin Liwang/dpa/XinHua/picture alliance

China müsse Strategien entwickeln, das Satelliteninternet Starlink gegebenenfalls zerstören zu können, denn Starlink berge Risiken und Gefahren für die Souveränität und die nationale Sicherheit Chinas, heißt es in einem Paper von Forschern des Pekinger Instituts für Tracking und Telekommunikation, das zur Volksbefreiungsarmee gehört.

Das brisante Paper war jüngst im chinesischen Journal für moderne Verteidigungstechnologie veröffentlicht worden, verschwand dann aber wieder aus der Onlinedatenbank, nachdem die Zeitung South China Morning Post darüber berichtet hatte. Zwar ist das Paper nicht mehr in der Onlinedatenbank  zu finden, aber den übersetzen Inhalt hat der ehemalige US-Diplomat David Cowhig hat auf seinem Blog publiziert.

China soll gerüstet sein

Damit sich Starlink nicht zu einem ernsthaften Problem für die nationale Sicherheit Chinas entwickeln kann, sollte nach Auffassung der Forschenden im Dienste der Volksbefreiungsarmee Überwachungssysteme mit bisher nicht erreichter Genauigkeit entwickelt werden, die jeden einzelnen Satelliten im Erdorbit tracken, also nachverfolgen, können - aber nicht nur das.

Das Überwachungssystem solle auch in der Lage sein, die Signale eines jeden Satelliten abzufangen und ihn so unschädlich zu machen. Im Bedrohungsfalle sollen nicht nur einzelne Satelliten eines dezentralen Systems ausgeschaltet werden. Das künftige Überwachungssystem solle so effizient sein, dass es gegen das gesamte System gerichtet werden kann, heißt es laut South China Morning Post in dem Paper.

Private Konkurrenz im All

Natürlich hat das Wettrüsten im All längst begonnen, insofern verrät das Paper keine Geheimnisse. Aber es offenbart sehr deutlich, wo China noch Defizite bei der Verteidigung seiner Interessen sieht. Und dass Peking nach Möglichkeiten sucht, wie es das leistungsstarke Kommunikationssystem Starlink ausschalten kann.

Starlink - Internet aus dem All für alle?

Denn neben den staatlich betriebenen Raumfahrtprogrammen sind in den letzten Jahren auch private Anbieter im All aufgetaucht, da die Kosten für Weltraumstarts und für kompakte Hochleistungssatelliten in den letzten Jahren drastisch gesunken sind. Allein SpaceX hat seit 2019 rund 2300 seiner Satelliten ins niedrige Erdorbit gelauncht. Ziel es es, das Netzwerk auf bis zu 42.000 Satelliten auszubauen. Einen entsprechenden Antrag hat SpaceX bereits bei der zuständigen Federal Communications Commission (FCC) in den USA gestellt.

Herausforderung für Abwehr

Bereits während des Kalten Krieges entwickelten sowohl die USA als auch die Sowjetunion ab Mitte der 1950er Jahre Antisatellitenwaffen. Und inzwischen hat auch die aufstrebende Weltmacht China Raketensysteme zur Bekämpfung von Objekten in der Erdumlaufbahn entwickelt und getestet.

Allerdings stellen die vielen neuen Satelliten die Abwehr vor gewaltige Probleme. Zwar könnte man die Satelliten mit elektromagnetischen Impulswaffen oder Mikrowellenattacken außer Gefecht setzen. Aber das würde auch die eigenen Satelliten treffen und könnte auch auf der Erde Stromnetze oder andere Teile der sensiblen Infrastruktur lahm legen.

Alternativ könnten Satelliten mit Flugkörpern bzw. Anti-Satelliten-Raketen gezielt zerstört werden, aber das würde so viele Trümmerteile in der Erdumlaufbahn erzeugen, dass auch andere Satelliten und die gesamte Raumfahrt gefährdet wären.

Auch deshalb staunte die Fachwelt nicht schlecht, als China Anfang des Jahres einen Weltraum-Greifer einsetzte, der gezielt einen alten Satelliten einfing und ins weit entfernte Regionen im All verfrachtete. 

Infografik Weltraumtrümmer in der Erdlaufbahn DEU

Starlinks militärische Zusammenarbeit

Auch wenn das privatwirtschaftlich betriebene Starlink-Projekt behauptet, ein ziviles Programm zur Bereitstellung von Hochgeschwindigkeits-Internetdiensten zu sein, hat es doch spätestens durch den Einsatz in der Ukraine seinen militärischen Nutzen unter Beweis gestellt. 

Dass Starlink bereits mehrfach mit dem amerikanischen Militär zusammengearbeitet hat, darauf weißt auch der ehemalige US-Diplomat David Cowhig in seinem Blog hin.

Bereits 2019 erhielt SpaceX Mittel von der US-Luftwaffe, um zu testen, wie gut sich die Starlink-Satelliten verschlüsselt mit Militärflugzeugen verbinden können, so Cowhig. Im Mai 2020 unterzeichnete die US-Armee eine Vereinbarung mit SpaceX über die Nutzung des Starlink-Breitbandnetzes zur Übertragung von Daten über militärische Netze. Im Oktober 2020 erhielt SpaceX einen 150-Millionen-Dollar-Vertrag zur Entwicklung von Satelliten für militärische Zwecke. Im März 2021 kündigte das Unternehmen an, mit der US-Luftwaffe zusammenzuarbeiten, um das Starlink-Internet weiter zu testen.

Ziel der Zusammenarbeit sei es, schreibt Cowhig, dass "die Starlink-Satelliten mit Aufklärungs-, Navigations- und meteorologischen Geräten bestückt werden, um die Kampffähigkeit des US-Militärs in Bereichen wie Fernerkundung, Kommunikationsrelais, Navigation und Positionierung, Angriff und Kollision sowie Weltraumschutz zu verbessern."

Auch die Autoren des wieder gelöschten Papers mutmaßen, dass gemeinsam mit den Starlink-Satelliten auch Satelliten oder Satellitenteile des US-Militär ins All geschossen wurden, die nur durch eine verbesserte Überwachungstechnologie durch China entdeckt werden könnten.

Sorge vor Kontrollverlust

Privatwirtschaftlichen Ambitionen im All wie Starlink könnten mittelfristig aber nicht nur für totalitäre Staaten oder strategische Rivalen ein massives Problem darstellen. Was etwa, wenn das private Starlink-Projekt nach Fertigstellung meistbietend verkauft wird und in die falschen Hände gelangt?

Schon die Bereitstellung von Starlink für die Ukraine samt Lieferung der nötigen Empfangsanlagen fand als öffentliche Absprache zwischen dem texanischen Geschäftsmann Elon Musk und Mykhailo Fedorov, ukrainischer Vize-Premier und Minister für digitale Transformation, über den privaten Bloggingdienst Twitter statt. Also ohne öffentliche Debatte und ohne jegliche Kontrolle durch Parlamente.

Entsprechend wäre es nicht überraschend, wenn nicht nur in China über Maßnahmen diskutiert würde, wie mit Starlink und anderen Satellitennetzwerken in Zukunft umzugehen ist.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund