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Chinas neue Führung ein Jahr im Amt

Matthias von Hein, Yan Jun, Cao Haiye4. März 2014

Der diesjährige Nationale Volkskongress in Peking wird von Beobachtern als erste Prüfung für das Konzept des starken Mannes Xi Jinping gesehen: Begrenzter Wandel und Reformen durch Zentralisierung.

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China Hu Jintao und Xi Jinping
Bild: picture alliance/Photoshot

Die Tagung der chinesischen Volksvertreter (Beginn: 05.03.2014) wird auch von der Bevölkerung als Schauveranstaltung wahrgenommen. Da werden Dokumente und Gesetze verabschiedet, die vorher schon von der Partei beziehungsweise der Regierung abgesegnet wurden. Doch diesmal hat man mit einer neuen Führung zu tun, deren Arbeitsteilung sich verändert hat. So meldet sich Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping (im Bild oben rechts, mit Ministerpräsident Li Keqiang) auch in der Wirtschaftspolitik deutlich zu Wort, die traditionell zur Kernkompetenz des Ministerpräsidenten gehört.

"Die maßgebliche Politik wird inzwischen in der Partei gemacht und nicht so sehr in der Regierung", sagt Professor Sebastian Heilmann von der Universität Trier, zurzeit Direktor des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. Xi Jinping sitzt mehreren wichtigen Komitees der KP-Zentrale vor, die zuständig sind für Reformen, Staatssicherheit sowie Internetsicherheit, die letzten zwei wurden erst vor kurzem eingerichtet. Eine solche Machtkonzentration hat es in der chinesischen Führung seit langem nicht gegeben.

"Ein starker Zentralisierungsdrang der Führung ist klar zu erkennen", sagt Heilmann. "Bisher war es so, dass viel Spielraum gelassen wird für regionale Initiativen, für Änderungen von Vorlagen der Regierung, was Gesetze angeht. Davon werden wir nicht viel sehen."

Testfall für das neue Duo

Eine wichtige Aufgabe des Volkskongresses wird die Umsetzung des Parteiprogramms vom vergangenen Jahr sein. Im November hatte das ZK-Plenum einen ambitionierten Reformplan für die Wirtschaft beschlossen. Es geht um die Deregulierung und weitere Öffnung des Marktes, zum Beispiel in der Finanzbranche. Aber da steckten auch die großen Risiken, meint Heilmann: "Man will Finanzmarktliberalisierung, mehr Markt, mehr Konkurrenz in allen Bereichen der Wirtschaft. Das ist sehr riskant, wenn man ein Finanzsystem vor Augen hat, das aufgepumpt ist durch Kredite und Immobilienblasen."

China Hong Kong Demonstration für Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung
Die Pressefreiheit bleibt bis auf Weiteres auf Hongkong beschränktBild: REUTERS

Premier Li Keqiang, im Prinzip weiterhin zuständig für die Wirtschaftspolitik, wird auf der Tagung seinen ersten Regierungsbericht abgeben. Der Rechenschaftsbericht werde sehr defensiv ausfallen, sagt Heilmann voraus: "Er muss im Grunde die Übergangssituation erklären, wo man sagt: Wir wollen weg vom starken Wachstum, wollen von der Exportabhängigkeit weg. Es muss Werbung sein für das Reformpaket des Zentralkomitees."

Und dagegen gibt es durchaus Widerstände. Deswegen sei dieser Volkskongress auch ein Testfall für das Duo Xi-Li. "Wenn da nicht eine ganze Batterie von neuen Reformgesetzen verabschiedet wird, dann können wir daraus mit einiger Sicherheit lesen, dass es knirscht", meint China-Wissenschaftler Heilmann.

Drängendes Thema Umwelt

Der Hongkonger Publizist, Chefredakteur des Politikmagazins "Kai Fang" (Öffnung), Jin Zhong, liest in die NVK-Tagung nicht so viel Ausagekraft hinein: "Nicht alles, was das ZK-Plenum Ende 2013 beschlossen hat, wird jetzt während der NVK-Tagung in Gesetzesform gegossen." Der Reformplan des ZK-Plenums habe sehr viele Problemfelder angesprochen, deren jeweilige Priorität noch unklar sei.

Smog in Peking
Umweltprobleme stehen auf der chinesischen Agenda wie niemals zuvorBild: STR/AFP/Getty Images

Knapp 3000 Delegierte aus allen Landesteilen sind in Peking eingetroffen, um am Volkskongress teilzunehmen. Im Plenum wird erfahrungsgemäß kaum diskutiert. Dafür tauschen sich die Delegierten in den Fluren und Sitzungssälen aus. Gesundheit, Umwelt und Sozialsysteme dürften vorherrschende Themen für Delegierte aus der Stadt sein, glaubt Professor Heilmann, während sich die Vertreter vom Land eher um Bodenreform, Landnutzung, das Urbanisierungsprogramm und die umstrittene Wohnortregistrierung (Hukou) Gendanken machen dürften.

"Korruption, Reformstau und die Luftverschmutzung in Städten wie Peking sind die wichtigsten Themen", vermutet Jin Zhong. In den vergangenen Wochen lag Peking unter einer dicken Smog-Glocke. Rechtzeitig zum Volkskongress haben günstige Winde und Regen in Peking für halbwegs saubere Luft gesorgt. In den Großstädten ist die Luftqualität das dominierende Thema des Alltagslebens. Xi Jinping unternahm vor eine Woche, auf dem Höhepunkt des Smogs, einen Spaziergang in der Pekinger Altstadt, was sofort zum Medienereignis wurde. Doch außer dieser Art von Demonstration der Volksnähe und Solidarität mit den Mitbürgern hat der neue starke Mann Chinas auch noch kein Konzept gegen die dicke Luft anzubieten.