1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chinas Notenbank senkt Zinsen

15. August 2022

Die chinesische Zentralbank versucht mit Zinssenkungen die Konjunktur zu stützen. Corona-Lockdowns und die Folgen der Immobilienkrise machen der Wirtschaft zu schaffen, Einzelhandel und Industrie schwächeln.

https://p.dw.com/p/4FXHe
Chinesische Zentralbank Hauptsitz Peking 2014
Hauptsitz der chinesischen Zentralbank "People's Bank of China" in PekingBild: Reuters/Petar Kujundzic

Chinas Zentralbank stemmt sich mit der überraschenden Senkung wichtiger Zinssätze gegen die Konjunkturflaute im Zuge der Corona-Krise. Sie kappte am Montag unter anderem den Referenzzins für einjährige Darlehen an einige Finanzinstitute (MLF) auf 2,75 von zuvor 2,85 Prozent. Damit sollen die Kreditkosten für Firmen gedrückt und so die Konjunktur angekurbelt werden.

Auch der Schlüsselsatz für sogenannte Reverse-Repo-Geschäfte senkte die Notenbank am Montag auf 2,0 von zuvor 2,10 Prozent. Dieser dient dazu, die Liquidität im Bankensystem zu kontrollieren. Es war bereits die zweite Senkung um zehn Basispunkte bei diesen Zinssätzen in diesem Jahr.

Chinas Wirtschaft kämpft derzeit mit zahlreichen Problemen. Im Frühjahr legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vor allem wegen harter Corona-Lockdowns nur um magere 0,4 Prozent zu.

Immobilienkrise und Corona-Politik belasten

Es wird damit gerechnet, dass das von der Regierung ausgegebene Wachstumsziel von 5,5 Prozent für dieses Jahr nicht gehalten werden kann - auch, weil der Immobiliensektor schwächelt und die Verbraucher sich mit Ausgaben zurückhalten.

Wegen der Corona-Beschränkungen ist die Industrieproduktion im Reich der Mitte im Juli deutlich langsamer gewachsen als erwartet. Die Fertigung legte um 3,8 Prozent zum Vorjahresmonat zu und verlangsamte sich damit gegenüber dem Plus von 3,9 Prozent im Juni. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten für Juli dagegen ein wesentlich stärkeres Wachstum von 4,6 Prozent erwartet.

China Protest vor der Volksbank von Zhengzhou
Kunden protestieren im Juli vor einem Gebäude der chinesischen Zentralbank in Zhengzhou, nachdem regionale Banken ihre Konten eingefroren hattenBild: REUTERS

Wie das Pekinger Statistikamt am Montag berichtete, verlangsamte sich auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze im Juli im Vergleich zum Vorjahr auf 2,7 Prozent, nachdem sie im Vormonat noch um 3,1 Prozent zugelegt hatten. Damit wurde auch die Prognose der Analysten von einem Wachstum um 5,0 Prozent verfehlt. 

"Geldpolitik verliert an Zugkraft"

Es bestehen weiter Risiken für Chinas Konjunktur, da viele Städte, darunter wichtige Produktionszentren und beliebte Touristenorte wie die Tropeninsel Hainan, im Juli erneut Lockdowns zur Eindämmung eines Omikron-Ausbruchs verhängten.

"Dies sind weitere Anzeichen dafür, dass die Wachstumsdynamik nach dem Shanghai-Lockdown rasch nachlässt", sagte Alvin Tan, Stratege bei RBC zu den aktuellen Wirtschaftsdaten aus China: "Die Geldpolitik verliert an Zugkraft, abgesehen möglicherweise vom Wechselkurs, wobei die Exporte der einzige Lichtblick in der Wirtschaft sind."

Viele Analysten äußerten sich ähnlich skeptisch. Die Konjunkturdaten unterstrichen die anhaltend dämpfenden Auswirkungen der Covid-Restriktionen auf die chinesische Wirtschaft, schrieben die Analysten der Dekabank. Die Zinssenkung der chinesischen Zentralbank allein dürfte nur wenige Impulse geben, lautet ihr Fazit.

Chinesen sparen statt zu konsumieren 

Die aktuellen Zinssenkungen hätten nicht das Zeug, messbare wirtschaftliche Auswirkungen zu erzeugen, urteilten Experten des Analysehauses Jefferies. Die Maßnahmen seien lediglich eine Reaktion auf die niedrigen Konsumausgaben, die sich in sehr hohen Spareinlagen widerspiegelten. Chinesische Banken häuften damit Einlagen in alarmierendem Tempo an, da den Fachleuten zufolge sowohl Unternehmen als auch Haushalte aktuell "übersparen".

Symbolbild Dollar Yuan Währung Wechselkurs
Chinas Währung Yuan ist zuletzt gegenüber dem US-Dollar unter Druck geraten Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/X. Zhengyi

Die Konjunktur leidet darunter, dass Peking nicht von seiner "Null-Corona-Politik" abrückt. Diese hat zum Ziel, jeden Ausbruch im Keim zu ersticken. Zahlreiche Millionenstädte hatten besonders im Frühling strenge Maßnahmen verhängt, um die Verbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante zu verhindern. Auch Probleme auf dem Immobilienmarkt belasten das Wachstum in China.

Der Spielraum für weitere Lockerungen der chinesischen Geldpolitik ist darüber hinaus Experten zufolge begrenzt. Sowohl die tonangebende US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank haben bereits einen neuen Zinserhöhungszyklus begonnen, um die hohe Inflation zu bekämpfen. Dies hat die Sorge geweckt, dass Kapital aus China in die USA abfließt und damit die chinesische Währung Yuan geschwächt wird.

Angst vor Kapitalabfluss

Diese geriet zu Wochenbeginn gegenüber dem US-Dollar unter Druck. Begrenzt werden die Möglichkeiten der chinesischen Notenbank auch durch die erhebliche Verschuldung vieler öffentlicher Unternehmen und der Provinzregierungen.

Der Direktor des China Chief Economist Forum, Wang Jun, sieht nur noch begrenzte Möglichkeiten für die Wirtschaftslenker in der Volksrepublik, die Konjunktur anzuschieben. Auch wenn die Kreditvergabe erleichtert werde, seien Firmen und Verbraucher in der aktuellen Situation sehr vorsichtig, noch weitere Verbindlichkeiten aufzunehmen: "Einige zahlen ihre Schulden vorfristig zurück. Das könnte der Vorbote einer Rezession sein", warnte der Ökonom.

tko/ hb (rtr, dpa)