Chinas Wachstumsmotor stottert
24. Oktober 2022Die wirtschaftliche Erholung in China bleibt auf wackeligen Beinen. Wie das Pekinger Statistikamt am Montag mitteilte, legte das Wachstum im dritten Quartal um 3,9 Prozent zum Vorjahreszeitraum zu. Damit hat sich die Wirtschaft stärker erholt als erwartet. Im zweiten Quartal war die zweitgrößte Volkswirtschaft lediglich um 0,4 Prozent gewachsen. Allerdings deuteten weitere am Montag veröffentlichte Konjunktur- und Handelszahlen auf ein durchmischtes Bild der Lage hin.
Zwar steigerte die Industrie zuletzt ihre Produktion überraschend stark. Chinas strenge Null-Corona-Politik - die immer wieder mit harten Lockdowns auch in wirtschaftlich wichtigen Zentren einhergeht - und globale Rezessionsrisiken infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine bedrohen allerdings den Aufschwung.
Von Reuters befragte Ökonomen trauen der Volksrepublik in diesem Jahr nur ein Wachstum von 3,2 Prozent zu. Damit würde China wirtschaftlich eines der schwächsten Wachstumsjahre seit fast einem halben Jahrhundert erreichen.
Xi Jingping gibt sich optimistisch
Die Daten waren mit Spannung erwartet worden, weil Peking ihre Veröffentlichung in der vergangenen Woche überraschend verschoben hatte. Die Behörden lieferten keine Begründung für den Schritt. Beobachter gingen jedoch davon aus, dass die Entscheidung mit dem gleichzeitig laufenden Parteikongress in Peking zusammenhing, der am Samstag endete.
Der am Wochenende für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas bestätigte Präsident Xi Jinping geht davon aus, dass sein Land auf Wachstumskurs bleibt. "Die chinesische Wirtschaft hat eine große Widerstandsfähigkeit, ein großes Potenzial und einen großen Spielraum", sagte Xi am Sonntag vor Reportern. "Ihre starken Fundamentaldaten werden sich nicht ändern, und sie wird auf lange Sicht auf einem positiven Pfad bleiben."
Arbeits- und Immobilienmarkt
Die offiziell erfasste Arbeitslosenquote in den Städten stieg im September ungeachtet des höheren Wachstums auf 5,5 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Juni. Bei Arbeitssuchenden zwischen 16 und 24 Jahren liegt sie sogar bei 17,9 Prozent.
Die Preise für neue Häuser sanken im September bereits zum zweiten Mal in Folge gegenüber dem Vormonat, was die anhaltende Zurückhaltung der Hauskäufer in diesem wirtschaftlich wichtigen Sektor widerspiegelt. Viele verschuldete Bauträger ringen darum, ihre Projekte fristgerecht liefern zu können.
Exporte gebremst
Zudem hat die schwache globale Nachfrage das chinesische Exportwachstum weiter abgebremst. Die Ausfuhren legten im September in US-Dollar berechnet nur noch um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie der chinesische Zoll am Montag berichtete.
Im Vormonat hatte die Exportmaschinerie auch schon an Schwung verloren und nur einen Zuwachs von 7,1 Prozent erreicht. Auch die Einfuhren legten im September wie im Vormonat nur um 0,3 Prozent zu. Die Ausfuhren entwickelten sich nur leicht besser als von Experten vorhergesagt, die Importe hingegen etwas schlechter.
Als Gründe für das gebremste Wachstum des chinesischen Außenhandels nannten Experten die hohe Inflation in vielen Ländern und steigende Zinsen, die auf der Weltwirtschaft lasteten. In China verlangsame die geringe heimische Nachfrage die Importentwicklung, hieß es weiter. Während die chinesische Industrieproduktion im September deutlich um 6,3 Prozent zulegte, fiel das Wachstum der Einzelhandelsumsätze mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent langsamer aus als erwartet worden war.
Weltbank: China wird Wachstumsziel verfehlen
Die Regierung wird das ursprüngliche Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent für dieses Jahr voraussichtlich weit verfehlen. Die Weltbank rechnet nur noch mit 2,8 Prozent. Das wäre nach dem ersten Jahr der Pandemie 2020 erst das zweite Mal seit vier Jahrzehnten, dass das Wachstum in China so niedrig ausfällt.
Viele Anleger reagierten am Montag zunächst entsetzt auf die Zahlen. An der Börse in Hongkong fiel der Hang Seng Index der wichtigsten Werte zunächst um 4,99 Prozent auf ein 13-Jahres-Tief. Am Mittag lag er bei 15.401 Punkten, das war der niedrigste Wert seit 2009 in der Finanzkrise. In Shanghai fiel der Index zunächst nur um 0,89 Prozent.
Schon nach der Bestätigung von Staatspräsident Xi Jinping für eine dritte Amtszeit an der Spitze der Kommunistischen Partei haben die chinesischen Börsen kräftig nachgegeben. Anleger befürchten, dass die von Xi neu ernannte Führungsriege die Wirtschaftspolitik mehr aus ideologischer Sicht vorantreibt und marktfreundlichere Stimmen künftig fehlen.
Der Immobilien- und Technologiesektor sollen künftig wesentlich stärker reguliert werden. Die in Hongkong notierten Aktien der Tech-Giganten Alibaba und Tencent stürzten entsprechend um zehn beziehungsweise acht Prozent ab und drückten den Sektorindex um sieben Prozent auf ein Rekordtief. Auch der Index der chinesischen Bauunternehmen fiel um neun Prozent.
iw/hb (rtr, dpa, afp)