Chinas Zentralbank will Wirtschaft mit Zinssenkung stärken
24. September 2024Mit ihrem bislang umfassendsten Maßnahmenpaket seit der Coronavirus-Pandemie will die Zentralbank Chinas der Wirtschaft der Volksrepublik zu neuem Schwung verhelfen. Der Gouverneur der Bank, Pan Gonsheng, kündigte unter anderem eine Senkung der Mindestreserve für die Banken sowie der Zinsen für bestehende Immobilienkredite an. Zudem soll bei einem zweiten Wohnbau-Darlehen die Quote für die Mindestanzahlung von 25 Prozent auf 15 Prozent sinken. Damit sollen der Konsum gestärkt und die Krise im Immobiliensektor gelindert werden.
Chinas Wirtschaft hat sich von den strikten Maßnahmen der Coronapandemie noch immer nicht erholt. Der Binnenkonsum ist schwach, und die Arbeitslosigkeit besonders unter jungen Menschen ist hoch. Zudem drückt eine Immobilienkrise schon länger auf die Wirtschaftsleistung. Ein angekündigtes Programm zum Rückkauf leerstehender Wohnungen durch den Staat zeigte bislang wenig Wirkung.
Die Krise in dem Sektor, der lange ein wichtiger Wachstumstreiber war, trägt obendrein zum schwachen Konsumverhalten in China bei. Denn viele Menschen investierten ihr Erspartes lange in Immobilien und mussten seit längerem einen Wertverlust fürchten. Die Haushalte hielten deshalb ihr Geld für unsichere Zeiten zusammen, anstatt es auszugeben.
Kampf gegen die Deflation
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt kämpft zudem gegen deflationäre Tendenzen, also gegen eine Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Konsum - sowie Inflationszurückhaltung, die der Wirtschaft schadet. Trotz einer Reihe von stimulierenden Maßnahmen ist es der Regierung bisher nicht gelungen, das Wachstum stärker anzuschieben.
Banken sollen außerdem weniger Bargeld vorhalten müssen als bisher. Diese verpflichtende Mindestreserve werde "sehr bald um 0,5 Prozentpunkte gesenkt", sagte Pan. Damit können Banken mehr Kredite an Unternehmen vergeben, womit zusätzlich rund eine Billion Yuan (rund 128 Milliarden Euro) in den Finanzmarkt fließen kann.
Außerdem sollen laut Zentralbank die Zinssätze für bestehende Immobiliendarlehen sinken. Das werde "50 Millionen Haushalten und etwa 150 Millionen Menschen" zugutekommen und den Konsum und die Investitionen ankurbeln, betonte der Gouverneur. Ferner ist ein Aktienfonds geplant, um die Börsenmärkte zu stabilisieren. Die Zentralbank nannte keinen genauen Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Maßnahmenpakets.
Wachstumsziel in Gefahr?
Die Zentralbank verantwortet die Währungs- und Geldpolitik in China. Ihre Maßnahmen sollen ein stabiles Wirtschaftswachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt unterstützen. Die Zentralbank sieht sich anscheinend zum Handeln gezwungen, da sich die Annahmen mehren, China könnte sein angepeiltes Wachstumsziel von ungefähr fünf Prozent verfehlen.
Die chinesischen Börsen reagierten positiv auf die Ankündigung aus Peking. Die Finanzplätze in Hongkong, Shanghai und Shenzhen legten um jeweils mehr als vier Prozent zu. Auch die europäischen Börsen lagen am Morgen leicht im Plus.
Verhaltene Reaktionen von Fachleuten
Bei einigen Wirtschaftsexperten ist der Optimismus jedoch etwas verhaltener. Das Paket sei ein Schritt in die richtige Richtung, werde aber womöglich nicht ausreichen, um das Wachstumsziel zu erreichen, sagte Julian Evans-Pritchard vom Forschungsunternehmen Capital Economics. Nötig sei außerdem eine robustere Steuerpolitik, um die Nachfrage wirklich anzukurbeln, sagte Raymond Yeung von der ANZ Bank.
"Viele Marktteilnehmer haben darauf gewartet, und die chinesische Notenbank hat nun erneut geliefert", kommentierte Sandro Pannagl von der Landesbank Baden-Württemberg. "Dass auch der Aktienmarkt erneut in den Fokus genommen wird, zeigt die Entschlossenheit der Währungshüter, die schlechte Stimmung in der gesamten Wirtschaft adressieren zu wollen."
Indirekte Hilfe der US-Notenbank
Das Maßnahmenpaket der chinesischen Währungshüter kommt etwa eine Woche, nachdem in den USA die Federal Reserve mit einer ungewöhnlich großen Zinssenkung die Kurswende eingeleitet hat. Das ermöglichte der Notenbank in Peking, ein umfassendes Lockerungspaket anzukündigen, ohne dabei die Landeswährung zu starkem Druck auszusetzen.
In Japan signalisierte unterdessen die Notenbank ihre Bereitschaft zu Zinserhöhungen. Sollte sich der Inflationstrend wie erwartet beschleunigen, werde die Geldpolitik gestrafft, sagte Notenbankchef Kazuo Ueda am Dienstag in Osaka. Viele Experten erwarten, dass die japanischen Währungshüter nach den Zinserhöhungen vom März und Juli nachlegen werden, womöglich im Dezember.
kle/pg (afp, rtr, dpa)