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Trojaner im Kanzleramt

Andreas Leixnering28. August 2007

Medienberichten zufolge schnüffeln sich Chinas Geheimdienste durch die Festplatten deutscher Ministerien. Für Angela Merkel war das kaum ein Thema in Peking. Auch Sicherheitsexperten halten die Aufregung für übertrieben.

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Homepage von Angela Merkel
Stiehlt China Daten von PCs des Bundeskanzleramts?Bild: AP

Für seine Titelstory "Die gelben Spione" hatte "Der Spiegel" am Montag (27.8.) den perfekten Zeitpunkt abgepasst. Die Geschichte über chinesische Hackerangriffe auf deutsches Bundeskanzleramt, Außen-, Wirtschafts- und Forschungsministerium präsentierte das Nachrichtenmagazin pünktlich zum Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Peking.

160 Gigabyte Daten - gestoppt auf dem Weg nach China

Tastatur vor Computerbildschirm
Trojaner installieren sich unbemerkt und können oft selbst von Spezialisten nicht enttarnt werdenBild: BilderBox

Dabei habe der Verfassungsschutz die Regierung laut "Spiegel" bereits im Mai unterrichtet, dass Hacker der chinesischen Volksbefreiungsarmee via Umleitung über Südkorea Ausspähprogramme, so genannte Trojaner, auf deutschen Regierungsrechnern platziert hätten. In der "größten digitalen Abwehrschlacht der Republik" hätten Experten die Übermittlung von 160 Gigabyte sensibler Informationen nach China verhindert. Welche und wie viele Daten zuvor schon übermittelt wurden, sei nicht klar.

Berlin gibt sich entspannt

Zwar habe es Angriffe gegeben, aber eine chinesische Herkunft wollte die Regierung nicht bestätigen. Und die deutsche Kanzlerin zeigte sich in Peking wenig aufgeregt. Dort brachte Angela Merkel das heikle Thema am Montag allenfalls indirekt vor. Sie mahnte "zur Einhaltung gemeinsamer Spielregeln und gegenseitigen Respekt" an. Der Schutz geistigen Eigentums sei unabdingbar.

Angela Merkel und Wen Jiabao (Quelle: AP)
Angela Merkel und Wen Jiabao hatten andere Themen als die Hacker-AngriffeBild: AP

Auffällig bemüht gab sich hingegen Ministerpräsident Wen Jiabao, der den Spiegel-Bericht schon kannte. Er versprach eine harte Bestrafung von Cyber-Kriminellen und forderte gleich ein internationales Bündnis gegen Computer-Spionage. "Die Bekämpfung der Hacker ist eine Aufgabe, vor der die Weltgemeinschaft gemeinsam steht", so Wen nach dem Gespräch mit Merkel. Die deutsche Wirtschaft warnte sogleich vor Panikmache. "Wir dürfen nicht sagen, China ist an allem schuld", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, der "Financial Times Deutschland".

Schnüffelattacke auf Regierungscomputer alter Hut?

Selbst bei deutschen Experten für Informationssicherheit und Geheimdienstlern taugt die digitale Schnüffelei auf PCs von Ministerien nicht recht als Aufreger. "Dass auch Regierungsstellen solchen Angriffen ausgesetzt sind, ist nicht Neues", wiegelt Burkhard Freier ab. Der Spezialist für Wirtschaftsspionage beim Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen kann hier keine neue Qualität erkennen. So sieht es auch Felix Juhl, Geschäftsführer der Gesellschaft für technische Sonderlösungen (GTS) und anerkannter Experte in Sachen IT-Sicherheit: "Jeder der ein bestimmtes Know-How besitzt, kann Ziel von Spionageaktivitäten werden."

Verfassungsschutz: China spioniert besonders häufig

Eine elektronische Verschlüsselung sensibler Daten reicht heute nicht mehr
Eine elektronische Verschlüsselung sensibler Daten reicht heute nicht mehrBild: DW-TV

Dass besonders China eifrig schnüffelt, wenn es um das Know-How fremder Unternehmen gehe, ist für Burkhard Freier vom Verfassungsschutz kein Geheimnis. "Dabei können wir oft von staatlicher Unterstützung ausgehen", so Freier im Gespräch mit DW-WORLD. Einmal seien die Hacker-Operationen nicht ohne enorme finanzielle und technische Mittel möglich. Zweitens lasse das Vorgehen oft die Handschrift chinesischer Nachrichtendienste erkennen, wie sich im Gespräch mit betroffenen Unternehmen herausstelle. "Aber gerichtsfeste Beweise für den Nachweis von Wirtschaftspionage gibt es hingegen fast nie", sagt Freier. Noch seltener sei zu klären, ob die Schnüffler Geheimdienste oder Konkurrenzunternehmen sind.

Schützen muss sich jeder selbst - egal ob Behörde oder Unternehmen

Welche Informationen auf den Behörden-Festplatten von Interesse waren, wurde nicht bekannt. Auch nicht welche Folgen deren Diebstahl hätte.Jedenfalls freute sich der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Montag, die Bundesregierung sei gegen Angriffe auf ihr Kommunikations- und Datensystem gerüstet, ohne auf den konkreten Fall einzugehen.

Das empfehlen Sicherheitsfachleute auch dringend der privaten Wirtschaft, denn hier ensteht ein messbarer Schaden. "Eigeninitiative der Unternehmer ist hier gefragt, nicht der Staat", meint GTS-Chef Felix Juhl. Aber die meisten würden das Thema als "007-Hirngespinst" oder mit "Bei mir doch nicht!" abtun. Er weiß, wovon er spricht. Das Interesse für ein Fachforum zum Thema Wirtschafts- und Konkurrenzspionage, das die GTS im September anbietet, ist gering. Von 1200 eingeladenen Unternehmen, hätte sich bis heute bloß ein auffallend geringer Teil angemeldet. Obwohl solche Formen der Spionage die Wirtschaft jährlich Milliarden Euro kosteten, so Juhl.

Lieber ausspioniert als ausgeschlossen vom Markt?

Dass sich jeder selber vor Online-Spionen schützen muss, egal ob diese von Staaten oder privaten Unternehmen geschickt werden, scheint auch das Motto der Bundesregierung zu sein. Der "Spiegel" vermutet hinter der "Wegduck-Taktik" westlicher Nationen gegenüber chinesischer Wirtschaftspionage, schlicht Angst: die Angst ausgeschlossen zu werden, vom Zugang zu 1,3 Milliarden potentiellen Konsumenten.