Chinesischer Bürgerrechtsanwalt festgenommen
19. Januar 2018Nach Kritik an der chinesischen Führung ist der bekannte chinesische Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen worden. Der 50-Jährige sei in Peking von einem SWAT-Einsatzkommando vor seinem Haus abgefangen worden, berichtet seine Frau Xu Yan der Deutschen Welle (DW). Yu habe gerade seinen Sohn zur Schule bringen wollen. Zehn Polizisten hätten ihn weggeführt.
"Am Donnerstag hatte er in einem offenen Brief vorgeschlagen, die Verfassung zu ändern", sagte Xu. Auch habe er nach dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober die chinesische Führung kritisiert. Yu hatte sich unter anderem für eine demokratische Wahl des Präsidenten eingesetzt.
"Ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben"
Seine Frau rief nach eigenen Angaben die örtliche Polizeistation und den Polizeinotruf an, konnte aber nicht in Erfahrung bringen, was mit ihrem Mann geschehen ist. "Ich weiß nicht, was sie ihm vorwerfen und wo er sich jetzt befindet", sagte sie der DW.
Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitglieder. Mehr als 300 wurden nach Aussage von Menschenrechtlern seit Juli 2015 Inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess.
Yu gilt als einer der wenigen kritischen chinesischen Anwälte, die bis jetzt noch auf freiem Fuß waren. Vor wenigen Tagen war ihm allerdings schon die Anwaltslizenz entzogen worden. Zudem wurde sein Antrag auf Gründung einer neuen Kanzlei abgewiesen.
"Immer weniger Toleranz gegenüber Kritik"
In der Vergangenheit hatte Yu mehrere prominente Menschenrechtsanwälte verteidigt, die unter Anklage standen, ebenso Mitglieder der Demokratiebewegung in Hongkong."Seine Festnahme zeigt, dass die chinesische Regierung immer weniger Toleranz gegenüber Kritik an Staatsführern aufbringt", sagte Patrick Poon von Amnesty International in Hongkong. "Es wäre äußerst beunruhigend, wenn Yu wegen eines schweren Verbrechens wie etwa 'Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt' angeklagt werden sollte."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kennt Yu noch von einem Besuch im April 2016 in Peking. Als Außenminister traf Steinmeier damals mit ihm und anderen Anwälten, Angehörigen inhaftierter Juristen sowie Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen, um sich ein besseres Bild von der Menschenrechtslage in China machen zu können. Die Begegnung war damals geheim gehalten worden.
jj/rb (dpa, afp, rtr)