Toleranz als Schlüssel: Der Papst in den VAE
3. Februar 2019Papst Franziskus ist in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gereist. Nach seiner Ankunft wurde er von Kronprinz Mohammed bin Said Al Nahjan auf dem Flughafen begrüßt. Während seines Besuchs wird Franziskus viele - sehr viele - Gläubige treffen. Rund 800.000 Christen leben Schätzungen zufolge in dem Land - das sind rund neun Prozent der Gesamtbevölkerung. Die meisten von ihnen kommen aus Süd- und Südostasien und halten sich als Gastarbeiter in den Emiraten auf. Damit sind die VAE das Zentrum des christlichen Glaubens auf der arabischen Halbinsel. Bis zu zwei Millionen Christen leben dort insgesamt.
Papst Franziskus wolle mit seiner Reise in der Öffentlichkeit bewusst machen, wie bunt und vielfältig das Leben gerade in den VAE sei, sagt Ulrich Pöner, Bereichsleiter Weltkirche und Migration bei der Deutschen Bischofskonferenz. Die hohe Zahl der Christen auf der Golfhalbinsel und vor allem in den Vereinigten Arabischen Emiraten sei allgemein wenig bekannt.
Zudem wolle der Papst das Christentum in der gesamten Region stärken, so Pöner im Gespräch mit der DW. "Denn dieses unterliegt im Nahen Osten ja einer starken Auszehrungstendenz. Womöglich muss man sogar das Ende der 2000 Jahre alten christlichen Präsenz in weiten Teilen der Region befürchten." Darum wolle der Papst die christlichen Minderheiten stärken und für sie Räume schaffen, die ihr Verbleiben in den Ländern ermöglichen.
Mit dem Erdöl kamen die Christen
In den VAE ist diese Präsenz allerdings nicht bedroht. Die dortigen christlichen Gemeinden erfreuen sich relativer Freiheiten. Neben den römisch-katholischen Gruppen gibt es auch Baptisten, Anglikaner und Kopten. Ihre Präsenz geht auf die frühen 60er-Jahre zurück - jene Zeit, in der die VAE mit der Erdölförderung im großen Stil begannen. Der Emir von Abu Dhabi erlaubte den damals anreisenden US-Ingenieuren die Ausübung ihres Glaubens. 1960 wurde in Abu Dhabi die erste Messe gehalten. 1965 später wurde in Anwesenheit des Emirs die erste Kirche - St. Joseph - eingeweiht. In den folgenden Jahren wurden weitere christliche Gotteshäuser erbaut.
Inzwischen sind knapp 90 Prozent der Einwohner des Landes Zugewanderte. Die Einheimischen - sie stellen auch den allergrößten Teil der Staatsbürger der VAE - machen demgegenüber nur noch eine Minderheit aus. Die Toleranz in den VAE sei eine Art, mit der Masse der Migranten umzugehen, so Ulrich Pöner im DW-Gespräch. "Darauf muss man reagieren. Man kann darauf entweder mit totaler Repression antworten, wie es Saudi-Arabien tut. Oder man öffnet sich, wie es in den VAE der Fall ist. Das ist eigentlich die klassische Reaktion, wie sie durch die muslimische Tradition vorgegeben ist."
Bekenntnis zur Toleranz
Zu dieser Linie bekennt sich auch Scheich Mohammed Bin Rashid al Maktoum, Premierminister der VAE und Herrscher von Dubai. "Toleranz ist ein Schlüsselwort unserer Vorfahren und Gründer", erklärte er im Juni 2016 anlässlich der Verabschiedung des religiösen Toleranz-Programmes.
Für Paul Hinder, Weihbischof des Apostolischen Vikariats Südliches Arabien, stehen sich Islam und Christentum weltanschaulich sehr nahe. "Es gibt ein tiefes Einverständnis zwischen unseren Konfessionen, dem Christentum und dem Islam, dass das menschliche Leben geschützt und das Familienleben unterstützt werden muss. Zugleich sind wir uns einig, dass Armut überwunden und Gerechtigkeit und Frieden zu unseren Hauptanliegen gemacht werden müssen", schrieb Hinder 2016 in der Zeitung "The National". "
Grenzen der Freiheit
Allerdings hat auch die religiöse Toleranz in den VAE ihre Grenzen. Missionierung und Bekehrung sind verboten. Wer sich darüber hinwegsetzt, wird nach Auskunft des amerikanischen Außenministeriums zwar nicht bestraft, muss aber damit rechnen, dass seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wird. Zudem dürfen Kreuze und andere Symbole von der Straße aus nicht sichtbar sein. Die Abwendung vom Islam ist illegal. Musliminnen dürfen keine Nicht-Muslime heiraten.
Die Kirchen seien für die meisten Christen eine Art Rückzugsort, sagt Ulrich Pöner. "Sie werden von außen bewacht. Damit will man sicherstellen, dass keine Einheimischen oder Muslime die Gotteshäuser betreten und sich dort missionieren lassen. Aber innerhalb dieses Geländes sind die Christen dann auch sehr frei. Sie können Gottesdienste feiern, sozial und karitativ tätig sein und auch Bildungsarbeit leisten - vorausgesetzt, all dies geschieht innerhalb der Gemeinde."
Kann man in den VAE also von Religionsfreiheit sprechen? Nur mit Einschränkungen, sagt Ulrich Pöner. "Es handelt sich nicht um jene Freiheit, wie wir sie uns vorstellen - in dem Sinn, dass Gläubige jeglicher Konfession in die Gesellschaft hineinwirken können." Immerhin aber genössen die Christen bestimmt Rechte. "Sie haben einen Raum, in dem sie ihren eigenen Glauben leben können. Und das ist nicht nichts."