Christentreffen ohne AfD
19. Juni 2019Ralf Greth steckt in den letzten Vorbereitungen. "Wir sind nur eine kleine Gemeinde, aber viele hier haben großes Interesse. Und alle sind aufgeregt", sagt er der Deutschen Welle. Greth ist evangelischer Pfarrer in Dortmund-Syburg. Und Dortmund, die Stadt, die international vor allem wegen des Fußballvereins Borussia Dortmund bekannt ist, ist ab diesem Mittwochabend Gastgeber des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages. Greth berichtet, einige aus der Gemeinde böten Einzelunterkünfte für Kirchentagsgäste, andere engagierten sich als Helfer in Sammelunterkünften, Turnhallen oder Schulen.
Dortmund und das Ruhrgebiet erwarten mehr als 100.000 Gäste zu dem bis Sonntag dauernden Christentreffen. Seit 1949 kommen in der Regel alle zwei Jahre evangelische Christen zusammen. Die fünftägigen Treffen, die in ungeraden Jahren stattfinden, sind weit größer als die Katholikentage, die in geraden Jahren stattfinden. Und sie sind auch weit bedeutender. Das gilt auch für die kritische Sicht auf Politik und Gesellschaft. So pushte der Hamburger Kirchentag 1981 unter dem Motto "Fürchte dich nicht" in Zeiten des Kalten Krieges die Friedensbewegung, die Kirchentage vor dem Jahr 2000 stärkten die Rufe nach einem Schuldenerlass für Entwicklungsländer.
Fromm. Laut. Bunt.
Dabei sind Kirchentage stets politisch und fromm, bunt und laut und musikalisch. Das gilt auch für die Tage in Dortmund. Kirchentage sind bekannt für große Gottesdienste mit Tausenden Blechbläsern und morgendliche "Bibelarbeiten" auch mit Prominenten, die einen Bibeltext auslegen.
In Dortmund gibt es ein ökumenisches Mahl in einem ehemaligen Steinkohlebergwerk oder einen Disney-Gottesdienst. Kirchentagsgäste können Pilgerwege gehen, auch zur historischen Kirche von Pfarrer Greth, oder in einer Sporthalle Schlittschuhlaufen und dabei andächtig-fröhlich singen. Aber vor allem gibt es Hunderte Foren und Podien, bei denen ernste Themen erörtert werden.
Klimawandel und Populismus
Das Treffen in Dortmund steht - in Anlehnung an ein Bibelwort - unter dem Motto "Was für ein Vertrauen". Vertrauen, sagt Pfarrer Greth, brauche es in der Gesellschaft, in der Kirche, der Familie, am Arbeitsplatz. "Überall dort ist Vertrauen Mangelware, damit steht und fällt aber unser Zusammenleben", meint er. Und Kirchentagspräsident Hans Leyendecker (70), früher Journalist, sagt: "Es gibt vieles, das wie eine Säure wirkt, die das Vertrauen in den Zusammenhalt der Gesellschaft zerstört." Dem wolle der Kirchentag die Solidarität der Menschen untereinander und international entgegenstellen.
Pfarrer Greth hofft auf Signale des Kirchentages vor allem bei den Themen Klimawandel und Populismus. Beim Thema Klimawandel sei die evangelische Kirche ja längst engagiert und bemühe sich auch selbst um Umweltschutz. Angesichts der aufgeheizten Debatte in der deutschen Gesellschaft setze er aber auf deutliche Worte gegen Populismus und Ausgrenzung. "Wir werden nicht umhin können, immer wieder deutlich zu machen, dass das ein Irrweg ist. Es ist eben Vertrauen nötig, damit wir in Europa und auf diesem Erdball als Menschen zusammenleben und uns nicht abgrenzen müssen. Und wir werden auch nicht überleben, wenn wir uns abgrenzen."
Bei der wichtigsten Veranstaltung des Kirchentages zum Thema "Umwelt und Klima" debattieren unter anderem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, und das deutsche Gesicht der "Fridays for Future"-Bewegung, Luisa Neubauer, mit Klima-Experten.
Mit Merkel, ohne AfD
Dortmund zieht auch die deutsche Politik an. Der Bundespräsident und seine noch lebenden Vorgänger haben sich angekündigt, mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten. Am Samstag diskutiert Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der früheren liberianischen Staatspräsidentin Ellen Johnson Sirleaf (2006-2018), einer Ökonomin, über das Thema Vertrauen im Zusammenhang der internationalen Politik.
Doch beim Thema "Politik beim Kirchentag" wird zumindest in den Medien seit Monaten am meisten über die Nicht-Berücksichtigung von AfD-Politikern debattiert. Sprecher der Partei sehen sich ausgegrenzt und kritisieren die evangelische Kirche. Doch Kirchentagspräsident Leyendecker wird bei diesem Thema deutlich und warnt vor einer Inszenierung der Rechtspopulisten auf Kosten des Kirchentages. "Wir laden als Kirchentag generell keine Repräsentanten ein, niemanden von der CDU oder von der SPD", meint er. "Wir laden Menschen ein, die etwas zu sagen haben - und Herr Gauland, Frau Weidel und wie sie alle heißen, haben mir nichts zu sagen." So bleibt der AfD nur ein Stand in der Dortmunder Fußgängerzone - außerhalb des Kirchentag-Programms.