"Ich könnte mir nichts Schöneres wünschen"
30. Januar 2015DW: Wie fühlt man sich als Preisträger des Ernst von Siemens Musikpreises?
Eschenbach: Ich fühle mich natürlich sehr geehrt. Das ist ein enorm großer Preis, den sehr viele, sehr berühmte Leute bekommen haben. Dass ich jetzt einer auf dieser Liste bin, freut mich sehr. Und die Jury, die mich gewählt hat, ist außerordentlich hochkarätig. Insofern bin ich sehr froh und glücklich.
Was bedeutet denn so ein Preis in einem Dirigentenleben, das ja schon reich an Ehrungen und Erfolgen ist?
Das ist wiederum eine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Wege war und bin (lacht). Und das ist auch eigentlich der Grund, warum ich mich so sehr freue.
Ernst von Siemens hat ja auch viel mit Förderung von neuer Musik zu tun. Meinen Sie, dass Ihr Engagement für neue Musik da auch eine Rolle gespielt hat?
Ja, ganz bestimmt. Es waren auch einige Komponisten in der Jury, sehr große Namen. Deswegen bin ich auch so stolz, dass ich diesen Preis bekommen habe. Ernst von Siemens widmet sich nämlich stark der neuen Musik. Es sind ja auch gleichzeitig drei junge Komponisten geehrt worden, mit drei Auftragswerken, die jetzt in den nächsten Wochen hereinkommen werden und die ich auch dirigieren werde. Ich möchte auch ganz physisch zeigen, dass ich an der neusten Musik ungeheuer interessiert bin.
Sie bekommen ja mit 250.000 Euro ein erhebliches Preisgeld. Wissen Sie schon, was Sie damit machen?
Ja, ich möchte es in ein Fundus geben, an dem ich schon arbeite, der jungen Künstlern bei ihrer Karriere helfen soll – um ein Instrument zu kaufen oder reisen zu können, um Dirigenten vorzuspielen. Denn daran hapert es oft bei jungen Künstlern, weil einfach das Geld nicht da ist. Und wenn ich da ein bisschen helfen kann, dann soll auch dieser Preis mithelfen.
Sie haben ja im letzten Jahr den Grammy bekommen und dieses Jahr den Ernst von Siemens Preis. Was sind für Sie die Unterschiede? Ist der Grammy glamouröser?
Nein, das würde ich nicht sagen. Ein Grammy ist eine einmalige Auszeichnung für eine Schallplatte, und ist natürlich eine große Auszeichnung. Der Siemens Preis dagegen ist die Ehrung für ein Lebenswerk, und nicht für eine Plattenaufnahme.
Apropos Lebenswerk. Was ist Ihnen an Ihrem bisherigen Wirken als Dirigent, vielleicht auch als Pianist, besonders wichtig?
Die Vielseitigkeit als Dirigent und Pianist. Und wie wir vorher schon sagten: Mein Interesse an der neuen und alten Musik, vom Barock angefangen bis zur neuesten Musik, ist sehr, sehr groß. Das sieht man auch an der Spannweite des Repertoires, das ich dirigiere. Und ich spiele ja immer noch etwas Klavier, besonders Kammermusik, oder Liedbegleitung, was mich immer wieder von neuem fasziniert. Das ist wahnsinnig wichtig. Ich kann es nur jedem Musiker raten, sich mit dem Lied-Repertoire zu beschäftigen. Wenn Sie Schubert kennenlernen oder aufführen wollen, müssen Sie eigentlich die 500 Lieder von Schubert kennen. Ich könnte über das Thema Vielseitigkeit Bände erzählen. Ich möchte in meinem Leben noch sehr viel Neues und Unterschiedliches machen. Und das fasziniert mich jeden Tag, von früh bis abends.
Was zum Beispiel wollen Sie in Ihrem Leben noch machen?
Es gibt noch sehr viel Repertoire, das ich dirigieren möchte, und eben auch in der neuen Musik. Jedes Jahr und jede Stunde wird etwas komponiert.
Würden Sie diese Vielseitigkeit auch jungen Dirigenten anempfehlen?
Ja natürlich. Jedes Spezialistentum ist falsch, das engt ein. Man muss weit bleiben im dem Spektrum, das man hat und das man anpeilt. Und dann wird das Leben eigentlich auch erst richtig interessant.
Wenn Sie nicht gerade auf der Bühne stehen, gelten Sie als sehr zurückhaltend, charmant, freundlich. Überrascht Sie es denn, dass Sie so viele Ehrungen, so viele öffentliche Aufmerksamkeit erhalten?
(Lacht) Ja, vielleicht ist es gerade das: dass man eben nicht aufdringlich ist, dass man sich nicht nach vorne spielt, sondern die Dinge an sich herankommen lässt.
Zu ihrem Lebenswerk gehört auch, dass Sie auf vielen Kontinenten präsent sind. Vor allem in Europa, in Deutschland - und auf der anderen Seite des Atlantiks - in den USA: Philadelphia, Houston und jetzt in Washington. Ist das auch etwas Prägendes für ihre Karriere, ist das in Ihrer Persönlichkeit begründet?
Ja natürlich. Ich kenne fast jeden Kontinent. Ich war nur noch nicht in Neuseeland, muss ich sagen (lacht). Aber in Australien schon! Und ich finde es faszinierend, mit so vielen verschiedenen Kulturen zusammen zu kommen, und auch mit so vielen verschiedenen Menschen, die diese Kulturen verkörpern. Und das ist auch eine Form von Weite, die man sich anerziehen kann, der man offen gegenüberstehen sollte.
Gibt es noch einen Preis, den Sie noch gerne haben wollen? Einen Oscar?
Naja, ich bin ja nicht in der Filmindustrie (lacht). Ich könnte mir jetzt eigentlich nicht noch etwas Schöneres wünschen.
Das Interview führte Gero Schließ.
Der Dirigent und Pianist Christoph Eschenbach leitete viele bedeutende Orchester in Europa und Nordamerika. Derzeit ist er Musikdirektor des Kennedy Centers in der US-Hauptstadt Washington. Im vergangenen Jahr erhielt er einen Grammy für eine Aufnahme mit dem NDR-Sinfonieorchester mit Werken Paul Hindemiths.