CIA-Affäre zieht immer weitere Kreise
9. Dezember 2005Deutsche Sicherheitsbehörden tragen nach Informationen der "Berliner Zeitung" (9.12.2005) eine Mitverantwortung für die Festnahme und Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri. "Es ist schon auffällig, dass die Amerikaner bei ihren Verhören in Afghanistan El-Masri auch nach Erkenntnissen fragten, die sie von uns bekommen haben", sagte ein Sicherheitsbeamter dem Blatt. "Möglicherweise haben wir durch Informationen, die wir mit den US-Behörden ausgetauscht haben, die CIA auf El-Masri aufmerksam gemacht." Bislang hieß es, der Deutsch-Libanese sei auf Grund einer Namensverwechslung von der CIA verschleppt worden.
Nach Einschätzung des Sicherheitsbeamten zeigten die Fragen in den Verhören nach der Islamistenszene in El-Masris Wohnort Neu-Ulm aber, dass die US-Vernehmer in Afghanistan gewusst hätten, wen sie vor sich haben. "Auch dank unserer Informationen, denn in dem regelmäßigen Informationsaustausch mit CIA und FBI sind irgendwann vor der Entführung bestimmt auch deutsche Angaben über Khaled el-Masri abgeflossen."
Unterrichtungspflicht verletzt
Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Karsten Voigt (SPD), kritisierte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte", dass der damalige Innenminister Otto Schily keine Kabinettskollegen über den Fall unterrichtet habe, nachdem er davon vom damaligen US-Botschafter Daniel Coats erfahren hatte. "Ich persönlich hätte andere im Kabinett informiert", sagte Voigt. Auch CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach unterstützte die Kritik und sprach von einer verletzten Unterrichtungspflicht.
Spekulationen
Bosbach äußerte Zweifel, ob der Fall El Masri einzigartig gewesen sei. "Wir wissen gar nicht, ob es ein singulärer Fall war oder ob es noch vergleichbare Fälle gegeben hat", sagte der CDU-Politiker.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hält es dagegen für unwahrscheinlich, dass deutsche Behörden eine Mitverantwortung an der Verschleppung El-Masris durch die CIA tragen. Er könne sich nicht vorstellen, dass es einen Zusammenhang von Informationsaustausch zwischen Behörden und einer Entführung geben könne, sagte Wiefelspütz am Freitag dem Bayerischen Rundfunk. Sollten sich die Informationen allerdings bewahrheiten, wäre dies gravierend, sagte Wiefelspütz.
Gegen Geheimniskrämerei
Wiefelspütz sagte der "Sächsischen Zeitung" (Freitag), "es bedarf einer öffentlichen Erörterung der Vorgänge". Eine Unterrichtung des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages reiche dazu nicht aus. "Dazu ist die Sache zu wichtig", sagte Wiefelspütz. Auch Innen-, Rechts-, Menschenrechts- und Auswärtiger Ausschuss müssten befasst werden. Wiefelspütz sagte weiter, es sei "denkbar, dass es im Zusammenhang mit diesem Fall einzelne Sachverhalte gibt, die geheimhaltungsbedürftig sind, weil Informationen deutscher Geheimdienste betroffen sind". Dies gelte aber keinesfalls für den gesamten Vorgang.
Der 42-jährige El-Masri war nach eigenen Angaben am Silvestertag 2003 in Mazedonien von der CIA nach einer Namensverwechslung irrtümlicherweise verschleppt und erst fünf Monate später wieder freigelassen worden. US-Außenministerin Condoleezza Rice bezeichnete das Vorgehen der USA in diesem Fall als "Fehler", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am 6.12.2005 nach einem Gespräch mit Rice mitteilte. Solche Fehler sollten auf rechtsstaatlicher Basis korrigiert werden.
Lesen Sie weiter: Ein UN-Mitarbeiter im Kosovo berichtet von einem Militärgefängnis das US-Militärs nutzen "wie auf Guantanamo".
Der UN-Ombudsmann im Kosovo, Marek Nowicki, warf dem US-Militär unterdessen vor, auf dem Stützpunkt Camp Bondsteel ein Gefängnis zu unterhalten, in dem Menschen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen festgehalten würden. "Es kann keinen Zweifel daran geben, dass in Camp Bondsteel seit Jahren ein Gefängnis existiert, das keiner externen zivilen oder juristischen Kontrolle unterliegt", sagte Nowicki der Berliner Zeitung (Freitagausgabe).
Guantanamo-ähnliches Gefängnis
Der polnische Jurist Nowicki leitet seit sechs Jahren die UN-Beschwerdestelle im Kosovo. Zuvor war er unter anderem Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Er konnte den Stützpunkt Camp Bondsteel Ende 2000 und Anfang 2001 zwei Mal besuchen. Sein Eindruck: "In dem Gefängnis sah es aus wie auf den Bildern, die man von Guantanamo kennt."
Vor knapp zwei Wochen hatte bereits die französische Tageszeitung "Le Monde" über ein "Guantanamo-ähnliches Gefangenenlager" der Amerikaner im Kosovo berichtet. Die Zeitung berief sich dabei auf Angaben des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, Alvaro Gil Robles, der den US-Stützpunkt Camp Bondsteel südlich von Pristina im September 2002 besucht hatte. Dort habe dieser "etwa 15 bis 20 Gefangene in orangefarbenen Anzügen wie in Guantanamo" gesehen.
Ohne Anklage und Anwalt festgehalten
In Camp Bondsteel im östlichen Kosovo sind rund 6000 US-Soldaten stationiert. Nowicki räumte ein, dass man nicht von einem Geheimgefängnis sprechen könne, da Bondsteel offiziell als militärisches Gefängnis der NATO-Friedenstruppe KFOR genutzt werde. Allein im zweiten Halbjahr 2002 seien mehr als 70 Personen in dem Lager inhaftiert gewesen. Wahrscheinlich seien dort hunderte von Häftlingen teilweise monatelang eingesperrt worden, und vermutlich würden noch immer Menschen im Camp festgehalten - ohne Anklage, Anwalt und Prozess. Behauptungen seitens der KFOR, es gebe in Camp Bondsteel keine Geheimnisse, seien so lange zweifelhaft, wie auf dem 300 Hektar großen Gelände eine Kontrolle durch die Vereinten Nationen (UN) nicht möglich sei, sagte Nowicki. (mas)