City-Maut für deutsche Städte?
9. Oktober 2012In London, Stockholm oder Rom gibt es sie bereits: die City-Maut. Umgerechnet zwölf Euro am Tag zahlen zum Beispiel die Briten, damit sie auf den Straßen ihrer Hauptstadt unbegrenzt mit dem eigenen Auto fahren dürfen. Auch in Deutschland diskutieren Politiker zurzeit die Einführung einer "City-Maut". Denn das Geld in den Kommunen ist knapp - neue Einnahmequellen müssen her. Die City-Maut scheint hier eine einfache Lösung zu sein.
Neue Geldquellen erschließen
Dieser Meinung war man zumindest bei der jüngsten Konferenz der Länderverkehrsminister in Cottbus. Gemeinsam beschlossen die Minister das Recht der Kommunen auf die Einführung einer City-Maut zu prüfen. "Die Politik ist gezwungen, neue Geldquellen zu erschließen", argumentiert der Vorsitzende der Konferenz und Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger ganz offen. Und die Zahlen geben ihm recht: Bundesweit fehlen zurzeit rund sieben Milliarden Euro für den Ausbau und die Pflege von Straßen, Schienen und Wasserwegen.
Wer Autofahrer in Deutschland zur Kasse bittet, muss immer mit einem Aufschrei rechnen. Und so bleibt die Reaktion auf den Vorstoß der Länderverkehrsminister nicht aus: "Außer Spesen nichts gewesen", kommentierte der Vizepräsident des großen Automobilclubs ADAC Ulrich Klaus Becker die Cottbuser Konferenz. Und auch Wirtschaftsvertreter warnen vor den Negativ-Folgen einer City-Maut für den Handel. Außerdem würden Autofahrer alleine durch die Kraftfahrzeug-Steuer, die Mineralölsteuer und andere Nutzerabgaben vom Staat mit einem Steueraufkommen von mehr als 53 Milliarden Euro belastet. Dass trotzdem Geld im Straßenbau fehle, sei vor allem auf eine falsche Verteilung der Einnahmen zurückzuführen, so Herbert Schulte vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft.
Tunnel für Norwegen
So ähnlich diskutierte man die City-Maut in den 1980er Jahren auch in Norwegen. "In den Städten Oslo und Bergen hat man die Gebühr geradezu als Inkasso-Maschine für den Straßenbau genutzt", berichtet der Verkehrsexperte Heiner Monheim. Denn ein Land mit vielen Bergen braucht viele Tunnel - und die sollten durch die City-Maut finanziert werden.
Die Tunnel stehen. Die Norweger haben sich an die City-Maut gewöhnt. Das Konzept ist aufgegangen. Und doch ist diese Entwicklung kaum auf Deutschland zu übertragen: "Die Städte in Norwegen liegen alle weit auseinander - die Einzelhändler der unterschiedlichen Städte müssen kaum konkurrieren. In Deutschland ist das anders. Hier kann die City-Maut zu einem echten Standortnachteil werden" meint Monheim. Alteingesessene Familiengeschäfte haben die Auswirkungen einer ähnlichen verkehrstechnischen Entscheidung schon einmal erlebt: Auch nach Einführung von Innenstadt-Parkgebühren in den 1950er Jahren änderten Kunden ganz plötzlich ihr Einkaufsverhalten: Die Familien gingen am Samstag dort einkaufen, wo man am günstigen parken konnte.
Tübingen: Ein Euro pro Autofahrt
Doch das ist lange her - und mittlerweile gibt es Alternativen zum Auto. Die meisten Städte verfügen über ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz. Und wenn es nach dem grünen Oberbürgermeister der Stadt Tübingen Boris Palmer geht, könnte dieses Nahverkehrsnetz in seiner Stadt durch die Einnahmen einer City-Maut in Zukunft sogar noch besser werden. Sein Plan: Jeder Autofahrer soll pro Autofahrt in die Innenstadt einen Euro zahlen. 20 Millionen Euro mehr im Jahr könnte Tübingen so seiner Schätzung nach einnehmen.
"Das soll der Bürgermeister sich lieber noch einmal durchrechnen", argwöhnt der Verkehrsexperte Michael Schreckenberg. "Um so eine City-Maut durchzuführen, muss die Stadt ja auch Kontrollmechanismen installieren und eine entsprechende Verwaltung aufbauen. Ob die Maut sich für kleinere Städte wirklich lohnt, halte ich für überaus fraglich."
Die Londoner scheinen ihre Hausaufgaben in Punkto Maut-Finanzierung gemacht zu haben. 2010 machten sie einen Gewinn von 148 Millionen Pfund, umgerechnet 183 Millionen Euro. Und die City-Maut hat hier auch einen anderen positiven Effekt: Die Zahl der Staus ist zurückgegangen.