Claudio Pizarro: Er traf und lachte
6. Juli 2020Eigentlich soll man das nicht machen als Journalist. Man soll einen Spieler nicht hochleben lassen, ihn toll finden und selbst in schlechten Zeiten als Held ansehen. Es gibt allerdings einige wenige Fußballspieler, die einem die journalistische Distanz nahezu unmöglich machen. Weil sie erfolgreich sind, auch das. Oder weil sie mit ihrem Charme alle um den Finger wickeln. Claudio Pizarro ist so ein Kandidat, den man nicht nicht mögen kann. Guter Typ.
Ein Jahr zum Vergessen ...
Und das liegt nicht nur daran, dass der 41-Jährige aus Peru alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gab. Sechs deutsche Meisterschaften, sechs Pokalsiege und als Krönung - 2013 mit Bayern München - die Champions League. Er ist mit heute 41 Jahren der älteste Bundesliga-Torschütze der Geschichte. 189 Tore in der Liga, im Relegationsrückspiel gegen Heidenheim könnte sein 491. Bundesliga-Spiel dazu kommen - es wäre gleichzeitig sein letztes. Es ist eigentlich ein Jahr zum Vergessen für Pizarro.
Im November 2010 war es, da traf die DW-Sportredaktion Pizarro in Bremen zum Interview - eines von vielen, das uns der Spieler gegeben hat. 287 Partien hatte er damals auf dem Konto. Auf die Frage, ob er den damals geltenden Rekord von 330 Spielen einstellen könne, sagte er - für seine Verhältnisse fast nachdenklich: "Ich hoffe .... versuchen wir..." Und zeigte sein verschmitztes Lächeln.
"Gute Pässe"
Nur Prince Charming? Von wegen! Pizarro: ein kompletter Spieler. Das hatte 1999 der damalige Bremer Geschäftsführer Jürgen Born erkannt, der den Peruaner für 1,6 Millionen D-Mark von Alianza Lima zu Werder lotste. Es folgten die Jahre im Sturm mit dem Brasilianer Ailton. Auf der Trainerbank saß ein gewisser Thomas Schaaf und freute sich zusammen mit dem Rest der Hansestadt über das Duo. Pizarro: ein kompletter Spieler. Torgefährlich, schnell und - "ich glaube, ich bin auch einer, der gute Pässe macht", wie er der DW in jenem frühen Interview zu Protokoll gab. Das haben sie dann auch beim FC Bayern erkannt. Von 2001 bis 2007 und von 2012 bis 2015 spielte er für den deutsche Rekordmeister. Außerdem gab es in seiner langen Karriere Stationen beim FC Chelsea (2007/08) und dem 1. FC Köln (2017/18) - eher zu vernachlässigende Abstecher. Da hatte er sich mal verlaufen.
Werder Bremen und Pizarro aber, das war und ist eine besondere Geschichte. "Natürlich hätte Claudio etwas anderes verdient", sagte sein aktueller Trainer Florian Kohfeldt vor einigen Wochen. Gemeint war damit dieser "verflixte" Abstiegskampf, in dem den Bremern nichts mehr gelingen wollte. Gemeint war aber auch eine Saison, in der Pizarro wegen einer Oberschenkelverletzung nach dem Wiederanpfiff unter Corona-Bedingungen nicht mehr eingesetzt werden konnte. Und am Ende auch noch das: ein positiver Corona-Test bei der Tochter, Pizarro musste 14 Tage lang in Quarantäne.
Buffons "brother from a different mother"
Als der Stürmer vor zwei Jahren zum fünften Mal an die Weser wechselte hielten das sogar Wohlmeinende für einen PR-Gag von Werder. Doch es folgten weitere fünf Tore und etliche Momente, in denen Pizarro allein mit seiner Einwechslung für einen Ruck im Stadion sorgte. Die Fans liebten ihn ohnehin.
Aber zuletzt konnte er nicht mehr helfen. Mit 41 ist er zwar noch nicht so alt wie sein italienischer "brother from a different mother" Gianluigi Buffon - inzwischen 42 Jahre alt und auch ein Meister der lockeren Grinse-Geste. Aber auch Typen wir Pizarro und Buffon können nicht verhehlen, dass die beste Zeit eines Fußball-Profis irgendwann vorbei geht.
Was aber in jedem Fall bleibt: Claudio Pizarro ist der einzige Spieler, der in vier Jahrzehnten in der Bundesliga getroffen hat. "Als ich angefangen habe, Fußball zu spielen, habe ich nie gedacht, einen Rekord zu brechen", sagte er 2010. Und dann lachte er, als wollte er sagen: "Wir sprechen uns noch."