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Computerspielpreis 2017: Denken statt Daddeln

Max Hunger
26. April 2017

Sinnloser Zeitvertreib? Das war einmal. Computerspiele von heute können und wollen viel mehr. Ob Überwachungsstaat oder Rassismus - nichts ist unspielbar. Das stellen die diesjährigen Nominierten unter Beweis.

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Computerspiel Orwell
Bild: Surprise Attack Games

Games sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Sogenannte "Let's-Plays",  das auf YouTube oder im Live Stream moderierte Spielen, fesseln ein Millionenpublikum vor den Bildschirm und bilden mittlerweile ein eigenes Unterhaltungsformat. Kein Wunder also, dass Szene-Stars wie der Gamer und Youtuber Gronkh Mitglied der diesjährigen Jury sind.

Der Deutsche Computerspielpreis, kurz DCP, schüttet in diesem Jahr sein höchstes Preisgeld aus: Insgesamt werden 550.000 Euro - 80.000 mehr als im Vorjahr - vergeben. Der Förderpreis versteht sich als Schulterschluss von Politik und Computerindustrie und wird von den Branchenverbänden BIU und GAME sowie dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ausgeschrieben. Auch für mehr Prominenz ist gesorgt: Für die Moderation der heutigen Verleihung im Rahmen der Games Week Berlin wurde TV-Star Barbara Schöneberger verpflichtet. In 14 Kategorien werden hier Spiele der Marke "Made in Germany" ausgezeichnet. Auch wenn die Kriterien schwammig sind - kulturell wertvoll, technisch innovativ oder einfach unterhaltsam - finden sich unter den Nominierten einige Entdeckungen und Überraschungen.

Aufgerüttelt

Das gleich dreimal nominierte "On Rusty Trails" verbindet die Spielmechanik eines klassischen Jump'n'Runs à la Super Mario mit gesellschaftlicher Brisanz. Unterwegs ist man hier als Metallwesen Elvis, auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Elvis wird dabei immer wieder mit Vorurteilen und Missverständnissen konfrontiert. Um diesen zu entgehen, schlüpft er auf Knopfdruck in sein haariges, blaues Kostüm oder in seine metallische Kluft - je nachdem, in wessen Gefilden er sich herumtreibt.

Computerspiel On Rusty Trails
Jump'n'Run mit Hintergrund: Bei "On Rusty Trails" kommt nur weiter, wer seine Farbe wechseltBild: Black Pants Studio

"Man wechselt seine Farbe und die Umwelt verändert sich. Diese grundlegende Mechanik hat ja schon einen rassistischen Beigeschmack. Wir haben versucht, dieses Prinzip in alle Gewerke hineinzubringen: in die Gestaltung, Musik und Animation", erklärt Sebastian Stramm, CEO & Illustrator beim Entwickler Black Pants Studio. Rassismus, Flüchtlingskrise und urbane Wohnungsnot - "On Rusty Trails" nimmt sich aktueller Problematiken spielerisch an, ohne den Zeigefinger zu erheben.

Und dieses Spiel ist keine Ausnahme. Der mit 40.000 Euro dotierte Preis "Bestes Serious Game" zeichnet Spiele aus, die einen hohen kulturellen oder didaktischen Wert bieten. In diesem Jahr ist auch die Überwachungssimulation "Orwell" nominiert. Hier schlüpft der Spieler in die Rolle eines digitalen Ermittlers. Seine Aufgabe ist es, das Privatleben anderer zu überwachen, um Hintermänner geplanter Anschläge aufzudecken. "Wir haben nach einem Thema gesucht, das war 2013, in der Zeit der Snowden-Leaks", erläutert Daniel Marx, Entwickler und Produzent bei Osmotic Studios.

Selbst ist der Spieler

Osmotic Studios, Daniel Marx
Daniel Marx, Osmotic StudiosBild: Osmotic Studios

"Im Spiel bedient der Spieler ein Bedürfnis nach Sicherheit, muss aber gleichzeitig in die Privatsphäre anderer eingreifen. Das soll dazu anregen, sich selbst zu fragen: Wo stehe ich eigentlich, wie weit darf ich gehen?", so Marx. Computerspiele brächten Eigenschaften mit, die andere Medien vermissen ließen. Es sei vor allem die Interaktivität, das 'Selbermachen', das sie auszeichne. "In anderen Medien, in denen man nur konsumiert, hat man immer eine gewisse Distanz. Es sind andere Figuren, die handeln. Wenn man selber in die Situation geworfen wird - und wenn auch nur spielerisch - muss man sich ganz anders damit auseinandersetzten. Man muss darüber nachdenken: Was ist jetzt eigentlich richtig?", beschreibt der Entwickler.

Dennoch: Games haben vor allem bei der älteren Generation weiterhin kein gutes Image. Spielen gilt oft als Zeitverschwendung. Dabei hat sich viel getan. Viele Spiele stellen das interaktive Erzählen einer Geschichte in den Mittelpunkt - kein Game Over, kein Wettkampf. "Es fängt schon mit dem Wort spielen an. Man denkt, das muss so eine sinnlose Daddelei sein. Spiele können aber unglaublich vielfältig sein. Ich würde eher sagen, es sind interaktive Erfahrungen", sagt Marx.

Computerspiel Orwell
Willkommen im Überwachungsstaat: Spion werden im Computerspiel "Orwell"Bild: Surprise Attack Games

Natürlich sind auch die beim diesjährigen DCP nominierten Spiele vor allem eines: ein Unterhaltungsprodukt. Der Wille zur Unterstützung von Qualität und Innovation ist jedoch deutlich sichtbar - auch dank des Preises, wie Stamm bestätigt: "Es ist eine grandiose Förderung, vor allem für kleine Projekte, die ein Publisher nicht anfassen würde, weil sie zu riskant sind." Nur etwas internationale Strahlkraft fehle dem DCP, sagt Marx.