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Condis neue Kleider

Udo Bauer18. November 2004

Wird die US-Außenpolitik unter Condoleezza Rice jetzt kompromissloser und aggressiver? Nicht unbedingt. Auf jeden Fall eröffnen sich neue Perspektiven für die Diplomatie.

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Eine Umarmung und ein zaghaft-prüdes Küsschen. Mit dieser vielsagenden Geste stellte Präsident Bush am Dienstag (16.11.04) seine derzeitige Sicherheitsberaterin als neue Außenministerin vor. Vielsagend, weil die seltene körperliche Zuwendung des Präsidenten gegenüber einem Kabinettsmitglied dokumentiert, wie nahe sich die Beiden stehen.

"Condi", wie Bush die 50-Jährige nennt, ist seine engste Vertrauensperson und Beraterin. Durch sie hat Bush gelernt, wie die Welt außerhalb von Texas aussieht. Sie verbringt fast jedes Wochenende mit George und Laura in Camp David, sie hat den Status einer Adoptivtochter. Dieses Verhältnis, diese Nähe zum Präsidenten wird sie beibehalten und dies wird ihre wichtigste Trumpfkarte, wenn sie jetzt ihren Arbeitsplatz wechselt vom Westflügel des Weißen Hauses in den hässlichen Bau des Außenministeriums im Washingtoner Stadtteil Foggy Bottom.

Powell ohne Power

Die Mitarbeiter des State Department schaudert es bei dem Gedanken. Sie reden von einer unfreundlichen Übernahme. Colin Powell war ihr Held, ihre Lichtgestalt. Und der Mann, den sie beim Amtsantritt vor vier Jahren mit Standing Ovations begrüßt hatten, wird jetzt ersetzt durch eine Politikerin, die als Falke gilt - als verlängerter Arm der hier verhassten Neokons um Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz.

Tatsache aber ist: Das Außenamt unter Colin Powell war in Bushs erster Amtszeit de facto paralysiert, sein Chef zum "Lame Duck" ohne Zugang zum Präsidenten degradiert und ständig unterminiert vom eben erwähnten Radikalen-Trio, das bis jetzt fröhlich an ihm vorbei die Leitlinien der US-Außenpolitik bestimmt hat.

Für die Diplomaten hatten die Strippenzieher im Dunstkreis des Präsidenten nur Verachtung übrig und "Foggy Bottom" war ihr populärstes Schimpfwort. Das wird jetzt anders mit Condoleezza Rice. Condis neuer Job bedeutet einen Kleiderwechsel – weg mit dem Kampfanzug, her mit dem Abendkleid. Sie ist nicht mehr alleine für die Sicherheit Amerikas verantwortlich, muss nicht mehr ausschließlich auf Berufssparanoide aus Pentagon und Geheimdiensten hören, sondern sich jetzt Gedanken machen um die Außenwirkung amerikanischer Politik.

Vom Saulus zum Paulus

Es wird erwartet, dass die neue Außenministerin einige leitende Beamte im Amt austauscht. Das wird vorübergehend für Unruhe sorgen, ähnlich wie beim CIA, wo der neue Chef Porter Goss zur Zeit die Schlapphut-Hierarchie aufmischt. Auf der anderen Seite prägt ein neues Amt auch seinen Inhaber. Nicht auszuschließen also, dass sie sich vom Saulus zum Paulus entwickelt und es schafft, die Brücken zu den europäischen Alliierten, die sie in der Irak-Kriese mithalf einzureißen, jetzt wieder aufbaut.

Präsident Bush hat dies jedenfalls als eine der Maximen seiner zweiten Amtszeit bezeichnet. Wir werden schnell merken, wohin die Reise mit Rice geht. Wird sie die Politik, die die Handschrift ihres Vorgängers trägt, fortsetzen oder nicht? Wird sie weiterhin die Europäer mit Iran über dessen Nuklearpläne verhandeln lassen oder versucht sie die Mullahs mit Sanktionen in die Knie zu zwingen? Wird sie den Friedens-Druck auf Ariel Scharon aufrechterhalten oder ihn einseitig Arafats Erben aufbürden?

Kissinger mit Pumps

Oder allgemein: Entwickelt sie sich zur Erfüllungsgehilfin eines harmoniesüchtigen Präsidenten oder zu einem "Kissinger mit Pumps", wie die "Bild"-Zeitung schreibt? Letzteres sollte man nicht ausschließen; Rice ist nicht zu unterschätzen. Sie hat einen scharfen Intellekt und sie hat gelernt sich durchzusetzen in einer von grauhaarigen, weißen Männern dominierten Welt. Auch ihr ist klar, dass sie mit ihrem hübschen Lächeln und ihrem Charme bei ihren neuen natürlichen Feinden, den Neokonservativen, nicht weit kommt. Aber sie hat eine Superwaffe – sie hat das Ohr des Präsidenten.