Eine Party ohne Feiernde
3. Juli 2017Zwei Wochen lang rätselten die Bürger Russlands, was der Confed Cup in ihrem Land wirklich war: ein großes internationales Fußballevent oder nur ein technischer Testlauf für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018? Eine eindeutige Antwort gab es nicht. Je nach Blickwinkel und Austragungsort war der Confed Cup eine durchaus fröhliche Veranstaltung mit internationalen Topstars wie Weltfußballer Cristiano Ronaldo aus Portugal oder dem Chilenen Alexis Sanchez - oder aber nur eine WM-Probe, der die Fans weitgehend fernblieben. Das Wichtigste aber war: Das Turnier blieb für Fans und Spieler sicher. Bis zum Schluss. Dafür dankte der Kapitän der deutschen Mannschaft beim Confed Cup, Julian Draxler, den Russen in einem offenen Brief.
Sotschi kein Confed-Cup-Mekka
Das größte Problem waren die Besucher. Sie fehlten. Am schlimmsten traf es Sotschi. Ausgerechnet dort, wo Weltmeister Deutschland zuerst spielte, blieb das Stadion ziemlich leer. Und das, obwohl es die kleinste der vier Spielstätten war. Sotschi mag zwar als Olympia-Stadt in die Sportgeschichte eingehen, aber ganz sicher nicht als Confed-Cup-Mekka. Der Besuchermangel war aber auch in Moskau, Kasan und Sankt Petersburg zu spüren, je nach den Teams, die spielten, mal mehr, mal weniger. Und manchmal eben so schlimm, dass die Organisatoren nach guter alter Sowjet-Manier die Tribünen mit den so genannten "budzheniki" füllen mussten, Staatsbediensteten, Studenten und Soldaten, die sich umsonst oder zu einem nur symbolischen Preis die Spiele anschauten.
Schlechtes Team, teure Tickets
Die fehlende Begeisterung lag vor allem an zwei Dingen. Erstens an der eigenen Nationalmannschaft. Sie spielt seit Jahren schlecht. Und sie schied auch diesmal früh aus, zu früh. Woher sollte also die Leidenschaft der Fans kommen? Zweitens an den Tickets. Die waren den Meisten zu teuer. Kein Wunder, dass nur die günstigsten Karten vergriffen waren, zu einem Preis von 960 Rubel, umgerechnet fünfzehn Euro. Dafür konnte man aber mit diesem Ticket gratis die russische Staatsbahn benutzen und zwischen den Stätten hin- und herfahren, was wiederum ein großer Gewinn dieses Turniers war und ganz sicher die Besucher der Fußball-WM 2018 freuen wird.
Lächelnde Volunteers
Klar waren nicht alle Züge top. Wer Glück hatte, fuhr mit einem neuen Doppeldecker von Moskau nach Sankt Petersburg oder Kasan. Sonst tuckerte man eben in einem alten Sowjet-Waggon durch die Gegend. Aber wie heißt es im deutschen Sprichwort: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Und außerdem hätte vermutlich keine Bahngesellschaft dieser Welt mal eben 262 supermoderne Sonderzüge aus dem Hut zaubern können. Das Angebot der Russischen Bahn kann man also auf der Haben-Seite des Turniers verbuchen. Genau wie die lächelnden Volunteers. Das Lächeln ist im Land des untergegangenen Sozialismus auch im Jahre 2017 keine Selbstverständlichkeit. Und wenn der Job der jungen Leute auch nur darin bestand, nach dem Spiel die Fans lächelnd mit den Worten "Danke für den Besuch, kommen Sie wieder!" zu verabschieden, so haben sie ihren Job gut gemacht.
Schätzchen und Rabauke
Und trotzdem konnten auch sie die Gesamtatmosphäre der Veranstaltung nicht retten. Eines erhofften Fußballfestes, das, würde man in diesem Riesenland ein Gefühlsbarometer einschalten, eigentlich gar nicht stattfand. Waren die Werbemacher vielleicht schuld, die den offiziellen Spielball "Krasawa" tauften? Ein Name, der im russischen Slang je nach Tonfall erotische Assoziationen hervorrufen kann und am harmlosesten noch mit "Schätzchen" übersetzt werden kann. Befremdlich erschien vielen vermutlich auch das Maskottchen "Sabiwaka" in Form eines Wolfs. Die Wortschöpfung "Sabiwaka" ist alles andere als ein fröhlich anmuternder Eigenname und klingt ähnlich wie "Sabijaka", ein Rabauke - oder eben ein Hooligan.
Politische Dimension
In Sankt Petersburg spielten solche Kleinigkeiten wohl eine untergeordnete Rolle. Dort ging es ums Große und Ganze, nämlich um die Frage: Haben sich die zehnjährige Bauzeit und die astronomischen Baukosten des neuen Fußballstadions gelohnt? Die Arena in Sankt Petersburg geriet nicht nur ins Visier der Staatsanwaltschaft wegen der grassierenden Korruption, sondern auch ins Blickfeld der Menschenrechtler wegen der unwürdigen Arbeitsbedingungen. Ein nordkoreanischer Bauarbeiter soll auf der Baustelle ums Leben gekommen sein. So gesehen war die Eröffnung und das Finale des Confed Cups in Sankt Petersburg nicht nur ein sportliches, sondern auch ein politisches Ereignis in Russland.
Kleine Revolution
In die Annalen des Fußballs geht aber Kasan ein, die Hauptstadt der autonomen russischen Teilrepublik Tatarstan. Im dortigen Stadion fand eine kleine Revolution statt. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser äußerst konservativen Sportart griff bei einem großen Turnier ein Videoschiedsrichter ein. In der 20. Minute des Spiels Portugal gegen Mexiko fiel das erste Tor - und wurde nur wenige Sekunden später wieder aberkannt. Ob das neue System nun das Verhalten der Schiedsrichter grundlegend ändern wird, bleibt abzuwarten. Auch bei der WM im nächsten Jahr in Russland werden Videoassistenten den Referees zur Seite stehen.