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Contra: Iran Gewinner beim Atom-Abkommen

Sven Pöhle / CB6. Juli 2015

Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm gehen in die Verlängerung. Damit habe der Iran die USA über den Tisch gezogen, so Experte Mark Dubowitz im DW-Interview. Kein Abkommen sei besser als ein schlechtes.

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Arbeiter in einer Atomanlage im Iran - Foto: Behrouz Mehr (AFP)
Bild: BEHROUZ MEHRI/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Die Atomgespräche zwischen der 5+1-Gruppe und dem Iran sind in die Verlängerung gegangen. Glauben Sie, dass es zu einer umfassenden Einigung zwischen den Parteien kommen wird?

Mark Dubowitz: Ich bin sicher, dass es einen Deal geben wird. Die US-Administration hat massive Zugeständnisse gegenüber dem Iran gemacht. Die Delegation aus Washington hat ursprüngliche Positionen der USA aufgegeben und jeden der zahlreichen Wünsche aus Teheran erfüllt. Es wäre lächerlich, wenn Irans oberster Führer, Ali Chamenei, diesen Deal ablehnen würde.

Das klingt so, als wäre der Iran der Einzige, der von diesem Abkommen profitiert.

Der Iran hatte eine äußerst schwache Position, als er in die Verhandlungen gegangen. Das Land war international isoliert und sah sich harten Sanktionen und verschiedenen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats gegenüber. In weniger als in zwei Jahren haben sie den Spieß komplett umgedreht.

Ihre Strategie war, ihre ursprünglichen Positionen beizubehalten: keine Kompromisse bei wesentlichen Forderungen, zum Beispiel dass das iranische Atomprogramm abgebaut wird, dass das iranische Langstreckenraketenprogramm beendet wird, dass sie die Uran-Anreicherung aufgeben und dass sie sämtliche offenen Fragen über die militärische Dimension ihres Atomprogramms beantworten sowie zu jeder Zeit uneingeschränkten Zugang zu allen Anlagen gewährleisten.

Der Iran ist bei seinen Positionen geblieben und hat die Forderungen der Vereinigten Staaten abgelehnt. Die Führung in Teheran hat die Verhandlungen als eine Macht dritten Ranges mit einer Weltmacht begonnen und handelt nun so, als wäre sie selbst eine Weltmacht. Das ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung.

Wenn man Ihrer Argumentation folgt: Wie ist es dem Iran denn gelungen, den Spieß umzudrehen?

Da sind die Iraner sehr clever vorgegangen. Zu Beginn der Verhandlungen haben sie deutlich gemacht: Wir brechen die Gespräche ab, wenn es neue Sanktionen gibt oder der Druck auf Teheran in irgendeiner Form erhöht wird. Dann werden wir unser Atomprogramm ausweiten. Und dann habt ihr nur eine Wahl: eine militärische Intervention um uns zu stoppen. Wir wissen aber, dass Präsident Obama nicht militärisch vorgehen wird. Er wird noch nicht mal harte Sanktionen einsetzen. Er wird die Gespräche nicht abbrechen, und selbst wenn er es tut, wird er doch schnell wieder die Verhandlungen suchen, da er sich grundlegend in der Pflicht sieht, eine Einigung zu erreichen.

Aber dass es bei Verhandlungen zu Kompromissen kommt, ist doch nicht ungewöhnlich.

Aber ein Kompromiss bedeutet nicht, dass man in den meisten Punkten der anderen Seite nachgibt, vor allem nicht, wenn diese Seite gegen mehrere Resolutionen des Sicherheitsrats verstößt, die ihr illegales militärisches Atomprogramm betreffen. Ich glaube es steht außer Zweifel, dass die meisten Menschen - darunter auch Chamenei - glauben, dass Obama unbedingt ein Abkommen erreichen will. Mit den Problemen im Nahen Osten, der russischen Invasion in der Ukraine und dem Aufstieg des "Islamischen Staats" hat Obama keine andere Möglichkeit, außenpolitisch etwas zu erreichen. Die Iran-Verhandlungen sind seine einzige Chance. Obama hat unermüdlich deutlich gemacht, dass er die Gespräche zu einem Ergebnis führen will. Obwohl man sagt, dass manchmal kein Deal besser ist, als ein schlechter Deal.

Was macht das Abkommen in Ihren Augen zu einem schlechten Deal?

Das fundamentale Problem ist, dass entscheidende Auflagen nach zehn Jahren nicht mehr gelten werden, der Rest läuft nach 15 Jahren aus. Der Iran bekommt damit die Möglichkeit, weiter in großem Stil unbeaufsichtigt an seinem Atomprogramm zu arbeiten - ohne dass die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sagen kann, ob alles friedliche Ziele hat.

Aber der Iran hat sich doch beispielsweise dazu bereit erklärt, die Zahl seiner Zentrifugen und die Möglichkeiten zur Urananreicherung deutlich zu reduzieren. Zudem könnten die Sanktionen doch jederzeit wieder aufgenommen werden.

Das folgt alles einem feststehenden Muster, damit beide Seiten sich zum Sieger der Verhandlungen erklären können. Der Iran kann behaupten, man habe eine sofortige Einschränkung der Sanktionen erreicht. Und die US-Administration kann sagen, dass es diese Erleichterungen nur gebe, weil der Iran zu wesentlichen Einschränkungen bei seinem Atomprogramm bereit war.

Unter dem Strich steht aber, dass es im Iran durch das Ende der Sanktionen einen Aufschwung geben wird. Die Wirtschaft wird auf diese Weise viel stärker und widerstandsfähiger werden. Und die Führung in Teheran will eine Position erreichen, in der die iranische Wirtschaft künftig stark genug ist, erneute Sanktionen problemlos überstehen zu können. Es geht dem Regime darum, dass Deutschland, andere europäische Länder sowie Russland und China Milliarden Dollar in die iranische Wirtschaft investieren. Neue Sanktionen würden diese Staaten dann aus wirtschaftlichen und politischen Gründen als problematisch ansehen. Der Iran will der 5+1-Gruppe das Instrument der Wirtschaftssanktionen nehmen.

Werden im Iran die Hardliner profitieren, wenn Irans Präsident Hassan Ruhani am Ende ohne ein Abkommen dasteht?

Das Abkommen stammt doch aus der Feder iranischer Hardliner. Sie werden davon am meisten profitieren. Man darf eines nicht vergessen: Die Hardliner im Iran kontrollieren die Wirtschaft des Landes. Sie kontrollieren das Atomprogramm. Sie sind verantwortlich für Repressionen und Brutalitäten gegenüber den Bürgern. Und sie kontrollieren das iranische Militär, die Revolutionsgarden und die Al-Kuds-Brigaden.

Durch das Abkommen werden sie hunderte Milliarden Dollar bekommen und damit die wirtschaftlichen Mittel, ihren regionalen Expansionskurs voranzutreiben. Sie bekommen außerdem einen Atomdeal, bei dem sie sich nur für kurze Zeit in Geduld üben müssen. Nach zehn Jahren werden die letzten Fesseln gelockert und dann können die Hardliner ein Programm industriellen Ausmaßes aufbauen mit unbegrenzter Möglichkeit zur Urananreicherung, was wieder den heimlichen Bau einer Atombombe möglich macht.

Mark Dubowitz ist geschäftsführender Direktor der "Foundation for Defense of Democracies", einem überparteilichen Think Tank in Washington D.C. Zudem hat er die US-Regierung, den Kongress und Regierungen im Ausland in Fragen zu Iran und Sanktionen beraten.

Das Gespräch führte Sven Pöhle.