Rassismus in der Werbung
16. Januar 2018Die Reklame ging eindeutig nach hinten los: Als der schwedische Modekonzern H&M mit einem dunkelhäutigen Jungen in einem grünen Kapuzenpulli mit der Aufschrift "Coolest Monkey in the Jungle" ("Coolster Affe im Dschungel") warb, war die Empörung weltweit groß. In Südafrika mussten die H&M-Filialen sogar schließen, weil aufgebrachte Bürger die Läden stürmten. Auch dass sich mittlerweile die Mutter des Jungen gemeldet und verkündet hat, sie verstehe die ganze Aufregung nicht, konnte die Wogen nicht glätten.
H&M hat die Anzeige inzwischen zurückgezogen und sich entschuldigt, aber ein übler Beigeschmack bleibt - und die Frage, ob der Konzern die fragwürdige Kampagne aus Aufmerksamkeitsgründen lancierte – nach dem Motto: Auch schlechte Werbung ist gute Werbung.
Lange war es ganz normal, dass Werbung rassistische Untertöne hatte, von diskriminierenden Begriffen für Produkte wie den "Negerkuss" oder "Mohrenkopf" ganz zu schweigen. Aus Gründen der "political correctness" sagt man heute "Schokokuss" oder "Schaumkuss".
"Deutschland wählt weiß"
Umso erstaunlicher also, dass einer der größten international operierenden Süßwarenhersteller, der italienische Konzern Ferrero, 2013 einen Werbespot mit dem Slogan "Deutschland wählt weiß" auf den Markt brachte.
Die Marketingabteilung hatte der Traditionspraline eine Verjüngungskur verordnet, denn die bekannte Reklame, in der ein paar junge Leute ihre Freunde zu einem "Küsschen" einladen, war über die Jahre langweilig geworden. Außerdem gab es eine geschmackliche Innovation: Der braune Schoko-Klassiker sollte mit weißer Schokolade überzogen werden.
Als es darum ging, die Neukreation anzupreisen, hatten die Werbestrategen die damals vor der Tür stehende Bundestagswahl im Blick. Sie lehnten ihren Clip an die Wahlkampagne von Barack Obama aus dem Jahr 2008 an, in dem eine animierte Ferrero-Schachtel vor einem begeisterten Publikum spricht. Statt "Yes we can" heißt es "Yes weiß can" und "Deutschland wählt weiß". Schließlich jubeln alle gemeinsam die Parole: "Weiß Nuss bleiben", was aber eher wie "Weiß muss bleiben" klingt.
Was als das "leckerste Comeback" des Jahres angekündigt war, sorgte sowohl in Medienberichten als auch in den Sozialen Medien für Wirbel. "Eine der rassistischsten Werbungen, die ich dieses Jahr gesehen habe", schrieb jemand auf Facebook und ein anderer kommentierte: "Unglaublich, wie man so eine Werbung produzieren kann, ohne eine Sekunde über die Problematik nachzudenken." "Interkulturelle Kompetenz und Sensibilität gleich null", so ein weiterer Vorwurf.
Ferrero entschuldigte sich öffentlich und betonte, dass der Clip keineswegs fremdenfeindlich gemeint sein. Und trotzdem: Offenbar war es bei den Machern noch nicht angekommen, dass das Spiel mit Schwarz-Weiß-Klischees ziemlich geschmacklos ist.
"Dunkel = schmutzig" hat Tradition
Diesen Vorwurf musste sich 2017 auch der US-amerikanische Kosmetikhersteller Dove gefallen lassen. Im Video zieht eine schwarze Frau ihr T-Shirt aus, darunter erscheint eine weiße Frau. Die Werbung vermittle den Eindruck, das Dove-Gel verwandle schwarze in weiße Menschen, so die Kritik. Dove reagierte sofort: Die Werbung sei unbedacht und zeige Frauen mit dunkler Haut nicht in angemessener Weise, entschuldigte sich die Firma.
Eine entsprechende Diskriminierung, wonach dunkle Haut als schmutzig gilt, habe in der angloamerikanischen Werbung eine lange Tradition, kommentierte die "New York Times" damals und verwies auf eine 100 Jahre alte Reklame: "Warum wäscht dich deine Mami nicht mit Fairy Seife?", sagt darin ein weißes zu einem schwarzen Kind.
Auch Nivea sorgte 2017 im Netz für Unmut: Anlass war eine Facebook-Anzeige für Kunden im Nahen Osten, die für ein Deodorant wirbt, das keine Rückstande auf der Kleidung hinterlassen soll. Auf dem Bild sitzt eine Frau in weißer Kleidung mit dem Rücken zum Betrachter. Darunter die Worte: "White Is Purity" ("Weiß ist Reinheit").
Rassismus im Schleudergang
Den Spruch scheint der chinesische Konzern Shanghai Leishang Cosmetics verinnerlicht zu haben. 2016 lancierte er einen Werbespot, in dem eine junge Chinesin in der Waschküche mit einem dunkelhäutigen Maler flirtet. Als es fast zum Kuss kommt, schiebt sie ihm ein "Qiaobi"-Tab in den Mund und stopft ihn kopfüber in die Waschtrommel. Nach dem Waschgang kommt er nicht nur in sauberen Klamotten, sondern mit heller Hautfarbe als Chinese wieder heraus.
Der Spot verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Netz und sorgte weltweit für Entrüstung, denn schwarz wird hier mit schmutzig gleichgesetzt. Leider entspreche das gängigen Vorurteilen in China, schrieb die "Huffington Post" nach dem Vorfall. Auf der Webseite "Shanghaiist.com" sei sogar zu lesen, dass viele Chinesen eine regelrechte Phobie vor dunkler Hautfarbe hätten. Im asiatischen Raum gehört die weiße Hautfarbe zum Schönheitsideal. Erst nach massiven internationalen Protesten wurde die Werbung eingestellt.
Offenbar haben die Chinesen den Spot geklaut, denn er ist fast bis ins letzte Detail deckungsgleich mit einem italienischen Clip aus dem Jahr 2007 – mit einem Unterschied: Die Italienerin stopft einen hageren weißen Mann in die Waschmaschine, heraus kommt ein muskulöser Schwarzer.
Klischees in den Köpfen
In Deutschland wacht seit 1972 der Deutsche Werberat über diskriminierende und sexistische Reklame. Er hat dabei nicht nur große Konzerne, sondern auch kleine Dienstleister im Blick. Gerügt wurde zum Beispiel 2014 der Berliner Pizzaservice "Call a Pizza". Auf dem Werbeflyer "Fernköstliche Versuchung" zeigte der Bringdienst eine junge Asiatin, die nur in Reizwäsche bekleidet auf einem Bett liegt. "Die Darstellung durch Pose und insbesondere Slogan", so schrieb der Werberat damals, sei "herabwürdigend und diskriminierend, da der Eindruck erweckt wird, sowohl die Pizza als auch die Frau seien bestellbar bzw. käuflich".
Verbieten kann der Deutsche Werberat eine Werbung allerdings nicht. "Wir sind keine Zensur- oder Strafbehörde", sagt Geschäftsführerin Julia Busse, "sondern wir setzen auf freiwillige Selbstkontrolle." Wenn der Rat ein Unternehmen anmahnt, eine Kampagne zu entfernen oder abzuändern und keine Reaktion erfolgt, schaltet er die Massenmedien ein. In 90 Prozent aller Fälle, so Busse, folgen die Firmen allerdings der Forderung des Werberats, um ihr positives Image nicht zu gefährden. 2016 schritt er rund 440 Mal ein, wobei zu 60 Prozent sexistische Reklame angemahnt wurde - rassistisch angehauchte Werbung gab es kaum.
Wann eine Werbung rassistisch ist und wann nicht, empfinde jeder anders, weiß Busse aus Erfahrung. Als der Werberat einer Beschwerde nachging, die das Foto eines kleines schwarzen Jungen neben einem "Schoko-Schnitte" genannten Gebäck in einer Bäckerei monierte, stellte sich heraus: Die Verkäuferin war die Mutter des Jungen und hatte sich bei dem Arrangement nichts Böses gedacht.
Fakt ist allerdings, dass weltweit immer noch viele Klischees über Schwarze und Weiße in den Köpfen vorherrschen, die nicht so leicht auszumerzen sind. Unter dem Hashtag #notoracism können User im Netz Rassismus anprangern, sei es in der Werbung oder anderswo.
Dass es auch anders geht, zeigt dieses Video - in dem eine rassistisch eingestellte Frau im Flugzeug eindeutig den Kürzeren zieht.