Lob und Tadel für COP26-Abschlusserklärung
14. November 2021Mit einem Hammer-Schlag gab Konferenz-Leiter Alok Sharma am Samstagabend in Glasgow das Zeichen, dass es keine entscheidenden Einwände mehr gegen den Abschluss-Text gab, um den bis zur letzten Minute gerungen worden war. Dieser bringt Lichtblicke - hat aber auch Schattenseiten.
Die UN-Klimakonferenz hat die Staaten der Welt erstmals dazu aufgefordert, den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten. Der nun von rund 200 Staaten gebilligte "Klimapakt von Glasgow" fordert außerdem, "ineffiziente" Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen.
Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
- Aufruf zum Abschied von der Kohle. Statt von einem Ausstieg (phase-out) ist auf Druck der stark von Kohle abhängigen Staaten China und Indien nun nur noch von einem schrittweisen Abbau (phase-down) die Rede. Die Staaten werden zur Abkehr von der Kohleverstromung und zur Streichung der Subventionen für fossile Energieträger aufgefordert. Diese Passage wurde im Zug der Konferenz Schritt für Schritt abgeschwächt. Nun bezieht sich der "Glasgower Beschluss" nur noch auf Kohle, bei der nicht mithilfe von CCS-Technologie CO2 gebunden werden kann, und "ineffiziente" Subventionen. Der Begriff "ineffizient" ist nicht näher definiert.
- Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel und Minderung von Treibhausgasen. Am Ende der Weltklimakonferenz haben sich alle COP26-Teilnehmer dazu bereit erklärt, Maßnahmen zu ergreifen, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen. Dies bleibt aber freiwillig, es gibt keine Pflicht. In der Erklärung wird festgehalten, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit noch in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent sinken muss, wenn das 1,5-Grad-Limit in Reichweite bleiben soll.
- Hilfen für arme Staaten. Zugesagt wurde auch mehr finanzielle Unterstützung, damit sich wenig wohlhabende Länder an die vielerorts fatalen Folgen der Klimakrise anpassen können. Zig Millionen Menschen sind schon jetzt mit häufigeren und längeren Dürren und Hitzewellen konfrontiert oder kämpfen mit heftigeren Stürmen und Überschwemmungen. Konkret sollen diese Finanzhilfen bis 2025 verdoppelt werden, also von aktuell jährlich rund 20 auf dann 40 Milliarden US-Dollar.
- Hilfe nach Klimaschäden. Erstmals wird auch die jahrelange Forderung armer Staaten aufgegriffen, einen Geldtopf für den Ausgleich bei Schäden und Verlusten einzurichten. Gemeint sind etwa Zerstörungen oder erzwungene Umsiedlungen nach Dürren, Sturmfluten oder Wirbelstürmen. Die Staaten werden aufgefordert, dafür Geld einzuzahlen. Konkrete Summen dafür werden aber nicht genannt. Es soll nur "technische Unterstützung" nach Schadensereignissen bereitstehen, aber nicht der komplette Schaden beglichen werden.
- Regelbuch für Pariser Abkommen komplett. Darin waren seit Jahren noch Punkte offen. Dabei geht es unter anderem um die Transparenz und Überprüfbarkeit, wenn Staaten dem UN-Klimasekretariat künftig jährlich über ihre Fortschritte beim Klimaschutz berichten. Zudem vereinbarten die Delegierten Regeln für einen länderübergreifenden Kohlenstoffmarkt. Dabei geht es um die Möglichkeit, dass reiche Staaten für die Förderung von Klimaschutz im Ausland Emissionszertifikate erhalten, die sie sich auf die Klimabilanz rechnen können.
Historisch oder Blah Blah Blah?
Obwohl der Aufruf zum Aus für die Kohle am Ende auf Druck von China und Indien nochmals abgeschwächt wurde, lobte Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Deal dennoch als "historisch". Bei der COP26 sei "jetzt weltweit der Kohleausstieg eingeleitet" worden. Mit dieser Beschleunigung der Energiewende in aller Welt sei ein "neues wirtschaftliches Leitbild" entstanden, sagte Schulze. Dadurch bewirke die COP26 eine "deutliche Beschleunigung für den Klimaschutz".
Sie habe sich die Formulierung zur Kohle "noch etwas eindeutiger gewünscht", so die Bundesumweltministerin. Nun sei sie zwar "etwas abgeschwächt worden, aber die ist drin geblieben". Dies sei "bis zur letzten Sekunde sehr, sehr schwierig" gewesen und Deutschland und die EU hätten hier "sehr viele Brücken bauen" müssen.
Greta Thunberg, die weltweit wohl bekannteste Klimaaktivistin, zog hingegen eine vernichtende Bilanz. "Die COP26 ist vorbei. Hier ist eine kurze Zusammenfassung: Blah Blah Blah", twitterte die Schwedin.
Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, äußerte sich ernüchtert über den Ausgang. "Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen", ließ Guterres verlauten. Die UN-Klimakonferenz in Glasgow habe die Gefahr einer globalen Klimakrise nicht gebannt. Die in den Beschlüssen von Glasgow erzielten Fortschritte seien "nicht genug" und voller "Widersprüche". Die Klimakatastrophe stehe weiter vor der Tür, so der UN-Generalsekretär: "Unser zerbrechlicher Planet hängt am seidenen Faden."
Emotionaler Moment kurz vor Schluss
Der Gastgeber, der britische Premier Boris Johnson, begrüßte die Beschlüsse als großen Schritt nach vorn, wies aber darauf hin, dass es weiterhin viel zu tun gebe. "Ich hoffe, dass wir auf die COP26 in Glasgow als Anfang vom Ende des Klimawandels zurückblicken werden."
Als sich mehrere Staaten am Samstagabend kurz vor der Schlussabstimmung bitterlich über Verwässerungen in letzter Minute beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma mit den Tränen. "Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist. Und es tut mir sehr leid", sagte er.
Sharma fügte an: "Es ist auch von elementarer Bedeutung, dass wir dieses Paket schützen." Darauf versagte ihm die Stimme und er senkte den Blick. Die Delegierten halfen ihm mit langem Applaus über den emotionalen Moment hinweg.
Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt.
AR/wa (dpa, epd, rtr)