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Fossile Energie: Was bedeutet "Big Oil" fürs Klima?

12. November 2024

Die Produkte der großen Ölfirmen von Brennstoff bis Plastik sind weltweit wichtig - und befeuern die Klimakrise. Welche Rolle muss Big Oil für den Klimaschutz der Zukunft übernehmen?

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Öl
Bild: George Esiri/EPA/dpa/picture alliance

Die Produkte der Ölindustrie sind die Stütze der globalen Wirtschaft – sie treiben den Transportsektor an, unsere Industrien, heizen unser Zuhause, versorgen uns mit Strom und bilden die Basis für Dinge wie Plastik, das aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist.

Diese Abhängigkeit hat dazu geführt, dass die Ölindustrie inzwischen so große Dimensionen erreicht hat, dass sie als "Big Oil" bezeichnet wird. Das Verbrennen von Öl und Gas pumpt jedes Jahr Milliarden Tonnen an Treibhausgasen in die Atmosphäre.

Wir müssen dringend von fossilen Brennstoffen weg, warnen Wissenschaftler seit Jahren. Die Internationale Energieagentur IEA sagt, es gebe  keinen Spielraum für neue Öl- oder Gasfelder oder Kohlegruben, wenn die Welt Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen will.

Neben den Emissionen sorgt auch ein weitverzweigtes Netzwerk an Rohren, Minen, Raffinerien, Straßen und Häfen für die Ölindustrie dafür, dass natürliche Landschaften zerstückelt werden und Luft, Wasser und Boden verschmutzt werden.

Viele Öl- und Gasvertreter behaupten, dass sie eine Schlüsselrolle im Übergang zu sauberer Energie einnehmen, indem sie in erneuerbare Energien und Technologien wie das Auffangen von CO2 investieren. Kritiker sagen jedoch, dass sie Fortschritte auch behindert haben.

Wie sieht die Zukunft für die großen Ölfirmen und das Klima aus? Hier die wichtigsten Punkte im Überblick:

Ein Tanker auf dem offenen Meer mit schwarz-braunen Ölschlieren im Meer
Unfälle, zum Beispiel durch auslaufende Öltanker auf offenem Meer, haben Ökosysteme verschmutztBild: Jam Press/Noel Celis/Greenpeace/IMAGO

Wie groß ist eigentlich "Big Oil"?

Das Schlagwort "Big Oil" taucht immer wieder in Diskussionen über Klimawandel und Energiepolitik auf – aber wer gehört eigentlich alles dazu?

"Big Oil bezieht sich auf die größten Öl- und meistens auch auf die Gasunternehmen der Welt", sagt Ben Cushing, der für die US-amerikanische Umweltschutzorganisation Sierra Club arbeitet. Der Begriff werde inzwischen nicht nur für private, sondern auch für staatliche Ölfirmen genutzt, die zu den weltweit größten Ölproduzenten gehören, so Cushing.

Big Oil und der CO2-Fußabdruck

Trotz der nicht trennscharfen Definition sei der Begriff Big Oil sinnvoll, um auf die schiere Größe der Industrie hinzuweisen, so Natalie Jones, die für das Internationale Institut für nachhaltige Entwicklung (IISD) zu Fragen der Energiepolitik arbeitet. 

Die Öl- und Gasindustrie erzielte im Zeitraum von 1970 bis 2020 laut einer Analyse einen jährlichen Durchschnittsprofit von 1 Billionen US-Dollar – das sind umgerechnet 2,8 Milliarden US-Dollar pro Tag. Und die vergangenen Jahre waren dabei besonders lukrativ: Das Jahr 2022 hat die Rekorde geknackt, nachdem Energiepreise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine explodiert waren. 

Seitdem haben die Öl- und Gasgiganten Aktionären eine noch nie dagewesene Summe von 111 Milliarden US-Dollar ausbezahlt. Zu dem Schluss kam eine Analyse der internationalen Nichtregierungsorganisation Global Witness, die  Menschenrechtsverletzungen, Konflikte und die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen untersucht.

Big Oil ist "extrem mächtig, extrem rentabel, mit einem extremen Anteil an Einfluss auf Regierungen und Gesellschaften", so Jones. Die Industriegiganten erreichten dies auf zweierlei Wegen: Zum einen, indem sie akademische Institutionen mit finanzieller Unterstützung dazu bringen, Rechercheprojekte anzuschieben, die zugunsten von Big Oil seien. Und zum anderen, indem sie Lobbyistenorganisationen unterstützten, die "gewaltigen Einfluss auf Regierungen" hätten, so Jones.

Auch auf der UN-Klimakonferenz COP sei eine starke Präsenz der Branchenvertreter problematisch, wenn es darum geht, sich auf weitreichende Klimaschutzabkommen zu einigen.

Bei der letzten COP28 vor einem Jahr waren eine Höchstzahl an Lobbyisten vor Ort – und signifikant mehr Branchenvertreter als Abgeordnete der zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder zusammen, so "Kick Big Polluters Out", eine Koalition aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

"Da ist ein ganzes Ökosystem an Organisationen, die von Big Oil unterstützt werden", sagte Jones.

Plastikflaschen im Regal
Öl und Gas sind Rohstoffe für Plastik - auch für Einwegprodukte, die die Hälfte der weltweiten Plastikproduktion ausmachenBild: picture alliance/Caro Teich

Haben die Ölriesen Klimaschutz verhindert?

Von einer "jahrzehntelangen Täuschungskampagne" sprechen Mitglieder von US-Regierungsausschüssen in einem vor kurzem veröffentlichten Joint-Staff-Bericht. Die Öffentlichkeit sei von Big Oil über die Gefahren von fossilen Brennstoffen in die Irre geführt worden. Die Strategie habe sich dabei vom kompletten Abstreiten grundlegender Wissenschaftserkenntnisse zu "Täuschung, Desinformation und Doppelsprech/Doublespeak" entwickelt.

Die einflussreichsten Öl- und Gasgesellschaften hätten in den letzten 50 Jahren drei Schlüsselstrategien genutzt, um die globale Energiewende "abzulehnen, zu schwächen und zu verzögern", so formuliert es die Denkfabrik InfluenceMap. Sie hätten dabei die die Auswirkungen von alternativen Energien sowie deren Viabilität heruntergespielt, die Wahl der Konsumenten und Marktlösungen in den Vordergrund gerückt, und erneuerbare Energien als Risiko für die Sicherheit der Energieversorgung und Bezahlbarkeit dargestellt, so der Report.

"Diese Strategie wurde für eine sehr lange Zeit gefahren und hat sich als sehr effektiv bei den Entscheidungsträgern herausgestellt", sagte Tom Holen, Energiewende-Manager bei InfluenceMap. Diese Strategien hätten dabei wahrscheinlich dazu geführt, dass die Energiewende verzögert wurde, indem das Wachstum für erneuerbare Energien und elektrische Fahrzeuge verlangsamt wurde, so der Report.

Heute findet die meiste Beeinflussung der Bevölkerung durch PR-Agenturen, Marketingfirmen, gesponsorte Inhalte oder redaktionell gestaltete Inserate in Medienpublikationen statt. Ausserdem gibt es subtileren Ansätzen wie die Unterstützung von Denkfabriken oder Akademikern, sagt Jennie King, die zu Klimadesinformation an der Londoner Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue forscht.

Helfen Öl- und Gasfirmen mit, Emissionen zu senken?

Laut IEA machten Öl und Gas 2022 über die Hälfte aller Emissionen der Verbrennung von fossilen Brennstoffen aus. Trotzdem behaupten die Firmen, dass sie eine Schlüsselrolle in der Energiewende einnehmen und verweisen auf Investitionen in erneuerbare Energien und Technologien - wie das Auffangen von CO2 sowie ihre Versprechen für Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2050.

Die IEA wiederum hat Öl- und Gasfirmen dafür kritisiert, die Energiewende unbeteiligt zu beobachten. Die Ausgaben für saubere Energien von Öl- und Gasfirmen stiegen in 2023 auf rund 30 Milliarden US-Dollar an – jedoch macht dies lediglich rund vier Prozent der Kapitalausgaben aus, so die IEA.

Qualmende Schornsteine einer Ölraffinerie
Wie kann man Emissionen wieder einfangen? Viele hofften, Technologien wie Carbon Capture könnten helfen, aber bislang wurde nur eine kleine Anzahl an CO2 aus der Atmosphäre gesaugtBild: blickwinkel/IMAGO

Während Wissenschaftler sagen, dass Technologien zur CO2-Entfernung "unvermeidlich" seien, wenn wir das Ziel von Netto-Null-Emissionen erreichen wollen, warnen Kritiker, dass diese sogenannten Carbon Capture Technologien rasant ausgebaut werden müssten, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen. Lediglich geschätzte 0.1 bis 0.2 Prozent der globalen Emissionen werden derzeit mithilfe dieser Technologien aufgefangen.

Und obwohl Wasserstoff keine direkten Treibhausgasemissionen in die Luft bläst, wenn es als Treibstoff genutzt wird - die Prozesse, die benötigt werden, um Wasserstoff zu produzieren, tun es oftmals.

Auch wenn manche der großen Öl- und Gasfirmen langfristig damit planen, ein Fördermaximum der Produktion oder gar eine Reduzierung der Förderung anzustreben, gehe der Trend kurzfristig zu mehr Förderung, so die Denkfabrik Carbon Tracker.

Etwa 96 Prozent der Öl- und Gasunternehmen erkunden und entwickeln neue Öl-und Gas- Reserven in 129 Ländern, das dokumentiert die deutsche Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald in Datenbanken.

Dabei geht es um insgesamt 230 Milliarden Barrel bislang unerschlossener Öl- und Gasvorkommen. Werde diese Menge verbrennt, würde das 30-mal mehr CO2 freisetzen als die jährliche Treibhausemissionen aller Länder der Europäischen Union zusammen.

Die Produktion "der Öl- und Gasindustrie ist so groß wie nie zuvor", so Nils Bartsch von Urgewald.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Wann geht uns das Öl aus?

Holly Young Holly Young ist Klimareporterin bei der DW Umweltredaktion in Berlin.@holly_young88